Khaled Hosseini: Tausend strahlende Sonnen – Interpretationsschlüssel und Inhalt

Zur Person: Wer ist Khaled Hosseini

Khaled Hosseini ist Arzt, lebt in Kalifornien und stammt aus Afghanistan. Dort wurde er 1965 geboren, jedoch reiste er mit seinen politisch und sprachlich erfahrenen Eltern für einige Jahre nach Paris und Teheran, da sein Vater für das Außenministerium arbeitete.

Als 1980 die Sowjetunion in Afghanistan militärisch intervenierte, erhielt Hosseinis Familie politisches Asyl in den USA, wo der Autor heute verheiratet und als Vater zweier Kinder lebt.

Khaled Hosseini als Schriftsteller

Wenn man Interviews und biographische Portraits über Khaled Hosseini liest, ist man ein wenig beruhigt, wenn man erfährt, dass er als Kind bereits sich sehr für Literatur begeisterte und offenbar durch sein gebildetes Elternhaus gefördert – seine Mutter war Persisch- und Geschichtslehrerin – auch selbst schrieb.

Anders ist es viel schwerer vorzustellen, wie ein dem Publikum völlig Unbekannter bereits mit seinem ersten Roman „Drachenläufer“ derart einschlagen konnte, was weit über 95 % aller Autoren nach 10 Romanen nicht gelingt.

Story von Tausend Strahlende Sonnen

Aber auch ein gebildeter Hintergrund und literarische Frühförderung reichen nicht aus, Hinweise dafür zu finden, was dieser Autor anders macht. Dafür begeben wir uns in den zweiten Roman „Tausend Strahlende Sonnen„, der schon drei Jahre nach Erscheinen millionenfach verkauft und in alle Kultursprachen der Welt übersetzt ist.

Wir begleiten durch viele Jahre hindurch die Frauen Mariam und Laila.

Mariams Geschichte ist die einer unehelichen und somit in sämtlichen gesellschaftlichen Belangen niedriger gestellten Tochter, die mit 15 von ihrem Vater an Rashid verheiratet wird, der gut 30 Jahre älter ist und Schuhe in Kabul verkauft. Es folgen Jahre einer einseitig brutalen Ehe – vom psychologischen Kleinkrieg bis zu lauten Streitereien wird alles beschrieben. Immer gleich bleibt für Mariam ihre niedrige Position, Demütigungen vor anderen, ihre Perspektivlosigkeit und das Gefühl, alleine als Frau in Afghanistan gar nichts auf die Beine stellen zu können, nicht einmal selbstbestimmtes Reisen.

Laila kommt als junge Zweitfrau in die Ehe. Sie ist durch den Krieg zur Waise geworden und rauft sich nun überraschend mit Mariam zusammen, gemeinsam gegen den gewalttätigen, cholerischen Rashid.

Schlüssel zum Weltroman:

Folgende Details scheinen erfolgsfördernd gewesen zu sein:

Thema: Definitiv finden sich hier Millionen Frauen auf allen Kontinenten, die in einer von Männern dominierten Gesellschaft unter ähnlichen Umständen gelitten haben. Das Thema ist leicht geöffnet für internationales Publikum und kann weit über Afghanistan hinaus verstanden werden.

Sprache: Die Sprache ist die eines ruhigen, geduldigen, allwissenden Erzählers, der jedoch den Leser nicht zu viel mit Informationen stopft, sondern Schritt für Schritt die Figuren durch die Jahre begleitet.

Szenen: Wie ein Chirurg lässt Hosseini die Szenen sich langsam wenden, drehen, wanken oder eskalieren. Er ist kein wilder Dramatiker, sondern wie ein Operateur, ein präzise die Situationen aufschneidender Arzt, der verschiedene Perspektiven einer Szene umrundet, wodurch dem Leser die Nachvollziehbarkeit der Handlung klar erleichtert wird.

Das Salz in der Suppe: Was macht den Roman überzeugender als andere? Es sind die Charaktere und die minimalistische, nicht verwirrende Sprachwahl. Man glaubt den einfachen, verzweifelten Frauen, weil Hosseini ihr Leben ausbreitet. Wir kennen ihre Ängste, Sorgen, ihre Vergangenheit und ihre Perspektivlosigkeit. Das schweißt die beiden zusammen, wie man ganz tief durch viele innere Monologe versteht: Sie haben nichts zu verlieren.

Psychologische Perspektive: Ähnlich wie in Abdalrachman Munifs Roman „Salzstädte“ (2003) hilft bei Hosseini die „Einfachheit“ der Verhältnisse der Frauen. Ganz sicher hätte der Roman nicht einen solchen Erfolg gehabt, wenn die Frauen Raketenforscherinnen gewesen wären. Umso erstaunlicher erscheint die Fähigkeit vom Autor, sich derart tief in die weibliche Verzweiflung hinein zu denken, wo er doch selbst behütet als Privilegiertensohn aufwuchs. Eventuell wären wirkliche Opfer solcher Gewalt nicht in der Lage, derart über diese Dinge zu schreiben.

Kultureller Mehrwert: Die genauen Verhältnisse der Taliban-Herrschaft sind zwar nur angedeutet, im Groben verstehen durch den Roman aber Millionen Leser die zerrütteten, unklaren Verhältnisse in Afghanistan besser, vor allem die Rolle der Frauen. Für dieses Gebiet hat Hosseini einen Meilenstein gesetzt. Außerdem gebührt ihm Lob dafür, dass er uns ernst, tiefgründig und vielschichtig in ein Land schauen lässt, von dem viele keine Ahnung haben und was in den Nachrichten nur für Sekunden Thema ist.

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