Hiermit gestehe ich, dass ich Günter Grass nicht besonders mag. Zwar erinnere ich mich, seine „Blechtrommel" mit großem Vergnügen gelesen zu haben, aber das wird leider von der Penetranz seiner medialen Erscheinung als Person überlagert: Da kommt er mir meist zu oberlehrerhaft und selbstgerecht rüber. Dementsprechend eitel erscheint es auch, dass ausgerechnet er jetzt diese Literaturtreffen organisiert. Er entscheidet, wer wichtig und wertvoll genug ist, daran teilzunehmen, bestimmt die Themen und auch, wie alles abläuft.
Andererseits ist das Konzept einer Künstlergruppe immer spannend und findet meiner Meinung nach in Deutschland viel zu wenig statt. Sich gegenseitig inspirieren, anstacheln, austauschen, zerpflücken und unterstützen klingt höchst interessant und kann sicher einen elementaren Beitrag zur künstlerischen Weiterentwicklung leisten. Zur Erweiterung des Horizonts. Zum Überdenken einiger Positionen. Dafür ist es schließlich nie zu spät. Theoretisch nicht mal für einen fast 80-jährigen.
Die große Ego-Party Das kleine Autoren-Kaffeekränzchen wird von der Kulturstiftung der Stadt Lübeck mitfinanziert. Und es läuft wohl so ab wie jeder Volkshochschulkurs „Kreatives Schreiben" auch. Sie sitzen da, lesen sich aus ihren Manuskripten vor und sagen sich ihre Meinungen. Es ist zu bezweifeln, dass es dabei ähnlich heiß her geht wie bei den Treffen der Gruppe 47, an die so ein Literatentreffen ja nicht nur zufällig erinnert. Zumal Grass auch damals schon mitmischte. Nur diesmal sind keine Kritiker zugelassen, denn Herr Grass findet: „Wir sind das Primäre, die Kritiker das Sekundäre". Womit ein die Kritiker kritisierender Autor wohl das Tertiäre wäre.
Vom ersten Treffen im Dezember 2005 berichtet Herr Grass „man habe sich textbezogen, handwerklich sachlich und zünftig sowie heiter ausgetauscht". „Verkopfte" (Zitat:B.Lebert) Werkstattgespräche also, die streng im Verborgenen und doch irgendwie auch öffentlich stattfinden. Aber nein, kein Statement, nicht mal ein Manifest und bitte auch nicht so viele dumme Fragen.
Hätte man sich dann nicht auch privat zum gemeinsamen Kritiker-Bashing und Textelesen treffen können? Musste man es medienwirksam herumposaunen und vorbereiteten, mit Interviews und Pressekonferenz? Um sich dann teilweise überheblich eremitisch zu geben und fast beleidigt auf Fragen nach Zielen oder auch nur nach dem Namen der Gruppe zu reagieren? Damit wären wir wohl wieder bei Ihrer Majestät höchst selbst und der selbstverständlich gepachteten Weisheit. -In diesem Jahr krönt der große Zampanó seine Nachfolger mit auffallend weniger Getöse. Unter den Auserwählten sind Eleonora Hummel, Burkhard Spinnen, Eva Menasse, Thomas Brussig und Benjamin Lebert. Und vielleicht doch genug Scharfsinn, um zu viel Gruppendynamik in Grass' Sinne vorzubeugen.
Mitten in diese selbstgeschaffene Geheimbund-Idylle platzt nun etwas Ärger aus dem Norden. Seit Jahren fährt Grass ja regelmäßig nach Dänemark und Teile seines Werks sind dort entstanden. Dass er nun aber sein dänisches Stamm-Ferienhaus gleich für 25 Jahre gemietet hat, wird als Umgehung der dänischen Gesetze gesehen, nach denen Ausländer keine Ferienhäuser kaufen dürfen. Nun wird der Fall sogar im dänischen Parlament diskutiert. Übrigens angetrieben von der rechtspopulistischen dänischen Volkspartei.
Mag sein, dass ein solcher Mietvertrag tatsächlich ein etwas anmaßender Versuch ist, die Gesetze auszuhebeln. Schön wäre an dieser Stelle daher vielleicht sein Rückzug aus diesem Kontrakt und die Rückkehr zu kürzeren Vertragslaufzeiten wie sie jeder andere deutsche Dänemark-Reisende auch akzeptieren muss. Um weiteren Debatten um seine Person auszuweichen und auch mal ein bisschen Demut zu zeigen. Aber kann man das von einem Günter Grass wirklich erwarten?
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Der Herr Grass ist ein toller Autor. Sein Sohn ging in meine Paralellklasse, bei dem spürte man förmlich die geistige Präsenz der Familie.
Beste Grüße aus Kiel
Olaf Bathke