Wissenschaft und Forschung in der Werbung: Wie viel kann man glauben?

Wissenschaft und Forschung in der Werbung – Nichts als Werbestrategien

Man erlebt es häufiger, als man glaubt, Statistiken, wissenschaftliche Ergebnisse und „Doktoren“ treten auf dem Fernsehbildschirm auf und predigen einem von neusten Forschungen und besseren Formeln. Ja, selbst im Make-Up Geschäft sollen uns physikalische Neuerungen von Mascara-Stiften überzeugen, die eher gruseligen Folterwerkzeugen ähneln – aber wenn Wissenschaft drauf steht, muss sie ja auch drin stecken, oder?

Dr. Best beispielsweise trat 1988 erstmals vor die Kamera, um die berühmteste Zahnbürstentechnik für Tomatenfreunde vorzustellen, diese Technik existierte jedoch bereits vorher, aber anscheinend nicht glaubwürdig und erfolgreich genug. Aber der echte Doktor verhalf zusammen mit seiner Tomate zu einem neuen Schwung an Glaubwürdigkeit in die olle Zahnbürste. Und ja, Dr. Best war ein echter Arzt, aber Barbara Salesch ist ja auch eine echte Richterin, was keinesfalls heißt, dass ihre Fälle echt sind. Doktoren, Techniker und Wissenschaftler in der Werbung werden bezahlt und gar nicht mal schlecht. Genauso wie Sportler und andere Berühmtheiten haben sie dadurch aber keine Aussagekraft, denn selbst wenn sie eine andere Meinung zum Produkt hätten, würden wir sie kaum von ihnen hören, Werbung scheut sich nämlich vor objektiven Einsichten, das liegt quasi in der Definition. Als Werbestrategien machen diese „Fachleute“ dennoch Eindruck, also Vorsicht, wenn weiße Laborkittel mal wieder mehr verkaufen, als da ist.

Produkte mit neuen Technologien und Entdeckungen

In den meisten Fällen sollen auch noch beeindruckende Namen wie Voluminous Maximizer helfen, das Gerät so professionell wie möglich erscheinen zu lassen. Dass es sich dabei nicht selten um lediglich englische Übersetzungen, Fantasienamen, die lateinisch klingen und alberne Wortspiele handelt, ist dabei Gang und Gäbe. Oftmals sind bestimmte, neue Zutaten nicht mehr als eine Worthülse, werden also nicht in der Zutatenliste der Kosmetika, Verdauungsjogurts o.Ä. zu finden sein, so etwa Phyto-DorphineTM von L'Oreal, das übrigens ein Trademark von L'Oreal ist, also ausschließlich in dessen Universum existiert. „Dorphine“ kommt vom „Endorphin“, also dem Glückshormon, „Phyto“ könnte von den „Phytoöstrogenen“ kommen, pflanzliche Stoffe, die Östrogenen ähneln. Was die in unseren Kosmetikprodukten suchen, will ich lieber nicht wissen, Fakt ist aber, dass es „Phyto-Dorphine“ nicht wirklich gibt.

Das Kleingedruckte lesen

Da Deutschland in Sachen Kundenschutz keine schlechte Figur macht, nutzt es nicht selten, sich das Kleingedruckte durch zu lesen. So werden beispielsweise die neuen völlig „natürlichen“ Zigaretten (etwa die neuen Lucky Strike oder „American Spirit“) bar jeder Aromastoffe schnell im Miniprint zugeben müssen, dass sie dadurch nicht weniger giftig sind. Ähnliches gilt für die Diätversprechen bekannter Cornflakes-Marken, die mittlerweile zähneknirschend hinzu fügen müssen, dass der Abnehmeffekt nur dann eintritt, wenn man nebenbei auch noch auf seine Ernährung achtet und Sport treibt. Übrigens; findet man besonders bei Fachbegriffen keine Definitionen im Kleingedruckten, darf man auch skeptisch werden, denn ein Mittel, dass sich seiner Inhaltsstoffe nicht zu schämen braucht, wird diese auch stolz auf den Tisch legen, immerhin sorgt das für Vertrauen in das Produkt.

Der probiotische Karneval

Activia liebt ja die verdauungsfördernden Jogurtkulturen und gibt damit an, wie die Forschung bewiesen hat, dass man nach 2 Wochen bereits eine Wirkung im Darmtrakt verspürt. Der ebenfalls geschützte Activia-Begriff ActiRegularis ist eigentlich das Bakterium Bifidobacterium animalis, ein probiotisches Bakterium. Da man dieses leider nicht als Trademark anmelden kann, hat Danone die Subspezies DN 173 010 (jaja, das Jogurtgeschäft ist kompliziert) u.A. in Deutschland als ActiRegularis, im UK als Digestivum und in den USA als Regularis angemeldet.

