Wohnen im Mehrgenerationenhaus

Die meisten älteren Menschen möchten so lange wie möglich selbstständig und allein leben. Doch leider läuft es im Leben nicht nur nach Plan: Nach und nach stellen sich mit zunehmenden Lebensalter fast bei jedem Menschen körperliche Gebrechen ein. Allein zu wohnen kann dann schwierig bis unmöglich werden. Auch wenn der Ehepartner stirbt oder die Kinder wegziehen, können Einsamkeitsgefühle und der Eindruck, nicht mehr gebraucht zu werden, sehr stark werden. Und plötzlich taucht im Stillen die Frage auf: Tut mir das Alleinewohnen auf Dauer wirklich gut? Wie soll es nun weitergehen? All diese Fragen stürzen dann plötzlich auf einen ein.
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Wohnen im Alter: Eigene Wohnung aufgeben, und nun?

Wenn plötzlich die eigene Wohnform infrage gestellt werden muss, ist das für viele ein schmerzhafter Punkt. Dieselbe Fragestellung bietet jedoch auch ungeahnte Perspektiven. Früher war die Sache ganz einfach: Wenn man Glück hatte, kam man zeitlebens allein zurecht. War das nicht mehr möglich, hatte man genau drei Optionen: Man ließ sich pflegen: von einem lieben Kind oder dem ambulanten Pflegedienst. Und wenn man es nicht vermeiden konnte, dann kam man eben in ein Heim. Was seinerzeit für viele eine Horrorvorstellung war, der die Realität in nichts nachstand. Die gute Nachricht ist: Nicht nur die Lebensbedingungen in den Seniorenpflegeheimen haben sich erheblich verbessert. Darüber hinaus hat die heutige Pluralisierung der Lebensformen nicht nur für junge Menschen, sondern auch für Senioren viele positive Folgen. So steht es um die Möglichkeiten des Einzelnen, auch im Alter sein Wohnumfeld noch individuell und selbstbestimmt zu gestalten, heute besser denn je.

Früher gab's die Großfamilie, heute Mehrgenerationenhäuser

Nicht unbedingt neu, dafür aber immer populärer wird in den letzten Jahren das Konzept des Wohnens im Mehrgenerationenhaus. Die Idee, generationsübergreifend in einer Wohngemeinschaft zu leben, entspricht ja im Grunde dem Prinzip der früheren Großfamiliensippen. Nachdem diese im Zuge umwälzender gesellschaftlicher Veränderungen vor gut einem halben Jahrhundert allmählich ausstarben, beginnen heute viele Menschen sich wieder für die alte Idee zu begeistern. Dahinter steht folgender Gedanke: Wenn familiäre Bande sich immer weiter zerstreuen, dann sucht man sich eben einfach eine „neue Familie“. Oder zumindest eine WG.  Laut einer Forsa-Umfrage können sich inzwischen zwei von drei Senioren vorstellen, in einer Wohngemeinschaft mit anderen Menschen zu leben. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Mehr nachbarschaftlicher Gemeinschaftssinn. Geselligkeit statt Einsamkeit. Und die Möglichkeit, sich gegenseitig im Alltag zu unterstützen, ohne die Heimeligkeit eines privaten Zuhauses aufgeben zu müssen.

Mehrgenerationenhaus: Ist das eine Option?

Im Mehrgenerationenhaus wohnen Senioren mit jungen Familien unter einem Dach. Wenn Menschen mit ganz verschiedenen Lebenszusammenhängen (Single und Paare, Berufstätige, Senioren, Kinder) gemeinsam in einer Wohngemeinschaft leben, ergibt sich aus dieser Vielfalt eine große Chance der gegenseitigen Bereicherung. In generationsübergreifenden Wohnprojekten hat jeder eigene Rückzugsräume. Daneben gibt es Gemeinschaftsräume. Pflegebedürftige Senioren werden durch ambulantes Pflegepersonal betreut. Dieses bewegt sich als externer Besuch im Haus. Das Mehrgenerationenhaus bietet zudem die Chance, dass gesunde Bewohner sich um hilfebedürftige Bewohner kümmern. Aber natürlich nur, wenn sie mögen. Viele ältere Menschen freuen sich in einer Mehrgenerationen-WG besonders über die Möglichkeit, mit Kindern zusammenzuleben. Gerade wenn es keine eigenen Enkelkinder gibt oder diese weit weg wohnen, ist es ein tolles Gefühl, plötzlich für ein Kind eine wichtige Bezugsperson zu sein. Auch als Leihoma oder Leihopa fühlt man sich wichtig und gebraucht.

Mehrgenerationen-WG: Utopie oder längst gelebte Wirklichkeit?

Im Idealfall bedeutet generationsübergreifendes Wohnen ein Geben und Nehmen: Die gelegentliche Hilfe bei den Schulhausaufgaben oder der „weise“ Rat eines lebenserfahrenen Menschen auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite ein hilfsbereiter Botengang, eine Reparatur oder ein Einkauf, der schnell mal miterledigt wird. Und während die Kinder mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass auch Älterwerden und Sterben zum Leben dazugehören, erleben ältere Menschen plötzlich noch einmal die Geburt eines kleinen Babys.

All das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, oder? So idyllisch und gutmenschig der Anspruch, der für viele hinter der Idee des Mehrgenerationenwohnens steht, so unmittelbar stellt sich wohl auch der erste Zweifel ein: Denn wie sieht es mit der Realität aus? Wie funktioniert ein solches Zusammenleben tatsächlich in der Praxis? Kann eine solche Wohnform denn überhaupt funktionieren oder bringt sie nicht doch eher ein fürchterliches Chaos mit sich? Und: Möchte man denn überhaupt mit wildfremden Menschen zusammenziehen? Haben die jungen Leute im Grunde nicht ihre eigenen Sorgen? Wird man am Ende nicht doch nebeneinanderher leben? Viele Senioren kennen all diese Bedenken, und sind doch weiterhin fasziniert von der Idee, an ihrem Lebensabend Teil einer angenehmen Gemeinschaft zu sein. Ob die generationsübergreifende Wohnform für den Einzelnen aber tatsächlich so passend oder doch eher eine schwärmerische Utopie ist, lässt sich im Zweifelsfall nur persönlich klären. Tipp: Die meisten Bedenken lassen sich in einer persönlichen Beratung zerstreuen. In Berlin veranlasste die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung daher eine zentrale Anlaufstelle für Beratung zum generationsübergreifenden Wohnen. Ähnliche Angebote gibt es inzwischen aber auch in vielen anderen Städten.
In der französisch-deutschen Filmproduktion „Und wenn wir alle zusammenziehen“ (2010, Originaltitel: Et si on vivait tous ensemble?) wird das Thema wirkungsvoll und charmant dargestellt: 
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