Hotelkritiker Heinz Horrmann über gute und schlechte Hotels

International renommierter Hotel- und Restaurantkritiker Heinz Horrmann über gute und schlechte Hotels

Journalisten obliegt eine kritische Berichterstattung. Wann und wie haben Sie entschieden, dass es bei Ihnen die kritische Betrachtung von Hotels und Restaurants sein soll?
Heinz Horrmann: „Küche und Kochen einerseits und Hotels waren von Kind an meine Lieblingsthemen. 1980 bekam ich die Verantwortung für den Reiseteil (mit Hotelseite) und für die Gourmet–Welt bei der Tageszeitung ‚Die Welt‘. Das war der Start in eine 30-jährige Ehe mit der Hotellerie. Um die angemessen kritische Einordnung zu finden, habe ich unter anderem den Total Quality Lehrgang für General Manager einer bedeutenden Hotel- Gruppe gemacht, ein 100 Punkte- Testprogramm entwickelt und 1985 in New York die Weltrangliste der Hotels gegründet.“

Wie haben Sie gelernt zu unterscheiden, welche Ansprüche Sie als Kritiker an ein Luxushaus haben dürfen und welche an ein kleines Familiendomizil?
„Die Qualitätsbasis ist immer dieselbe, nur die Ausführung und die Möglichkeiten sind unterschiedlich. Ist das Produkt eines kleinen Familienhotels gut, feiere ich es ebenso wie den glamourösen Service eines Grandhotels.“

Sie wurden als „Hotel Autorität 2010“ für „30 erfolgreiche Jahre einer kritischen Partnerschaft“ ausgezeichnet. Wie haben Sie das geschafft – sprich wie fair können und müssen Sie in Ihrem Beruf sein? Wann ist es notwendig, stärker auf Füße zu treten?
„Wenn eine Hotelgruppe unverblümt nur ihre Profitabilität herausstellt, aber bei der Gästepflege völlig gleichgültig ist, reagiere ich gnadenlos. Bei herzlichem Engagement dagegen muss man Fehler zwar ansprechen, aber ohne Theater abhaken.“

Wie sehr ist darauf Verlass, dass teure Hotels und Restaurants unweigerlich den besseren Service anbieten?
„Überhaupt nicht. Ich nenne gerne als Beispiel das berühmte Ritz in Paris. Alles ist dort prunkvoll und luxuriös, doch der Service ist grottenschlecht. Als ich ankam, wurde ich nicht begrüßt sondern bekam nur das Kommando: ‚ Ihre Kreditkarte‘.“

Wie wichtig sind Tests wie die Ihren für die Entwicklung von Qualität im Bereich Service und Ausstattung der Branche?
„Ganz enorm wichtig. Wie sonst will das Management ehrlich erkennen, wie es um die Klasse steht? Fragebögen für den Gast sind denkbar ungeeignet. Cäsar Ritz sagte einmal: Durch Testergebnisse wurde mir bewusst, wie selten der Gast dem Gastgeber heilig ist.“

Wie wirkt sich aus Ihrer Erfahrung ein Tipptopp-Service auf den Umsatz in einem Haus aus (egal ob groß oder klein)? Ist er tatsächlich zu spüren?
„Kein Mensch hat ein Schild vor der Brust ‚Ich habe innere Werte‘. Jedes Hotel das den Service perfektioniert hat, muss dafür sorgen, dass das die Öffentlichkeit auch erfährt. Dann steigt der Umsatz. Der zufriedene Gast gibt gerne mehr Geld aus.“

Worauf sollten sich kleine Häuser und Familienbetriebe konzentrieren, um sich von Luxuseinrichtungen im Hotel- und Restaurantsektor abzuheben?
„Natürlich habe große Top-Hotels den Vorteil bei der Hardware. Kleine Hotels mit gut geschulten Mitarbeitern können das durch Liebenswürdigkeit ausgleichen. Auch hier ein Beispiel: Das kleine Landhotel Talmühle im Schwarzwald ist mit Service, Küche und kleinem Wellnessbereich  für mich die perfekte Umsetzung meiner Vorstellung.“