Probiotische Lebensmittel sind übrigens immer noch nicht wissenschaftlich als gesundheitsfördernd bewiesen und wenn, dann sind die Mengen innerhalb der Produkte sowieso zu gering, um einen dauerhaften, nennenswerten Einfluss auf die Darmflora zu haben. Naja, dafür klingt es so positiv. Ausführlicher und auch etwas komplizierter, kann man das hier nachlesen.

Statistiken sind Kontextabhängig

Achten Sie bei den nächsten Werbestatistiken mal ganz genau auf die Darstellung. Oftmals fehlen nämlich die Richtwerte, werden einfach Kreis- oder Säulendiagramme vorgestellt, ohne alle wichtigen Elemente zu beschreiben. Gerade bei Statistiken gilt auch, dass man – richtig angewendet – so gut wie alles mit ihnen beweisen kann, wenn man nicht alle Ergebnisse vorlegen muss. Überlegen Sie sich beispielsweise, warum es immer 9 von 10 Männern sind, die vom neuen Rasierer begeistert sind, niemals 7 von 10 oder 10 von 10. Nun, 7 von 10 Männern sind kein gutes Ergebnis und 10 von 10 Männern wären reichlich unglaubwürdig, da man immer von dem einen verbitterten Nutzer ausgeht, der bei seinem Uralt-Rasierer bleibt.
Wo wir gerade dabei sind, wie viele Männer wurden überhaupt befragt und wo fand die Befragung statt? Wenn es gerade mal 10 waren, sind die Aussagen wahrlich nicht repräsentativ, höchstwahrscheinlich waren es sowieso die Mitarbeiter von Gilette, die ihre Stimme hergaben, oder die Umfrage wurde auf der Rasierer-Hersteller-Seite durchgeführt, die sowieso von Kunden und nicht von Nicht-Kunden besucht wird. Umfragen als Werbestrategien sind ein gern genutztes Mittel, das jedoch in den seltensten Fällen auf wissenschaftlich korrektem Wege durchgeführt wurde. Jamie White (ab Minute 2:00) redet über die mysteriösen Statistiken in der Werbung.
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Vergleichswerte und Nachweise sollten kein Luxus sein

„15% besser als herkömmliche Mittel“, alleine diese Angabe ist schon ein Hohn, denn welche herkömmlichen Mittel damit gemeint sind, wird nicht gesagt, weshalb niemand weiß, ob nun 50 andere Mittel geprüft wurden, oder nur eine andere Billigmarke (wenn überhaupt). Sobald man außerdem keine Angaben zu den Erhebern dieser Werte finden kann (im Fernsehen oftmals am unteren Bildschirmrand zu finden – wenn sie denn existieren), sollte man auch schnell weghören, denn haltbare Ergebnisse solcher Prüfungen sollten öffentlich zugängig gemacht werden, immerhin müssen sie doch niemandem peinlich sein, oder?

Noch besser sind Aussagen wie „5% ergiebiger“ ohne jegliche Vergleichswerte. Ergiebiger als was? Von welchen Ausgangswerten ist man ausgegangen? Ergiebiger als Nichts? Denken Sie immer daran, dass Werbung viel mit Sprache arbeitet, teils so clever, dass man gar nicht mitbekommt, wie einem völlig sinnfreie Inhalte so verkauft werden, dass sie irgendwie Sinn ergeben.

Vollkommen anders: Wissenschaft auf Werbesendern

Diätpillen, Fitnessgeräte und schlankmachende Unterwäsche: auf Shopping Kanälen wird man vor lauter Wissenschaft nicht mehr wissen, wohin mit all seinem neu erworbenen Wissen. Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um großspurig klingende, jedoch ausgedachte Produkte und Techniken, die einem Techniker, Lebensmittelwissenschaftler oder Physiker, ja selbst einem kurzen Blick auf Google nicht stand halten würden.

Es hat schon seine Gründe, warum die Menschen auf diesen Sendern weder so reden, noch so wirken wie Fachleute und stattdessen euphorisch auf und ab springen
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Fazit:

Es gilt: Vergleiche und Statistiken sind am vertrauenswürdigsten, wenn sie von neutralen Firmen und Wissenschaftlern überprüft wurden. Natürlich muss man Dr. Best nicht unterstellen, dass alles gelogen war, was er gesagt hat, aber eventuell kann man ihm unterstellen, dass er die unschönen Ergebnisse der Tests nicht wirklich angesprochen hat, sowieso, seit wann sind Tomaten das Äquivalent des menschlichen Zahnfleisches?

Zur Übung kann man ja einfach mal ins Netz gehen und die Statistiken suchen gehen. Je schwieriger es ist, die Ergebnisse und konkrete Quellen zu finden, desto sicherer kann man sich sein, dass es hier nur um einen weiteren, leeren Werbespruch ging.

Also Augen und Ohren offen halten und skeptisch bleiben, wenn es um Werbung und Wissenschaft geht.

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