Der Untertitel ist gut gewählt, denn man bekommt beim Lesen gleich richtig Lust, mit dem Autor mal ein Gespräch über Toleranz, Verständnis und den Unterschied zwischen autoritärer, antiautoritärer und autoritativer Erziehung zu führen. Sicherlich ist es unbestritten, dass ein Kind altersangemessene Regeln braucht, um sich zurechtzufinden und soziales Verhalten zu lernen. Dass es diese Regeln auch braucht, um sich daran zu stoßen, ist ebenfalls klar. Aber eine Regel ist zusätzlich dazu da, gebrochen und erweitert zu werden, dem intellektuellen Stand entsprechend. Wenn man Bernhard Buebs Buch liest, dann hat man das Gefühl, eine Gebrauchsanweisung zu lesen. Eine Gebrauchsanweisung für etwas, das ziemlich einfach zu handhaben ist. Ein paar Regeln, ein paar Konsequenzen, vorgetäuschtes Vertrauen und schon geht das mit der Erziehung… Klar, es funktioniert bestimmt, einen Hund kann man auch so erziehen, aber was dabei rauskommt, sind Menschen, die funktionieren, komme, was da wolle. Ist es das, was erreicht werden soll? In der heutigen Zeit sind gerade im Berufsleben Flexibilität, Selbstbewusstsein und interdisziplinäres Denken gefragt. Bueb scheint das Einfühlungsvermögen, das Verständnis für Kinder, die auch mal aus der Reihe tanzen und nicht grundsätzlich gewillt sind, jede Grenze als eine solche zu akzeptieren, völlig zu fehlen. Sicher hat er Recht, wenn er darauf hinweist, dass man in Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit Angst hat, auch mal streng aufzutreten, die Erinnerung an Drill und Disziplin sind immer noch zu frisch. Aber wenn man das Buch liest, bekommt man gewaltig das Gefühl, dass Bernhard Bueb den Zeiten undiskutierten Gehorsams nachtrauert.
Es gibt aber auch Passagen, bei denen man schon innerlich zustimmt. Bueb unterscheidet stark zwischen Macht und Autorität, er ist ein völliger Gegner des zu kumpelhaften Miteinander zwischen Eltern und Kind. Und er ist, genau wie Friedrich Fröbel, der Begründer unserer heutigen Kindergärten, der Meinung, dass Erziehung nichts anderes ist als Liebe und Vorbild. Darauf könnten wir uns einigen!
Bernhard Bueb: Lob der Disziplin, erschienen September 2006 bei list, gebundene 176 Seiten für 18 €.