Modelleisenbahn und Kegelverein sind out: Heute spielen Männer lieber in der Küche und zaubern dort Gourmet-Menüs für Freunde und Familie. Eine wunderbare Wendung für uns Frauen!
Besser konnte es eigentlich gar nicht kommen: Als sich die klassischen Rollenmuster – Mutter kocht, Vater poliert den Wagen – bereits in den siebziger Jahren im Zuge der Emanzipation auflösten, blieb die Küche über viele Jahre kalt. Konservenfutter und Fertigprodukte ersetzten die kochende Frau, denn sie ging lieber zur Uni, machte im Beruf Karriere oder verlor schlichtweg die Lust an der Tradition, am Sonntag der Familie fröhlich ein Gulasch mit Knödeln zu servieren. Die Küche als sozialer Ort verwaiste. Die ersten Männer, die sich an den Herd wagten, versuchten sich nach dem Urlaub in der Toskana an selbstgemachter Pasta und frischem Pesto. Und siehe da, immer mehr Hobbyköche entdeckten die Küche als einen Ort, an dem sich ihre Steckenpferde – Technik, Handwerk, Wissen und köstliche Genüsse – vereinbaren ließen. In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der leidenschaftlich-kochenden Männer um ein Vielfaches gestiegen, animiert von Fernsehköchen, Männerkochkursen und der Erkenntnis, dass Frauen mit einem essbar-sinnlichen Vergnügen viel leichter zu verführen sind als mit einer dröhnenden Fahrt auf einer Harley-Davidson. Carsten Otte, 42, ist ein solcher Mann. Der Radiomoderator und Buchautor aus Baden-Baden hat das Kochen zu seiner Passion erklärt.
Hier das Interview:
Womit haben Sie denn Ihre Frau kulinarisch verführt?
Ich habe selbstverständlich ein vegetarisches Menü gekocht und diverse Säfte und Tees angeboten. Es war nämlich so, dass Regine bei unserem Kennenlernen vor 17 Jahren Vegetarierin war und keinen Alkohol trank – also das genaue Gegenteil von mir. Sie war anfangs etwas verstört, dass ein Typ sich so sehr fürs Kochen interessierte, aber insgeheim fand sie das natürlich toll. Über ein Hausfrauendasein hatte sie nie nachgedacht, sie wollte immer Drehbücher schreiben statt eine Familie zu bekochen. Wenn ich als Typ also in der Lage bin, einer Frau auf charmante Weise mittels Kochen zu zeigen, mit mir hast du auch in Zukunft viel Spaß, dann ist das ein Winning-Point. Denn nicht nur die orale Sehnsucht, also der Geschmack, wird befriedigt, sondern ich zeige damit auch: Ich bin sinnlich. Die Kopplung von gutem Essen und Erotik gab es im Grunde immer, jetzt geben sich Männer jedoch mit all ihrer Liebe und Leidenschaft diesem Können hin.
Sind Hobbyköche die perfekten Partner?
Schauen wir mal zurück: Wer heiratete wen? Die Sekretärin den Chef, die Arzthelferin den Klinikprofessor – Frauen haben gerne sozial nach oben geheiratet. Das hat sich komplett verschoben! Das Signal „Huhu, ich verdiene viel“, das zieht nicht mehr. Das ist für mich als Mann die Chance zu sagen: „Schatz, es ist angerichtet! Auch wenn ich nicht die Million nach Hause bringe, ich sorge dafür, dass es dir immer gut schmeckt bei mir.“
Werden Sie auf Partys nicht belächelt: Ein Mann am Herd…?
Ganz im Gegenteil. Wenn ich erzähle, ich habe gerade ein Rindercarpaccio mit einem lustigen Schaum ausprobiert, kommt das ungemein gut an. Frauen interessieren sich nämlich weniger für den Kauf eines Neuwagens. Klar, hätte mein Vater 1975 gesagt, er verbringe seine Freizeit in der Küche, hätte man ihn definitiv in seiner Peergroup schräg angesehen. Den Hobbyköchen der Neuzeit aber geht es vor allem um das Gemeinschaftserlebnis mit der Familie. Wir wollen uns nicht im Keller verwirklichen, sondern unser Hobby mit Freunden, Familie, Kindern teilen.
Helfen Ihre Frau und Tochter mit, wenn Sie kochen?
Meine Liebste hilft, wenn sie mag, aber sie muss nicht. Unsere Tochter Liv ist sechs. Ich habe schon den Babybrei für sie gekocht. Sie sitzt oft auf der Anrichte, hilft mir und weiß bereits eine Menge. Wir waren kürzlich in einem Restaurant, da wurde sie vom Kellner gefragt, ob sie ein Eis zum Nachtisch möchte. Und da sagt die Kleinmädchen-Stimme doch tatsächlich: „Hm, ja, ein Eis. Ist das denn mit dem Pacojet gemacht?“ Der Kellner hat sich halb totgelacht. Ich bin sicher, es wird immer mehr Männer geben, die kochen und dabei ihre Kinder einbeziehen.
Stimmt es, dass Männer in der Küche besonders auf Technik stehen?
Ja, ich denke, damit hat es sogar begonnen. Ohne sich abzusprechen, haben Jungs im ganzen Land gedacht: Oh, in der Küche, da kann ich ja auch handwerklich was machen, also ein Gegenprogramm zum Büro erleben, mit schön viel Technik hantieren und urarchaische Instrumente bedienen wie Messer. Es gibt gewisse Geräte, finde ich, die braucht man einfach. Ohne Eismaschine gibt´s kein Eis. Und ohne Saftmaschine geht die Welt zwar nicht unter, aber wenn ich frische Tannennadeln entsaften will, weil ich die Essenz brauche, geht´s nicht ohne einen Entsafter. Wir haben sogar einen Eierkocher. Den halte ich allerdings für überflüssig. Aber ausgerechnet dieses Gerät findet meine Frau besonders toll.
Carsten Otte: Der gastrosexuelle Mann, Campus Verlag
Artikelbild: Hartmuth Schröder, Frankfurt.