Heribert Schwan lässt die Leser tief in die Geschichte der Hannelore Kohl blicken. Als altgedienter, eher konservativer Journalist hat er sich in den größten Medien-Häusern verdient gemacht. Hier schreitet er in diesem Sommer mit breitem Pinsel zu einem Groß-Porträt historischen Ausmaßes, und vollführt detailgetreue Beschreibungen von Szenen aus Hannelores Kindheit und späteren Jahren in Berlin, Leipzig, der Pfalz und Bonn – als wäre er immer am Tisch, im Auto, am Rednerpult, am See dabei gewesen.
Heribert Schwan: Die Frau an seiner Seite
Sehr ausführlich erfährt man von den hochgradigen NSDAP-Verstrickungen des Waffeningenieurs und Vaters Wilhelm, der ebenfalls eher bewussten Mitläuferin-Mutter Irene, und der durch physische Misshandlung durch russische Soldaten tief traumatisierten Hannelore. Die Flucht nach Westdeutschland im Mai 1945, die harten Neuanfänge und die Wohnungs-und Arbeitssuche nach verschiedenen Stufen der Neuorientierung sind ebenfalls breit dargestellt, wenngleich oft zu weinerlich und nicht realistisch ins Gesamtbild von Nachkriegsdeutschland gesetzt. Es war z. B. nicht das Furchtbarste, in den 50ern eine Festanstellung bei BASF mit 250 DM Gehalt zu haben. Da darf ab einem bestimmten Punkt das Taschentuch auch einmal stecken bleiben.
Das Leben der Ehefrau Hannelore Kohl
Hannelore wächst als Mädchen in der Pfalz auf und ist froh, den jungen Helmut Ende der 40er beim Tanztee als großen, selbstbewussten, beschützenden Burschen kennen zu lernen. Hauptthema des Buches ist die enger werdende Beziehung, das Elterndasein und die Rolle, die Hannelore später als Ehefrau bis 2001 einnahm. Geschildert werden ihre Entbehrungen, ihr Verzicht, die bittere Aufopferung für Helmut, sowie ihre wachsende, selbstzerstörerische Verzweiflung. Wir erfahren von einer Frau, die ihr Leben lang von Ängsten, Sorgen, Kontrollwahn und Vertrauens-Schwäche geprägt war. Bis zu einem gewissen Grade ist das erträglich, und wo Schwan Urkunden, Fakten, Zahlen und Daten nennt, bleibt es auch teilweise spannend. Schwan begibt sich auf ein Gebiet, für das er eigentlich schon Preise erhielt, nämlich eine Biografie – nur diesmal unter schlechten Vorzeichen.
Schwächen des Buches: Keine Distanz
Der Fakt, dass Schwan weder zum Thema noch zur Person Hannelore Kohl eine gesunde, kritische Distanz hat, lässt keine Seite des Buches „Die Frau an seiner Seite“ unberührt. Seine eindeutige Befangenheit hilft der Darstellung nicht, sondern macht es leider handwerklich und inhaltlich teilweise schwer erträglich und stellenweise tendenziös. Außerdem bemerkt oder entlarvt er die Befangenheit ehemaliger Kohl-Familien-Köche, Fahrer, Friseure und Freundinnen zu Hannelore ebenfalls nicht, denn deren Aussagen sind aus sehr verständlichen Gründen fast durchweg positiv. Also muss man auch zu dem, WIE das Buch geschrieben ist, einiges sagen, denn leider zerstört der vielleicht für Bertelsmann/Springer Produkte übliche, aber gleichwohl nervende Stil den Lesefluss und lässt den Inhalt und die Autorenrolle einige Male wackeln, vor allem durch wiederholenden Stil, absolute Aussagen und meinungsmachende, unkritische, beschönigende Beschreibungen.
