Ein kleines Mädchen läuft ins Bild, sie guckt ganz neugierig und tappst auf uns zu. Sie tastet nach der Linse. Hinten läuft eine Ziege, und eine Hundemutter säugt ihre Welpen. Die Sonne glitzert, ein Baby lacht. Auf der Gitarre spielt ein Mann alte Volkslieder. Lieder von ganz früher. Das alles geschieht leise und langsam in Sophie Rosentreters Filmen. Es handelt es sich um Filme, die eigens auf die Bedürfnisse von Demenzkranken zugeschnitten sind.
Demenzpatienten mit Filmen berühren
Rosentreters Filme nehmen sich die Zeit, auf sehr geschickte und einfühlsame Weise in Beziehung zu ihrem Betrachter zu gehen. Vor dem Hintergrund der heutigen Medienatmosphäre, die von schnellen Tempowechseln, Infotainment und einer tendenziellen Reizüberfrachtung diktiert wird, ist das beachtlich. Denn Sophie Rosentreters Filme sind anders: Sie sind der Versuch einer Kontaktaufnahme, der Versuch, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie man Demenzpatienten in ihrer entrückten Welt noch erreichen und berühren kann…
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Sophie Rosentreter: Vom gefeierten MTV-Sternchen zur ernsthaften Filmemacherin
Fast ein Jahrzehnt lang stand Sophie Rosentreter als international gefragtes Modell und erfolgreiche MTV-Moderatorin im Rampenlicht der glitzernden Medienwelt. Ihre Präsenz war so groß, dass sie sich im Jahr 2000 sogar für den Playboy auszog. Als noch im selben Jahr Rosentreters Großmutter Ilse Bischoff an fortschreitender Demenz erkrankte, änderte sich der Alltag des Modells grundlegend. Als Enkelin erlebte sie unmittelbar den Prozess der schleichenden Verwirrung der Großmutter mit und befand sich plötzlich in genau der schwierigen Situation, die viele nahe Angehörige von Demenzpatienten kennen: Zwischen Überforderung und Frustration, zwischen Ratlosigkeit und Wut, fühlte sie sich wie viele Angehörige ziemlich allein gelassen. Bis zu deren Tod im Sommer 2009 stand Rosentreter der geliebten Oma zur Seite. Die Veränderungen im Privaten schlugen sich alsbald auch im Berufsleben nieder. Bereits 2004 hatte sie die Seiten gewechselt: Seither stand sie nicht mehr vor, sondern im weiteren Sinne hinter der Kamera und produzierte als freie Redakteurin Sendungen für das Stern TV und das SAT1-Frühstücksfernsehen, für Leute heute, brisant und Explosiv – das Magazin.
Fernsehen für Demenzkranke: Da gibt es fast nichts
Parallel beschäftigte sich Rosentreter intensiv mit der Krankheit der Großmutter. In diesen Jahren verbrachte sie viel Zeit im Seniorenpflegeheim. Dort machte sie immer wieder die Erfahrung, dass Demenzpatienten vor dem Fernseher abgeparkt werden, damit sie „beschäftigt“ sind und keinen Unsinn anstellen. Gleichzeitig wurde für Rosentreter offensichtlich, wie die meisten Demenzpatienten längst jeden emotionalen und geistigen Bezug zu dem kleinen Fernsehgerät verloren haben, das eine schier unendliche Informationsflut ausspuckt – eine Informationsflut jedoch, die in der verwirrenden Sprache und mit den Mitteln einer fremd gewordenen Welt erzählt, der sich Demenzpatienten längst nicht mehr zugehörig fühlen.
Filme für Demenzkranke: So entstand die Idee
Um nicht den Draht zu ihrer Oma Ilse zu verlieren, suchte Sophie Rosentreter nach immer wieder neuen Wegen, die Großmutter über Bilder emotional zu erreichen und zum Erinnern zu bringen. So entstand schließlich die Idee, Filme für Demenzkranke zu drehen. Knapp zwei Jahre lang experimentierte sie mit Filmmaterial im Feldversuch, bis sie 2010 schließlich die Firma „Ilses weite Welt GmbH“ gründete.
[youtube zfdegvgNDxI]Rosentreters Firma produziert nicht nur Filme für Demenzkranke, sondern unterstützt Angehörige und Betreuer von Demenzpatienten mit einem umfassenden Beratungsprogramm. Als wichtigstes Appell an Angehörige steht dabei immer wieder folgende Erinnerung: Auch wenn es zwischen all den Nöten, den Betreuungsplänen und Überforderungsmomenten schwierig erscheint – achten Sie als Angehörige auch darauf, dass der Faden nicht abreißt. Nehmen Sie sich Qualitätszeit mit ihrem geliebten Menschen. Lachen Sie miteinander, seien Sie sich einen Moment lang nah, haben Sie eine gute Zeit. Sophie Rosentreters Filme können dabei helfen.
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Ui, diesen Artikel habe ich noch gar nicht gesehen. Vielen Dank für die Infos, beschäftige mich seit kurzem auch mit Runen und der nordischen Mythologie. Muss aber noch viel lernen.