WAHL-O-MATic for the people

Listen sind toll. Nach den beliebtesten Treckern, den schönsten Weihnachtsmomenten und den besten Seemannsliedern fand der NDR nun, dass es an der Zeit sei, die besten Bücher des Nordens zu finden finden zu lassen. Per Internet oder Postkarte konnte jeder für seinen Favoriten stimmen. In einer unaufgeregt nachmittäglichen Sendung wurden diese nun heute präsentiert. Das revolutionäre Konzept: Top20, rückwärts dargestellt, mit von prominenten Experten Norddeutschen vorgetragenen Inhaltsangaben und Kommentaren (von persönlich über peinlich bis lustig). So weit, so mittelmäßig.

Welche Bücher waren passiv wahlberechtigt? Solche die entweder im Norden spielen und/oder einen im Norden lebenden/gelebt habenden Verfasser vorne drauf stehen haben. Was schon mal die sonst üblichen tollsten-Bücher-vonne-ganzen-Welt-Listen-Spitzenreiter „Bibel" und „Herr der Ringe" mit einem befreiendem Knall vom Tisch fallen läßt. Harry Potter auch. Zumal die sturen Gegen-den-Strom-Norddeutschen ja Cornelia Funke eh besser finden. Sie hat lange in Hamburg gelebt und konnte mit ihrem „Tintenherz" unter den Top20 landen.

Natürlich kommen wir auch hier nicht am allgegenwärtigen Grass vorbei. Auch nicht an Ildikó von Kürthy. Und natürlich gewinnen artig „die Buddenbrooks". Etwas überraschender ist die vordere Platzierung von Arno Schmidt („KAFF auch Mare Crisium"), den sogar Roger Willemsen „ein bisschen bekloppt" findet, „aber unantastbar". Da frage ich mich nur, wie viele Leute das Buch wirklich gelesen haben. Außerdem wird klar, dass es noch immer Ost- und Westbücher gibt. Nicht mal Alleswisser Willemsen kennt „Die Heiden von Kummerow" von Ehm Welk und für die Ossis ist Hubert Fichtes „Die Palette" vielleicht genauso weit weg.

Tapfer ertrage ich Matthias Matussek, eher mitleidig Ulrich Wickert, freue mich dagegen über Caren Miosga. Wir erfahren, dass „Münchhausen" ein Männerbuch ist und Sven Regener sein Hotelfrühstück voller Hass herunterringt. Bisschen viel ist von „Pflichtlektüre" die Rede. Das sorgt bei mir für ein reichlich bildungsbürgerliches Gefühl auf der Zunge. Geschmackssache. Noch mehr Beigeschmack gibt's in Sachen Vermarktung. Denn praktischerweise lassen sich ja solche Aktionen dann auch gleich zu einer Reihe von daran angelehnten Lesungen (vom 22.09.bis 06.12. im NDR-Sendegebiet) und Neuausgaben („Bibliothek des Nordens") nutzen. War das Ganze am Ende gar eine Idee des Verlags?

Egal. Wenn solche Listen jemanden zum Lesen eines der Bücher anregen – wunderbar. (Und zum Glück stand der aktuelle Bestseller-Wannabe von NDR-Vorzeigefrau Eva Hermann als Sachbuch ja nicht zur Wahl.) So lange niemand anfängt, unrepräsentative Umfragen dieser Art überbewerten zu wollen. Denn auch weiterhin darf jede(r) sogar minderheitenmäßig lesen, was er/sie will. Nicht nur im Norden.

Ach ja, ich hab auch mitgewählt. Trotzdem hat mein Lieblingsnordbuch es nicht unter die besten Zwanzig geschafft.

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