Durch Graphic Novels wird endlich der literarische Wert des Comicmediums erkannt. Verlage beginnen damit, eigene Comic-Editionen anzubieten und das Feuilleton hat sie ebenfalls für sich entdeckt. Dabei sind diese Comicromane keine neue Entwicklung und auch nicht nur auf biografische und autobiografische Themen beschränkt: Der große Unterschied zwischen Graphic Novels und Comic-Serien liegt nicht in der Thematik und auch nicht in den präsentierten Genres. Vielmehr ist es die Serialität letzterer Erzählungen im Gegensatz zu abgeschlossenen Geschichten bei ersterem, wodurch die beiden Literatur Gattungen unterschieden werden können. Der Begriff der „Graphic Novel“ wurde von Will Eisner geprägt, der sich eingehend mit einer Comictheorie beschäftigte und auch die Terminologie der Comics – bei ihm „Sequential Art“ – eigenständig gestalten wollte.
Graphic Novels: Die Top 10
1
Watchmen
Die „Watchmen“ von Alan Moore und Dave Gibbons gehören zweifelsohne an die erste Stelle der Top Ten Liste der Graphic Novels: Ursprünglich in 12 Einzelheften bei DC erschienen und seitdem immer wieder im passenden Sammelband präsentiert, wird hier die
Geschichte amerikanischer Superhelden als Parabel der Änderungen in der US-Gesellschaft erzählt. Hintergrund sind die Ermittlungen des Vigilanten Rorschach, nachdem ein ehemaliger Superheld, der Comedian, ermordet wurde. Gespickt mit cleveren Beobachtungen und nur halb-versteckten Anspielungen auf bestehende Charaktere, sind die „Watchmen“ das Buch, das man nicht nur als Superhelden-Fan gelesen haben sollte. Auch die Verfilmung von Zak Snyder kann sich sehen lassen.
2
Maus
In den beiden Bänden von „Maus“ verarbeitete Art Spiegelman die Erzählungen seines Vaters über den Holocaust. Als eine Art Fabel angelegt – die verfolgten Juden werden als Mäuse, die Nazis als Katzen dargestellt – ist diese Graphic Novel ein erschütternder Bericht und ein wichtiger Beitrag nicht nur zur Aufarbeitung der
Geschichte, sondern auch zu den Möglichkeiten von Comics. Art Spiegelman hat für sein Werk den Pulitzer Preis erhalten.
3
Sandman: The Doll's House
In „The Doll's House“ tritt die Sandman-Figur von
Neil Gaiman endgültig aus dem Schatten der sonstigen Superhelden-Serien bei DC: Nachdem der Herr der Träume sich aus seiner langen Gefangenschaft befreien konnte, widmet er sich nun der Aufgabe, sein Reich wieder herzustellen. Dabei trifft Morpheus auf eine junge Frau, die unwissentlich die gesamte Traumwelt vernichten könnte und kommt den Manipulationen seiner Schwester Desire auf die Schliche.
4
From Hell
Ebenfalls von Alan Moore geschrieben und von Eddie Campbell illustriert, ist „From Hell“ trotz des Rätsels um Jack the Ripper keine Detektivgeschichte, wie es die Filmversion mit Johnny Depp nahelegt. Vielmehr ist es eine Situationsbeschreibung und Milieustudie Londons im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert. Mit hochrealistischen Zeichnungen und geradezu philosophischem Text gehört auch dieser Band zu den absoluten Klassikern.
5
Sin City: The Hard Goodbye
In Sin City von Frank Miller treibt sich übles Gesindel herum, harte Kerle, verschlagene Damen, miese Detektive und korrupte Bullen. Im ersten Band der Reihe geht der grobschlächtige Marv auf einen Rachefeldzug gegen diejenigen, die die einzige Frau, die jemals nett zu ihm war, umbrachten und ihm die Tat in die
Schuhe schieben wollen. Ein innovativer Zeichenstil und eine Erzählung in bester
Film noir Tradition.
6
Persepolis
Marjane Satrapi schildert in „Persepolis“ ihre Kindheit im Iran und den Druck, dem sie und ihre intellektuelle Familie unter der Islamischen Revolution aushalten mussten. Sehr persönlich, mal witzig und absurd und dann wieder grauenvoll und erschreckend, wird Marjis Geschichte zwischen Heimat und Exil erzählt.
7
Corto Maltese: Una ballata del mare salato
Corto Maltese, Hugo Pratts Abenteurer, bekommt es in der „Südseeballade“ während des ersten Weltkriegs mit Piraten und Schmugglern zu tun. Hinter der Abenteuer-Geschichte verbirgt sich eine zynische Kritik an Nationalismus, Ideologien und Religion, zu der sich in späteren Bänden auch ein besonderes Geschichtsbewusstsein gesellt, wenn Corto verschiedene historische Persönlichkeiten trifft.
8
Cerebus: High Society
Zeichner und Autor Dave Sim begann in den späten 70ern damit, seine Figur Cerebus das Erdferkel als Parodie auf Fantasy-Comics à la Conan im Eigenverlag zu veröffentlichen. Sein Ziel war es, eine durchgehende Geschichte mit 300 Heften zu erzählen, die dann in Telefonbuch-dicken Bänden, nach den einzelnen Geschichtsabschnitten geordnet, nachgedruckt wurden. In „High Society“ wird der unbedarfte Cerebus zum Spielball verschiedener Politiker (unter anderem dem Groucho-Marx-ähnlichem Lord Julius) und schließlich sogar zum Papst gewählt. Mit diesem Band konnte Dave Sim zum ersten Mal beweisen, dass er mehr als nur eine Parodie ablieferte und auch im sozio-politischen Kontext einiges zu sagen hatte – was im späteren Verlauf der Cerebus-Serie zu heftigen Auseinandersetzungen mit Lesern führen sollte.
9
Le Garage Hermétique
Jean Giraud alias Möbius, einer der einflussreichsten Zeichner franko-belgischer Comics, hat nicht nur „Blueberry“ erfunden und den „Silver Surfer“ interpretiert, er hat sich auch Michael Moorcocks Antihelden Jerry Cornelius gewidmet: In „Die luftdichte Garage“ wird eine avantgardistische und teilweise psychedelische Reise erzählt, die in Erzählstruktur und Zeichnungen die damaligen Grenzen des Comicbewusstseins erweiterte.
10
The Dark Knight Returns
Frank Miller hat mit seinen Comics um einen alten, dunkleren Batman eine ganze Reihe von Zeichnern und Autoren inspiriert und bewiesen, welche Geschichten man mit altbekannten Charakteren erzählen kann. Mit diesem Band wurde in den 80ern der erste große Boom der Graphic Novels ins Leben gerufen (so zum Beispiel bei Spider-Man mit „Kraven's Last Hunt“) und auch Batman selbst wurde mit neuem Interesse aufgenommen.