Crossed: Gore, Blut und Pessimismus in Garth Ennis‘ Comic Dystopie

Man kommt manchmal nicht umhin sich zu fragen, wo die Grenze ist, wo das Gute aufhört und das Böse anfängt, was uns davon abhält, jemandem Schaden zuzufügen oder was uns gerade dazu treibt. In „Crossed“ sorgt ein mysteriöser Virus dafür, dass sich neben einem äußerst symbolischen Hautausschlag die schlimmste Seite der Menschen zeigt und dafür sorgt, dass alle sozialen und moralischen Hemmschwellen nieder getrampelt werden.

„Crossed“: Monster in Menschengestalt

Was folgt ist eine Dystopie die grausiger als jede Zombie-Apokalypse ist, denn im Gegensatz zu den lahm schlurfenden Hautfetzen leben die „Gekreuzigten“ und denken und laufen dementsprechend flinker als die Untoten. Im ersten Band begleiten wir eine Gruppe Überlebender, die sich auf die Suche nach einer möglichst menschenleeren Bleibe macht, um den Wilden aus dem Weg zu gehen.
Das klingt erst einmal sehr traditionell, verliert sich jedoch schnell in äußerst graphisch dargestellter Brutalität ( Das Comic ist daher nichts für Kinder) und der Frage, wie menschlich man bleiben kann, wenn die Gesellschaft ihre Menschlichkeit verloren hat.

Jacen Burrows zeichnet das Grauen

Für schwache Gemüter ist Jacen Burrows' nur allzu detaillierte Darstellung der Verrohung nicht und manches Mal würde man sich eventuell sogar wünschen, man würde nicht alles zu sehen bekommen. Doch gerade das macht Ennis' Geschichte so eindringlich, der Schrecken wird klar dargestellt, „Show don't tell“, die oberste aller Comic-Regeln wird hier auf das schmerzlichste eingehalten und zeichnet so ein brutales, blutiges Bild einer Gesellschaft, die allen Sinn und Anstand verloren hat.
Inmitten dieser Schlammschlacht an Gore findet sich jedoch auch ein Ansatz, den sich die meisten Zombiegeschichten nicht trauen; wo man bei „The Walking Dead“ klar zwischen den animalischen Untoten und den Überlebenden unterscheiden kann, zieht sich die Grenze in „Crossed“ nicht so klar, müssen sich der Leser als auch die Protagonisten eingestehen, dass der Virus nichts Neues in die Welt gebracht, sondern nur das Schlimmste ans Tageslicht gezerrt hat.

Das Comic bietet keine Atempause und ist manchmal schwer verdaulich, ruht sich jedoch nicht auf den Lorbeeren einer wild gewordenen Dystopie aus, die mit muskelbepackten Helden oder Beziehungsdramen interessant gemacht wird, sondern suhlt sich geradezu in der pessimistischen Sicht auf die Gewalt und Bereitschaft zum Bösen in unserer Gesellschaft und schafft es gleichzeitig, eine Spannung aufzubauen, die trotz schier unerträglicher Bilder zum Weiterblättern zwingt.

Ein paar technische Details

Oftmals fällt eine Übersetzung ins Deutsche ja unangenehm auf, für dieses Werk muss man jedoch einen Daumen nach oben geben, da man zu keiner Zeit ins Grübeln kommt, weil etwa Schimpfwörter holprig umgesetzt wurden.
Nicht immer zu finden, hier aber glücklicherweise dabei sind alle Cover der einzelnen Comichefte, die alleinstehend bereits für Gänsehaut sorgen.
Einen sehr interessanten Ansatz haben Garth Ennis und Jacen Burrows übrigens für weitere Volumes; in abgeschlossenen Kapiteln werden einzelne Schicksale von Überlebenden erzählt, die nächste Episode „Crossed: Family Values“ etwa spielt auf einer idyllischen Farm, während sich darauffolgende Bände (darunter auch ein 3D Spezial) mit Militärprofis und gefährlichen Gruppendynamiken beschäftigen.
So haben die Autoren die Möglichkeit, die verschiedensten Perspektiven während solch einer Katastrophe zu erkunden und auszumalen.
Und auch wenn man es eher kritisch beäugen sollte: auch ein Independent Film soll bereits ins Auge gefasst worden sein, wo u.A. Kevin Spacey als Produzent tätig sein wird.

Den ersten Band gibt es beim Panini Verlag / Avatar Press.

  • 19,95
  • 260 Seiten
  • Softcover
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