Online-Bibliotheken im Vergleich: Ende des Buches oder gute Ergänzung?

Papier vs. Digital

Ein Buch ausleihen ist für viele nicht aus der Mode gekommen. Dennoch müssen vor allem kleinere Stadt-und Regional-Bibliotheken, die nicht von nahen Universitäten profitieren, mit schrumpfenden Besucherzahlen leben und können wegen der geringen Einnahmen in ländlichen Gegenden nur ein paar Stunden pro Woche öffnen. Ohne Subvention geht es – wie im Theater oder Museum – nicht im Land der Dichter und Denker.

Online-Bibliotheken haben sich daher als 24 h erreichbare, schnelle und nützliche Konkurrenten Einiges an Marktanteilen zu Büchern abgerungen. Zwar bevorzugt noch immer die Mehrheit ein gedrucktes Buch gegenüber dem kompletten Lesen oder Ausdrucken am PC, jedoch klicken sich täglich auch hunderttausende durch digitalisierte Shakespeares, Kafkas und Goethes. Das ist umso leichter, wenn die Rechtslage geklärt ist, was in Deutschland bei noch lebenden Autoren nicht immer einfach ist.

Hier wollen wir einige der größten Online-Bibliotheken ansehen, die Volltexte ins Netz stellen, also meist durch z. B. OCR Scans Buchseiten digitalisieren. Sie alle vereint:

– gemeinfreie Inhalte

– überwiegend kostenlose Zugriffe

– Fach und Genre-übergreifend

– Volltexte

Volltext-Bibliotheken frei für alle

Bereits 1996 verwirklichte sich der Informatik-Veteran Brewster Kahle seinen Traum, ein Online-Archiv zu gründen und schuf mit archive.org ein solches Riesenprojekt. Diese Seite als Online-Bibliothek zu betrachten, ist allerdings nicht so leicht, weil sie auch Websites, Audiomitschnitte und Filme sammelt. Dennoch basieren viele Grundideen und technische Umsetzungen späterer Online-Bibliotheken auf dieser Idee der 1990er.

Archive.org

Weltweit genutzt, in vielen Dingen am bekanntesten, sehr präsent und mit großer Auswahl speziell englischsprachiger Titel. Diese können relativ leicht gefunden und ganze Bücher heruntergeladen werden. Oftmals ist die Qualität der Scans nicht gut, zudem wird auf eventuelle Lücken, Schäden, fehlende Seiten etc. vom gescannten Original nicht hingewiesen, so dass ein full text nicht immer ein kompletter Text ist. Für viele Textinformationen, Navigations-Hilfen und Such-Optionen muss man gutes Englisch können.

OpenLibrary

Dieses große amerikanische Portal existiert seit 2007, ist verwandt mit dem oben genannten Archive.org-Projekt und weist viele inhaltliche Überschneidungen zu googlebooks auf. OpenLibrary hat in Millionenanzahl vor allem englischsprachige Titel digitalisiert. Es gibt eine Scan-Zusammenarbeit mit der öffentlichen Bibliothek Boston (Scan on demand).

Besonderheit: Große, aber manchmal erschlagende, geballte Masse. Meist erfährt man zu den Büchern nichts Erweiterndes, die interne Strukturierung und Ordnung klappt nicht immer. Bsp: Man sucht „Goethe“, findet das deutsche Cover von Goethes „Faust“ und dahinter verbirgt sich ohne Ankündigung die französische Fassung.

GoogleBooks

Mittlerweile ist google books fast jedem bekannt und durch viel Kraft vom Mutterschiff Google sehr präsent im Netz. Millionen Nutzer laden sich hier Bücher herunter. Die Seite nutzt 2 große Quellen – GooglePrint und GoogleLibrary. Das teilweise rigorose Scannen von Büchern ohne Absprache ist juristisch umstritten. Grundsätzlich jedoch ist google books ein riesiger Zugriffsort für Millionen von Titeln in allen Sprachen. Die Qualität der Scans, der Schrift und Illustrationen, mangelnde Struktur (Seiten, Kapitel) sowie auch verwirrende Navigation macht es dem Benutzer oft unklar, ob von einem Buch nur das Cover, manche Teile oder der ganze Text zugänglich sind.

Deutschsprachige Online-Bibliotheken

2010 sprach der Pressesprecher von Google auf einem Vortrag über Digitalisierungsprojekte und nannte 3 Konkurrenten zu google books in Deutschland: Zeno, Gutenberg und Lexikus

Zeno

Zeno existiert seit 2007, ist definitiv die größte deutsche Online-Bibliothek, gut strukturiert, farblich ansprechend. Es gibt viele Beiträge, die ähnlich oder teilweise gleich zu Wikipedia kurz über Autoren, Werke und Projekte berichten. 2009 erwarb der Forschungsverbund TextGrid die Online-Bibliothek. Sie wird teilweise von Ministerien gefördert. Vor allem im Bereich Philosophie und Literatur finden sich umfangreiche Autorensammlungen.

Gutenberg.de

Ein ebenfalls sehr bekanntes, seit 1994 vorbereitetes Projekt. Das Wachstum und die Bewegung auf dem Portal ist sehr unterschiedlich. Man sieht eine relativ schlichte Website, wenig Struktur, seit Mai 2009 wenig Veränderung auf der Seite. Mit 700 deutschen Autoren ist die deutsche Literatur-Abteilung relativ klein und gegenüber dem internationalen GutenbergProject ist zudem das komplette Herunterladen eines Textes oft nur eingeschränkt möglich. Zur Struktur: Relativ lieblos reingestellte Gesamttexte (Bsp: von Hans C. Andersen sind dutzende Märchen auf einer einzigen Seite hinter einander weg gepackt.)

Lexikus.de

Ein sehr junges, schnell wachsendes Projekt ist lexikus.de. Die Sammlung von historischen, gemeinfreien Büchern, die ggf. aus der Frakturschrift in heute verbreitete Schriftarten umgewandelt wurden, ist vor allem durch Struktur und Illustration einzigartig. Bei den technischen Details bewertet seitwert.de alle oben genannten Projekte schlechter, sogar Zeno (8 Punkte), lexikus.de bekam 9 (googlebooks und archive.org 1 bzw. 1,5 Punkte). Es gibt aktuelle redaktionelle Beiträge, Erklärungen zu Büchern sowie regionale Magazine von Mecklenburg bis Bayern. Angeschlossen ist ein Verlag mit heute lebenden Autoren.

Fazit

Nur wenige fachübergreifende Projekte haben sich in Deutschland etabliert. Es scheint sehr schwer für Onlinebibliotheken, ohne große Werbepartner und Förderer, sich lange in gleichbleibender Qualität und Quantität zu halten. Lexikus hat sich definitiv als Neuling zu Gutenberg und Zeno Aufmerksamkeit und Respekt erworben. Aufgrund vieler Informationen stellen diese Projekte sehr gute Ergänzungen zu originalen Büchern dar.

Die realen, klassischen Bücher und den Drang zu ihnen werden die Online-Projekte in den nächsten Jahren nicht verhindern. Wohl aber hat sich das Leseverhalten insgesamt verändert. Viele, die es sich vor 2 Jahren noch nicht haben vorstellen können, lesen heute wie selbstverständlich komplette Bücher in pdf. Somit bleibt abzuwarten, ob sich der Trend u.A. zum E-Reader durchsetzt.

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