Uwe Tellkamps ‚Der Turm‘: Roman über ein vergangenes Land

Ein fast 1000 Seiten starker Roman über die letzten Jahre der DDR. Uwe Tellkamp erzählt eine Familiengeschichte mit all ihren Facetten. Über Menschen, die Zeitzeugen einer vergangenen Welt sind. Sie leben einen Alltag, der ein anderer ist, als ihn die meisten DDR-Bürger im Durchschnitt lebt. Ein Alltag im Villenviertel in Dresden. Ein Alltag bestehend aus der Abschottung vom Regime, dem Versuch eine Nische zu finden und dennoch im Strom der Zeit mit zu schwimmen.

Bildungsbürger im Arbeiter- und Bauernstaat

Wie schaffen es Bildungsbürger sich in einem Arbeiter- und Bauernstaat zu integrieren? Richtig, gar nicht. Sie schotten sich ab und verharren in stillem Aufbegehren. Natürlich trotzdem immer darauf bedacht, mit Musik und Literatur, intellektuellen Austausch zu zelebrieren. Uwe Tellkamp erzählt die Geschichte einer Familie, den „Turmbewohnern“ im Dresdner Villenviertel „Der Turm“. Die letzten sieben Jahre der DDR sind hier erzählerisch vor allem geprägt von Bildungsbürgertum, unfreiwilliger Militärausbildung und dem Drang kulturschaffend tätig zu sein.
Man muss schon eine schnelle Auffassungsgabe haben, um Tellkamp folgen zu können. Manche Sätze gehen zum Teil über eine halbe Seite und die Auswahl der Personen ist enorm groß. Dem Leser hilft es allerdings, dass sich die Haupthandlung auf drei wesentliche Protagonisten fokussiert: Schüler Christian, dessen Vater Richard der Chirurg und Onkel Meno, ein Literat.

Tellkamps Protagonisten

Christian Hoffmann ist ein eifriger Schüler mit klaren Vorstellungen von seiner Zukunft. Er will Arzt werden, was eine sozialistische Laufbahn in dieser Zeit natürlich vorschreibt. Um Medizin studieren zu können, ist eine Zukunft in der Nationalen Volksarmee für ihn Pflicht. Im Zwiespalt zwischen Systemkritik und einem unauffälligen Lebensstil, gibt er sich seinem Schicksal hin. Die Zeit bei der NVA ist geprägt von innerer Unruhe und schlimmen Vorfällen.
Richard Hoffmann entspringt nahezu der typischen Schublade, in die gewöhnlich Ärzte gesteckt werden. Von Erfolg verwöhnt, fühlt er sich nicht nur seiner Familie verpflichtet, sondern auch zahlreicher Liebschaften. Nicht einmal vor der Freundin seines Sohnes macht er Halt. Aber auch Richard bekommt nach und nach die Schattenseiten des Systems in dem er lebt zu spüren. Als er immer weiter in Bedrängnis gerät, wird auch bei ihm allmählich Widerstand spürbar.

Meno Rohde steht im ständigen Interessenkonflikt. Seelisch wie moralisch. Er fühlt als Lektor mit denjenigen Schriftstellern mit, die sich aus dem Regime-Käfig zu befreien versuchen. Allerdings ist er einem Dresdner Verlag beruflich verpflichtet und muss nach Anweisung handeln. Auch Meno folgt den vorgegebenen Bahnen, weiß er doch, dass das Handeln in Nischen nicht Bestand haben kann. Dennoch ist er als Literat wenigstens im Kopf bereit, eigene Vorstellungen von Recht und Schaffen eines politischen Systems zu entwerfen.
Das Dresdner Villenviertel durch die Augen von Uwe Tellkamp betrachtet, inklusive einer Leseprobe:
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Von Stillstand im Fall

Die Stimmung in Uwe Tellkamps „Turm“ sucht ihresgleichen. Irgendwie schafft der Autor es, ein Spannungsfeld zwischen absolutem Stillstand und unausweichlicher Bewegung zu erzeugen. Es verändert sich nichts und doch bewegt sich die Welt unaufhörlich auf etwas Neues hinzu. Neues in Form des Niedergangs der Deutschen Demokratischen Republik. Die Protagonisten sind vielseitig interessant und erzeugen eine eigene Dynamik, die den Leser das Buch nicht aus der Hand legen lässt. Trotz zahlreicher Schatten, kommen auch eine Menge Anekdoten aus dem DDR-Alltag nicht zu kurz. Die Geschichte der DDR wird von einer anderen, wirklich interessanten Perspektive beleuchtet. Eine in der Bildungsbürger einer steten Sinnsuche unterworfen sind.
Uwe Tellkamp erhielt für „Der Turm“ den Deutschen Buchpreis 2008. Der Roman wird zwar nicht autobiographisch geführt, ist aber zum großen Teil mit dem Leben des Autors verknüpft. Das Buch ist im „Suhrkamp Verlag“ erschienen. Ende des Jahres kommt die Verfilmung des Romans in das deutsche Fernsehen. Die MDR-Produktion wird unter anderem mit Jan Josef Liefers in der Rolle „Richard“ und Sebastian Urzendowsky in der Rolle „Christian“ schauspielerisch umgesetzt. Zu weiterführenden Informationen.

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