Wählt man für die Strecke zwischen den unumgänglichen Stops Pisa und Florenz die A 11 und passt nicht auf, ist man im Nu vorbei gefahren an einer der italenischsten Städte Italiens, gespickt mit architektonischen und kulturellen aber auch kulinarischen und ökologischen Highlights.
Sehenswürdigkeiten in Lucca abseits vom Massentourismus
Sehenswertes gibt es genug in Lucca. Und alles ohne Tourismushype. Die Lucchesi werden es dankbar registrieren, wenn sie von einem Besuch in Florenz in ihr Schmuckstück heimkommen.
Den im „bel paese“ allgegenwärtigen Schildern „centro storico“ folgend, stößt man zunächst auf ein Hindernis. „Le mura“, die Mauer – ein gewaltiges Verteidigungsbollwerk aus dem 16. Jahrhundert, welches das alte Zentrum komplett umschließt: Über vier Kilometer lang, auf der Krone ein Rundweg – eine Allee riesiger Bäume, ein „Grüngürtel“ zum Lustwandeln, im wahrsten Sinne des Wortes. Eines der sechs Tore ist zu durchfahren, spätestens jetzt bleibt das Auto stehen. Fast der gesamte Kern ist nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar. Und dann streift man durch die Gassen, passiert vor allem in der Via Fillungo reichlich vorhandene Geschäfte, sitzt im Straßencafé – die Ruhe, die Gelassenheit kann man einatmen.
Das Lichterfest
Viele der Sehenswürdigkeiten in Lucca haben einen kreuzförmigem Grundriß. Eine derartige „Kirchendichte“ erreicht ansonsten wohl nur noch die Ewige Stadt. Zwei der knapp 100 Kirchen spielen nicht nur wegen ihrer beeindruckenden Architektur eine besondere Rolle. Das gewaltige Mosaik an der Stirnfassade der Basilica di San Frediano markiert den Startpunkt: Hier beginnt das Lichterfest „Processione di Santa Croce“. Hauptdarsteller dieses Spektakels ist ein großes hölzernes Kruzifix. Und wenn der Kopf der Prozession das Ziel, den Dom, die Cattedrale di San Martino erreicht, hat der Schwanz der langen Schlange das Innere von San Frediano noch nicht verlassen. Überall auf der kilometerlangen Strecke sind alle Häuser und Palazzi dekoriert mit tausenden von Gläsern, in denen kleine Lichter brennen. Die Ursprünge dieses alljährlich am 14. September stattfindenden Umzugs gehen zurück ins zwölfte Jahrhundert.
Sehenswürdigkeiten in Lucca: Die Besonderheiten
Vieles gäbe es noch zu nennen, stellvertretend seien es noch zwei besondere Orte, die man mit Fug und Recht als unverwechselbare Merkmale der Stadt ansehen kann. Das eine, die Piazza dell'Anfiteatro, ist ein von relativ unscheinbaren zwei- bis fünfstöckigen Bauten umschlossenes Oval von der Größe eines Fußballfeldes. Ein weiter, leerer Platz, ein paar Freisitze der dort ansässigen Gastronomie, das war's im Grunde schon. Man hat mehr erwartet. Das Ganze aufgebaut auf den Ruinen eines römischen Amphitheaters, von denen nichts mehr zu sehen ist – recht unspektakulär, gleichzeitig aber einzigartig, wie auch das Gefühl, das aufkommt, wenn man eine Weile dort sitzt.
Ein veritables Wahrzeichen dagegen ist der „Torre Guinigi“, ein mittelalterlicher Geschlechterturm, errichtet von den Guinigi, einer der konkurrierenden Patrizierfamilien, die sich, wie damals üblich, vor allem meuchelmordend für einige Zeit an die Spitze der Gemeinde gesetzt hatte. Und natürlich musste es der größte Turm sein. Aber es sind nicht die gewaltigen Ausmaße des Bauwerks, die es mit Lucca verschweißen, ein paar Steineichen krönen den Turm, travestieren ihn, entphallisieren ihn sozusagen, unvergessbar.
Eine Sehenswürdigkeit von Lucca, vielleicht die bestechendste, ist unsichtbar. Die Atmosphäre ist es, bestehend aus Gelassenheit, Souveränität, Ruhe, unaufdringlichem Stolz, Freundlichkeit, Toleranz, Großzügigkeit – Dingen, die man nur spürt. Wenn man das eine Weile genossen hat, verläßt man den Mauerring und wendet sich gut beraten den Colline Lucchesi zu, einem respektablen Weinanbaugebiet, klein aber fein, die hervorragenden Erzeugnisse außerhalb praktisch unbekannt – natürlich in einer betörenden Landschaft gelegen, bel Paese eben. Und abends bleibt die Qual der Wahl: zurück ins Städtchen zum Essen oder vielleicht lieber in einen Landgasthof, das Eine so lohnend wie das Andere. So ist das mit Lucca. Bitte nicht weitersagen. Lassen wir die große Schwester den Schatten werfen.
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