Seit mehreren Jahrtausenden wird es regelmäßig wiederholt: Die Jugend von heute erscheint jeder Generation aufs Neue völlig verloren. Ganz so schlimm kann es aber nie gewesen sein, denn sonst wären wir sicher längst schon aufgrund von Lebensunfähigkeit ausgestorben.
Jetzt erschien ein weiteres Buch zum Thema
„Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden“ der Wiener Psychotherapeutin Martina Leibivici-Mühlberger ist noch so ein Buch, das die heutige Jugend kritisiert und für lebensunfähig erklärt. Eltern würden ihren Kindern heute keine Grenzen setzen, weil sie Angst hätten, ihrem Nachwuchs Böses anzutun. Diese Kinder würden dann zu Tyrannen, die später als Erwachsene lebensuntüchtig seien. Sie würden am Einstieg ins Berufsleben kläglich scheitern und später der Allgemeinheit auf der Tasche liegen. Dies führe laut Leibovici-Mühlberger letztlich zu einer gesellschaftlichen Katastrophe.
Dem Buch liegt keine wissenschaftliche Studie zugrunde
Wissenschaftlich fundiert ist „Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden“ nur eingeschränkt: Es liegt ihm keine wissenschaftliche Studie zugrunde. Die Thesen im Buch beruhen einzig auf Einzelfällen aus der Praxis der Wiener Psychotherapeutin. Es gibt aber keine Statistiken, die die Aussagen der Psychotherapeutin stützen könnten. „Alles wird immer schlimmer“ ist eine rein subjektive Einschätzung. Die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen bei Kindern hat in Deutschland nicht zugenommen. Dies belegt eine Metastudie aus dem Jahre 2010. Nach dieser Studie gibt es keine relative Zunahme von Fallzahlen seit den Fünfzigerjahren. Nach wie vor zeigen etwa zehn Prozent der Kinder behandlungsbedürftige Auffälligkeiten.
Eltern sind heute viel vorsichtiger und besser informiert
Zwar wird von Experten bestätigt, dass Eltern heute unsicherer bei der Kindererziehung sind als früher. Doch sind sie in der Folge auch viel eher bereit, sich Hilfe zu holen, wenn es bei der Erziehung der Kinder Probleme gibt. Diese Tendenz sorgt zwar für einen Anstieg von Kindern die behandelt werden, verändert aber nicht die Gesamtzahl der betroffenen Kinder. Früher wurden Symptome aus Unkenntnis einfach übersehen, heute gehen Eltern rechtzeitig zu Experten.
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