Gefährten: Film-Kritik zu Spielbergs Pferde-Epos

„Ich hoffe, dass diese allgemein gültige Story die Menschen überall auf der Welt zueinander führt“, so der Regisseur, der so gerne und erfolgreich Filme mit stummen Protagonisten dreht. Nachdem er schon einem LKW, einem Hai, einem Außerirdischen und Dinosauriern zu Weltruhm verhalf, setzt er in seinem neuesten Werk auf ein Pferd. Vor dem Hintergrund des Schicksals über einer Millionen Tiere, die im ersten Weltkrieg unter grausamen Bedingungen ihr Leben ließen, erzählt Gefährten die Geschichte eines Pferdes, seiner Begegnungen während der Kriegsjahre und der Freundschaft zu einem Jungen.

Es steht außer Frage, dass Joey das War Horse, zu deutsch Kriegspferd, sich für seinen Besitzer als Goldesel entpuppt. Bereits mit seinem eigentlich für das TV geplante Duel stellte Steven Spielberg sein Können und seinen Instinkt unter Beweis und kreierte bald mit Der weiße Hai ein Image, das sein natürliches Vorbild bis zum heutigen Tag nie so recht abschütteln konnte. Seine Filme ziehen Millionen in ihren Bann und werden regelmäßig mit Nominierungen überschüttet. Der Zuschauer weiß also, was ihn in einem Spielberg erwartet.

Gefährten: ein typischer Spielberg?

Oder etwa doch nicht? Irritierend war schon die Einstimmung auf den Film. Stieß man auf einen Trailer oder Teaser, dann meist in Verbindung mit einem Pressetext, Zitat des Regisseurs oder eines Crew-Mitglieds wie das von Produzentin Kathleen Kennedy: „Diese Gefühle haben nichts kitschig-sentimentales an sich, sie sind wahrhaftig.“ Allgemeinplätze wie „Mut“, „Emotionen“ oder „Freundschaft“ ganz zu schweigen von „mitreißend“, „opulent“ und „episch“ klebten am Videomaterial wie Hauptfigur Albert an seinem Joey. Fast wie eine Entschuldigung wirkte das, wie eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage – wie das Warum für das Zuviel.

Und gleich die ersten Minuten des Films erklären die Erklärungsversuche der Verantwortlichen: Vogelgezwitscher, Sonnenaufgang, im Nebel liegende erwachende Wälder und Wiesen, ein See – dann Musik, aber keineswegs eine diese Stimmung untermalende, sondern eine emotional völlig überladene. John Williams, dem wir Klassiker verdanken wie die Filmmusik zu Der weiße Hai, Indiana Jones und Star Wars, stand hier offensichtlich noch unter dem rührenden Eindruck des Wiedersehens mit seinem alten Freund Steven. Selbstredend macht er seinem Ruf im Rest des Films alle Ehre und selbstredend gibt es dafür eine Oscar-Nominierung.
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Gefährten: Darf man Spielberg kritisieren?

Aber derlei Irritationen gibt es viele in War Horse. Angefangen bei der Beleuchtung, die immer wieder an ein Musical erinnert oder gänzlich unnatürlich wirkt, dann der unerfahrene Hauptdarsteller Jeremy Irvine, dessen Darstellungskunst nur in der Variation der Öffnung seines Mundes zu liegen scheint, die familienfreundlichen Kriegsszenen samt Feuerwerk, die dagegen überraschend brutale Stacheldraht-Sequenz mit dem Pferd, das halbstündige Ende und insbesondere eine Szene, die ob ihrer Hilflosigkeit im Gedächtnis bleibt:

Albert muss mit Joey, der mehr schön ist als stark, den Steinacker umpflügen, um die Narracott-Farm zu retten. Nachdem die Dramatik anzieht und wiederholt ein Versuch des Jungen scheitert, das Tier zum Ziehen des Pfluges zu bewegen, eilen aus dem Nichts 30 neugierige Dorfbewohner über den Farmweg herbei, um dem Spektakel beizuwohnen, 30 weitere kommen zufällig im selben Moment den Hügel hinauf. Als dann auch noch der Regen einsetzt, ist die Spannung kaum noch zu ertragen –  Man kommt nicht umhin, zu fragen, was den Altmeister dazu bewegte, die Künstlichkeit dieses Moments derart zur Schau zu stellen.

Gefährten: Kein Meilenstein der Filmgeschichte

Misst man War Horse an seinen bisherigen Erfolgen, kann man kaum von einem typischen Spielberg sprechen. Die verschwenderischen Mittel, die Theatralik, das ausladende Spiel – all das ließe sich erklären mit dem Quell aus dem der Filmemacher seine Inspiration schöpfte: Der Besuch des gleichnamigen Londoner Theaterstücks, das wiederum auf dem Kinderbuch des britischen Schriftstellers Michael Morpurgo basiert. Dann jedoch huldigt Gefährten lediglich dem Original und bietet keinerlei Mehrwert.

Möchte man es nicht ganz so drastisch formulieren, muss man konstatieren, dass der Meister des Storytellings sich im Ton vergriffen hat. Um einen großen Film zu machen, bedarf es mehr als einer großen Geschichte und reichlich Pathos. Und obschon die sechs Oscar-Nominierungen zu erwarten waren, allein nötig hat Gefährten sie nicht. Vielleicht übergeht man den vielfach ausgezeichneten Spielberg einfach mal zugunsten jüngerer Kollegen. Dem Erfolg des Pferde-Epos würde es keinen Abbruch tun, ambitionierte Filmemacher indes ermutigen, an ihre bemerkenswerten Beiträge diesen Jahres anzuknüpfen.

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Eine weitere (illustrierte) Review gibt es hier.

Eine Meinung

  1. Würd mich freuen, wenn von ihm nochmal was kommt wie „Der weiße Hai“. Das „Horsey“ war jedenfalls schrecklich.

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