Transnationalmannschaft: Ein multikultureller WM-Rückblick in Mannheim

Ursprünglich war der Film gar nicht für das Kino gedacht. Ursprünglich wurde er nur in Mannheim gezeigt, wollte der Regisseur Philipp Kohl der Stadt seines Drehortes auch ihre Stadt präsentieren. Doch aufgrund der Tiefe und des anderen Blickwinkels auf diese Fußball-WM und jenes, was sich drum herum abgespielt hat, wird es Transnationalmannschaft vielleicht nicht auf die allergrößte Kinobühne schaffen, zumindest aber deutschlandweit zu sehen sein. Und das zu recht.

Vom Leben und leben lassen, miteinander: Transnationalmannschaft

Jungbusch und Filsbach, Mannheim, im Sommer 2010: Während die deutsche Fußballnationalmannschaft in Südafrika beigeisternd kickt, war hierzulande Partystimmung. Menschenmassen, Public-Viewing, locker-leichtes Lebensgefühl. In zwei Stadtteilen Mannheims war das nicht anders, nur steht die Euphorie hier unter einem anderen Stern: Mit gut 60% Ausländeranteil inmitten der Innenstadt, stellt dieser Fleck Deutschlands, trotz anders meinendem, plakativem Populismus, die Ausnahme dar. Der Freude über das ebenfalls aus den unterschiedlichsten Ländern zusammengesetzte Team Jogi Löws tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil scheinen die Khediras, Özils und Kloses die Identifikation zu erhöhen.
Philipp Kohl dokumentiert in seiner bemerkenswerten Studie sieben (und eigentlich mehr) Personen nichtdeutscher Herkunft und begleitet sie filmisch während der WM. Dabei steht weniger der Sport im Mittelpunkt, als es vielmehr die großen Fragen nach der Heimat, der Herkunft und der Indentität sind, die den Film antreiben. Afrikaner kommen ebenso zu Wort wie Türken, Perser so wie Osteuropäer. Und es scheint, als eine diesen multikulturellen Mikrokosmos primär das Naheliegenste: ihr Leben in Deutschland. Kohl lässt seine Protagonisten sprechen, fragt unaufdringlich und gibt ihnen Zeit. Er geht streng chronologisch vor – beginnend beim ersten Spiel der Vorrunde. Das mag öde erscheinen und unkreativ. Doch ist es genau diese Form des Erzählens und Erzählenlassens, aus dem die 90 Minuten ihre Stärke ziehen. Denn mit der zunehmenden Euphorie verändert sich auch die Atmosphäre des Films.

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Mannheimer Transnationalmannschaft: Ein pars pro toto Deutschlands

Kohls Film strotzt vor Leichtigkeit, lässt Menschen zu Wort kommen, die daraufhin wieder im Dickicht der Fans verschwinden. Es ist ein Ausschnitt, ein Abbild Deutschlands. Die Personen, die den Zuschauer länger begleiten, müssen hier gar nicht näher beschrieben werden. Denn auch sie stehen als pars pro toto für die Gesellschaft eines Landes, das sich gewandelt hat und noch wandeln wird und in dem – auch das eine wichtige Botschaft – unbedingt Platz für Andersgläubige, Andersdenkende und Anderslebende sein muss. Somit ist der „Heimatfilm“ (wie die Macher ihn selbst bezeichnen) ein Beitrag zur Debatte rund um Sarrazin und Integration. Das alles geschieht durch eine denkbar simple, zugleich aber subtile Idee: Durch ein Fußballturnier, 9000 Kilometer entfernt.

Der deutschlandweite Kinostart ist der 2. Juni und auch und gerade für jene, die dem vordergründig thematisierten Sport nichts abgewinnen können, sei die Dokumentation ans Herz gelegt. Ein selten gut gelungener, unaufgeregter und wichtiger Ausschnitt deutscher Realität.

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