Hannelore Kohl als Leidende
Hauptproblem scheint, dass sich der Autor nicht zu positionieren weiß, was er aber ständig versucht. Zwischen dem freudigen kleinen blond-zöpfigen Mädchen Hannelore und dem armen Flüchtlings-Fräulein hüpft er genauso hin und her wie zwischen der willensstarken, selbstbewussten Frau und dem Heimchen am Herd, die jede Laune des Gatten erduldet. Man erfährt, wie Hannelore sich wiederholt wünscht, ihr Mann würde sich von der Politik fernhalten und muss ansehen, dass Helmut vom Ministerpräsidenten zum Kanzler immer höhere Positionen erklimmt und im Grunde niemals auf sie hört, immer seine Meinung durchsetzt und beinahe nie Rücksicht auf sie nimmt. Viele dieser Sätze und Kapitel, die durch die lange Kanzlerschaft, die Spendenaffäre und die Entfremdung von den Söhnen bis zum Selbstmord Hannelores 2001 führt, sind in ihrer drastischen Darstellung traurig, Mitleid erregend, aber leider sehr oft übermäßig pathetisch aufgeladen, wie ein TV-Drama, und eben kein Sachbuch. Schwan berichtet über die 40 Jahre Ehe so, dass die Ehefrau immer alles „musste“, – sie musste in die Kameras lächeln und krampfhaft für Urlaubsfotos Tiere streicheln, sie musste mit zum Wahlkampf, musste sich in alle Rollen fügen. Das hat Hannelore Kohl an Entmündigung nicht verdient, und ist auch nicht realistisch, denn immerhin besaß sie doch einen eigenen Kopf, oder nicht, Herr Schwan? Was wäre denn passiert, wenn sie die Foto-Termine abgesagt hätte? Wäre die ARD explodiert? Es wäre also sinnvoller gewesen, sich dem Warum zu verschreiben, als 20 Mal von ihrem „preußischem Pflichtbewusstsein“ zu schreiben.
Kein Sachbuch und zweifelhafter Schreibstil
Obwohl derzeit dieses Werk die Sachbuch-Bestsellerliste anführt, ist es im eigentlichen Sinne keins. Zu romanhaft und suggestiv ist der Stil. Nebenfakten malen die Szenen noch farbiger aus, ohne dass durch eine einzige Fußnote gesichert oder auch nur angedeutet ist, woher der Autor sein Wissen nimmt. Sehr oft muss die Unsicherheit und das Unwissen durch suggestive Beiwörter geschmückt werden wie „sicher, gewiss, vermutlich – war es doch wohl so damals“. Und leider passieren dem eigentlich historisch geschulten Schreiber Fehler, wie sich beim „Unternehmen Barbarossa“ um ein ganzes Jahr zu irren (S. 28). Aber auch in die Gegenrichtung suggeriert Schwan, und zwar behauptet er, „niemals“ hätte ein Gesprächspartner gemerkt, wie Hannelore wirklich zumute war – woher weiß er das? – oder er behauptet einfach, „niemand“ wisse, was in den Stasi-Akten über Helmut Kohl steht – Räusper: Doch, Herr Schwan – die Stasi zum Beispiel!
Ein zu deskriptiver, platter Stil, der einen Fakt in 5 Sätzen erklärend umschleicht wie eine Katze den Brei, ist überdies nervig und manchmal boulevardhaft beleidigend für alle Leser, die zufällig schon wissen, wo Bonn ist, was eine politische Mehrheit ist (über 50 %, jetzt wissen wir's), dass ein Hausarzt gut über Gesundheit Bescheid weiß, Helmut von der Stasi abgehört wurde (meinen Sie?) und dass Suizid eine Aggression gegen sich selbst ist (ach, wirklich?)
