Bella ist die Zwillingsschwester von Bobby. Und sie ist sich jahrelang sicher, nur weil sie sich bei der Geburt vorgedrängelt hat, ist Bobby jetzt so wie er ist. Im Gegenteil zu ihr nämlich, die sie ihr Leben lebt und aus vollen Zügen zumindest versucht, zu genießen, ist ihr Bruder ein Autist. Eine Tatsache, die das Mädchen immer wieder in Gewissenskonflikte stürzt, nicht zuletzt deswegen, weil ihre Eltern mit der Situation völlig überfordert scheinen. Wie sich ihr Leben mit ihrem Bruder gestaltet, was Bella innerlich an Verantwortungs-Kämpfen auszutragen hat und wie die Umwelt auf Bobby und seine auf andere seltsam wirkenden Verhaltensweisen reagiert, hat Melina Gerosa Bellows versucht, in einen Roman zu packen.
Wobei es leider bei dem Versuch geblieben ist, ein gutes Buch zu schreiben. Der Stoff gäbe wahnsinnig viel her, die Grundidee ist super, aber was dabei herausgekommen ist, ist an Langatmigkeit kaum zu überbieten. Letztendlich geht es nur um Bella und ihre wechselnden Partner, um ihr oberflächliches pubertäres Collegeleben und ihre dauernden Selbstvorwürfe gepaart mit der Scham und gleichzeitig der Liebe für den Bruder. Bobby selbst wird als Idiot hingestellt, seine Verhaltensweisen wahrscheinlich sogar völlig ohne böse Absicht ins Lächerliche gezogen und die Krankheit selbst nicht im Geringsten hinterfragt, erklärt oder in den Mittelpunkt gerückt. Schade.
Melina Gerosa Bellows: „Wunschgeflüster“, erschienen im Januar 2010 als Taschenbuch bei Knaur. Zu haben für 12,95 Euro.