Sie waren just in Dubai, bei der Eröffnung des höchsten Hotels der Welt, des Rose Rayhaan by Rotana. Dass die Ausstattung sich von allem nie Dagewesenen abhebt ist klar, aber welche Serviceangebote werden einem Gast hier offeriert, vor allem Ihnen, der doch schon alles gesehen und erlebt hat?
„Ich habe in etlichen Dubai-Hotels gewohnt. Seit dem das Öl nur noch tröpfelt, wurde eine spektakuläre Touristik-Infrastruktur aufgebaut. Die Superlativen wie größte Shopping-Mall, höchster Tower, höchstes Hotel der Welt etc. sind für mich nicht so wichtig, wie die beispielsweise die perfekte Strandpflege morgens um sechs Uhr und Gästeprogramm als Vorleistung. Dubai ist international ein echtes Vorbild für Gästepflege geworden.“

Wie schätzen Sie das Auftreten und das Angebot sächsischer Hotels- und Restaurants im deutschlandweiten und internationalen Maßstab ein. Inwiefern könnten sich die Sachsen noch besser aufstellen?
„Das muss man nicht aufgesetzt freundlich oder gönnerhaft kommentieren. Die Entwicklung ist gut. Ich habe als RTL-Hotelinspektor bei einem kleinen Familienbetrieb,  Friedenstein bei Dresden, überzeugende Gästeorientierung erlebt und in der Spitze gibt es sowohl bei den Grandhotels als auch in der Gastronomie Top-Adressen. Verbessert werden muss die breite, flächendeckende Qualitätsorientierung.“

Sie sind als Hotel- und Restaurantkritiker weltweit bekannt. Als Mystery Guest sind Sie daher sicher nicht mehr unterwegs. Wie treten Sie in Erscheinung? Was macht einen ordentlichen Test aus?
„Auch wenn ich heute schlecht anonym antreten kann, ist ein Hotel von der Grundkonzeption nicht blitzschnell in der Lage, während meiner Anwesenheit alles auf den Kopf zu stellen. Natürlich gibt man mir die beste Suite, aber morgens rücke ich dann mit den Zimmermädchen aus und schaue mir die weniger guten Zimmer am Fahrstuhl oder neben der Küche an. Wichtiger als alle Kriterien, als alles Punktezählen ist die Gesamtbeurteilung der ‚Persönlichkeit‘ eines Domizils, ob das Hotel eine Seele hat.“

Wie kann ein kleines Familiendomizil besser auf sich aufmerksam machen (gegen die „Großen“), wenn es der Meinung ist, das richtige Servicekonzept in Petto zu haben?
„Erst einmal gleich bleibend gut arbeiten, dann versuchen, die Guides und Meinungsbildner ins Haus zu holen und von der Qualität überzeugen.“

Welches ist das richtige Verwöhnkonzept gegenüber Gästen?
„Das soll jeder Hotelier und jeder Restaurateur auf seine Vorzüge zuschneiden. Entscheidend ist: Der Gast steht stets im Mittelpunkt und nicht im Weg.“

Wie stark wirkt sich ein gutes Klima innerhalb eines Teams / zur Führungskraft auf die Servicequalität eines Hauses aus?
„Es ist belegt, dass die Kurve der Gästezufriedenheit und die der Mitarbeiterzufriedenheit immer parallel verläuft.“

Wo sind nach Ihrer Meinung, noch Märkte im Beherbergungs- und Gastgewerbe zu besetzen?
„Wohin gehen Zukunftstrends der Branche? Welche Zielgruppen sind noch ungenügend bedacht? Da mag ich keinen allgemeingültigen Rat geben. Richtig ist aber, dass Gesundheit  in Kombination mit Genuss im Blickfeld liegt und zweitens die Werbeeinteilung der TV-Sender, geprägt vom Jugendwahn falsch ist. Die jung gebliebenen reisefreudigen Alten haben längst die größte Kaufkraft im Lande.“

Das Interview wurde von einem Vertreter des Sächsischen Tourismusverbandes im April 2010 geführt, anlässlich eines Vortrages von Heinz Horrmann über Servicequalität.


Heinz Horrmann ist der meistgelesene Hotel- und Restaurantkritiker in Europa. Er veröffentlichte bislang 35 Bücher und erreicht mit seinen Kolumnen in „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ sowie in den Fachzeitschriften „Top hotel“, „Food & Wine“ und „Falstaff“ eine Millionenauflage. Für seine publizistischen Verdienste um Hotellerie und Gastronomie wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Unlängst wurde er als „Hotel Autorität 2010“ allgemein anerkannt. Weitere Informationen: www.heinzhorrmann.de

Eine Meinung

  1. Gibt es irgendwo im Netz eine Auflistung aller in Deutschland befindlichen Tagungshotels mit Bewertung?

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