Positive Aspekte des Buches
Danken muss man aber Heribert Schwan vor allem für die letzten 30 Seiten, die die Krankheit und das Leiden der Hannelore Kohl in ein (endlich) realistisch Licht rücken, endlich Maike Richter-Kohls merkwürdige Machenschaften erhellen, auch an Helmuts Denkmal Wackeln hilft und die gutherzigen Unterstützer Hannelores beim Namen nennen. Vermutlich war es aber im Bertelsmann-Produkt „Die Frau an seiner Seite“ nicht gestattet, näher auf die große, irritierende, aber über den Altkanzler vielsagende Nähe von Helmut und Maike Kohl zum Springer-Verlag einzugehen, wobei vermutlich Maike Kohl bei der mühsam von Hannelore aufgebauten ZNS Initiative (Stiftung für Menschen mit Schädigungen des Zentralen Nervensystems) einen ähnlich familiären-manipulativen Führungsstil einführen wollte wie bei der Bertelsmann-Stiftung. Zum Glück ist das nicht gelungen und so bleibt dieses Lebenswerk ZNS von Hannelore Kohl in den Händen ihrer Freunde erhalten. Es sollte bei allem leider zu seichten Lob zu diesem Buch auch einmal ein kritischer Blick auf die Art des platten Schreibens geduldet sein, und mit diesem Schreibstil, der leider auch unsinnige Klischees von Ost-West bedient, hat sich Schwan jedenfalls kein Denkmal gesetzt.
Sehr geehrte Damen und Herren,ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das Andenken an Frau Dr. Hannelore Kohl aufs Übelste in den Dreck gezogen wird.Auf Amazon.de findet sich von der linksradikalen Punkband „Egotronic“ eine CD, auf deren Hülle Frau Dr. Kohl in Kombination mit dem Spruch „Rannte der Sonne hinterher“ befindet. Ich halte diese geschmacklose Anspielung auf den tragischen Tod von Frau Dr. Kohl für nicht hinnehmbar.Ich habe mich bereits mehrfach bei Amazon.de direkt beschwert, ohne eine Antwort zu erhalten. Ich wende mich deshalb direkt an Sie, um Sie zu bitten politischen Druck auf das Versandhaus aufzubauen, damit die CD aus dem Angebot verschwindet. Mit freundlichen Grüßen,Bernd Lukas
Sehr geehrter Bernd Lukas,Danke für Ihre engagierten Zeilen. In diesem Artikel ging es hauptsächlich um den Autor Heribert Schwan, die pos. u. neg. Kritik an seinem handwerklichen Schreiben, und um einen Überblick, was den Leser bei dem Buch erwartet.Über die von Ihnen genannten Geschmacklosigkeiten brauchen wir gar nicht reden, aber:Ich sehe mich vollkommen außer Stande, „politischen Druck“ aufzubauen, und auch germanblogs ist sicher dazu nicht in der Lage. Vielleicht Heribert Schwan?Stellvertreter-Kriege hat es zwar schon oft gegeben, aber durch Klage die Persönlichkeitsrechte von jemandem zu schützen, der seit 10 Jahren tot ist, fällt schwer.Etliche Musikgruppen verdummten nach Meinung von vielen Menschen die Jugend und verrohen ihr sittliches Empfinden. Mit der Gefahr als Argument werden Sie jedoch noch lange nicht amazon dazu bekommen, keine Lady Ga Ga CDs mehr zu verkaufen. Dennoch, Helmut Kohl strengt ja gern Anwälte an, wenn man über seine Schwarzgeld-Vergangenheit schreibt, also strengen sie sich vielleicht auch an, wenn man unflätig über seine Ex-Frau schreibt. Die Anwälte sind die jenigen, die die Persönlichkeit schützen könnten und eine einstweilige Verfügung erwirken. Nur noch der Vollständigkeit halber – bei allem Verdienst, aber Frau Kohl hat – ohne Studium – ganz sicher keinen Dr. gemacht.C.S.
Sehr geehrter Herr Lukas,vielen Dank für den Hinweis.Ich werde mir die CD sogleich bei Amazon bestellen.Mit freundlichen GrüßenOlaf R.