Wilde Kreaturen – nützliche Idioten

Man muss schon eine längere Safari durch den Menschen-Zoo unternehmen, um ein unschöneres Exemplar als Henrico aufzutreiben. Das war aber zum Glück gar nicht nötig. Wie bestellt, brachte der Mensch erst sich ins Gespräch und schlimmer noch – sein apartes Konterfei in unser Bewusstsein. Und da, in unserem Bewusstsein, ist er jetzt angekommen und repräsentiert die „Arbeitslosen". Auch freundlichen Zeitgenossen fällt beim Gedanken an den arbeitslosen Baugehilfen die Solidarität mit dem Restprekariat schwer [Martin Kulik: Wer Arbeit will, findet auch welche und wer keine will, kriegt trotzdem welche]. (By the way Martin, das erinnert aber irgendwie an "Arbeit macht frei!".)

Solche Solidarität wäre dringend nötig, denn die Forderungen nach einer Absenkung der Hartz IV-Bezüge werden immer lauter. Durch Androhung von Hunger könnten die Bezieher der staatlichen Existenzsicherung zur Aufnahme von Arbeitsverhältnissen unter sittenwidrigen Bedingungen gezwungen werden. Ausgerechnet das Arbeitgeberlager fordert da lautstark mehr Staat am Arbeitsmarkt. Durch „Kombilohnmodell" genannte Subventionen soll der Steuerzahler nach den Wünschen von Herrn Sinn und Kollegen in Zukunft an den Arbeitskosten der Privatunternehmen beteiligt werden. Die Differenz zwischen Mikro-Lohn und Existenzminimum darf generös der sonst gerne gescholtene Staat (Wir!) spendieren. Das nennt sich neue soziale Marktwirtschaft. Doch das Prinzip ist nicht wirklich neu, es gilt die alte BWler-Weisheit: Kosten sozialisieren, Gewinne privati- sieren.

Da passt nun Herr Frank wunderbar ins populistische Kalkül und Herr Beck hat ihm mit seinem gesunden Volksempfinden gleich noch medienwirksam die nötige Aufmerksamkeit verschafft. Waschen und rasieren…

Jetzt will ich hier nicht falsch verstanden werden, auch ich teile gewisse Zweifel an Herrn Franks Arbeitslust, ja ich vermute sogar, dass er so riecht wie er aussieht – bloß mit dem allergrößten Rest der vier Millionen Arbeitslosen hat das nichts, aber rein gar nichts zu tun!

Trotzdem ist der Fall "Frank" nur der vorläufige Höhepunkt einer insgesamt diffamierenden Berichterstattung über Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Kaum ein TV-Bericht über neue/alte Armut der ohne die Bilder von obdachlosen Alkoholikern und Interviews mit Personen jenseits der Debilitätsgrenze auskommt.

Ob es gar eine Agentur für nützliche Idioten gibt? Gestern noch demonstrativ den Arztkittel in die Kameras gehalten [Ärzte-Verband mietete Jobber für Demonstration] und morgen als arme Sau durchs Bild getrieben – ach nein! Die Idioten sind idiotisch genug, um preiswert bis gratis nützlich zu sein. Heute im Schweizer Blick (Blöd-Zeitung für Eidgenossen): [„Frecher" Frank gegen mächtigen Beck] und treffend kommentiert in der Süddeutschen Zeitung: [Rückfall in die Lethargie]

Das nenne ich einen sozialpolitischen PR-Gau. Vielen Dank an Herrn Frank, Herrn Beck und die hämisch kolportierende Presse.

Die Chefarztfrau

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10 Meinungen

  1. Einige gute Punkte in deinem Artikel, aber bitte Nazivergleiche nerven nur noch, okay?

  2. …war halt naheliegend, ich setzte es mal „durchgestrichen“

  3. Eva B., 47, seit zwei Jahren arbeitslos, regt sich zu Recht über die Beck’sche Weihnachtsposse mit dem pöbelnden Henrico F. auf.

  4. Fakt bleibt doch aber, wenn ich dich richtig verstanden habe, dass der gute Herr F. gar keinen Bock auf Arbeit hat, oder? Sonst hätte er sich heut mit Herrn B. getroffen.-Das F. = vier Millionen Arbeitslose ist habe weder ich noch die, zugegeben, höhnisch-hähmische Presse behauptet. -Es verwundert mich aber doch schon arg, wenn Herr F. jetzt eine Pressesprecherin (!), vier Handys und plötzlich wenig Zeit hat (und außerem einen Button mit dem guten alten APPD Slogan „Arbeit ist Scheiße trägt“). Aber schon allein deshalb taugt er ja nicht zum Prototyp des Arbeitslosen.-Das er jedoch jetzt vielleicht als Prototyp des Arbeitslosen schlechthin gehandelt wird – nun, darüber hätte ihn seine „Pressesprecherin“ aufmerksam machen können. Oder braucht er noch einen PR Berater? Vielleicht hätte er sich dann anders verhalten, vielleicht. Jetzt hat er jedenfalls mindestens 4 Millionen Menschen einen Bärendienst erwiesen.-Und was an „Wer Arbeit will, findet auch welche, und wer keine will kriegt trotzdem welche“ an „Arbeit macht frei erinnert“ weiß ich nicht. Wenn du dich an diesen unsäglichen Slogan erinnert gefühlt hast, sei versichert, ich hatte nicht die Absicht darauf anzuspielen. Ich hatte, wenn überhaupt, an „fördern und fordern“ gedacht. Herr Beck hat gefordert und Förderung angeboten. Herr F. will aber offenbar nicht gefördert werden. Kann ihm jetzt die Unterstützung/Hartz IV eigentlich gekürzt werden?

  5. Hey Martin,zunächst mal hattest Du halt das Pech hier bei Gb über das Thema zu schreiben. Tatsächlich teile ich ja auch Deine Vermutung über Herrn Franks Arbeitswilligkeit. Der Kerl löst auch bei mir persönlich und bei allen Leuten die kenne, ganz unabhängig von ihrer politischen Verortung, zunächst schlicht Ablehnung aus. Das hat mich dann doch stutzig gemacht! Irgendwie erscheint der Typ wie bestellt. Die Reaktion auf den Mann ist freundlichgesprochen eine Art Innländerfeindlichkeit und er diffamiert wirklich den ganzen Rest der Arbeitslosen und all die Leute die sich für sie einsetzen.„…und wer keine will kriegt trotzdem welche“ mich erinnert das an Zwangsarbeit, sorry!Aber zum guten Schluss noch ein Schmankerl: Ich hatte früher ein APPD-Plakat in der Werkstatt hängen, der Werkstatt meiner eigenen Firma……Na ja, aber mein Humor ist auch gewöhnungsbedürftig.Also nichts für ungut, ich hoffe Du verzeihst mir meinen Ausritt über Deinen Bolg-Text.Übrigens wird seine „Stütze“ tatsächlich gekürzt, wenn er eine zumutbare Beschäftigung ablehnt. Das ist schon länger gängige Praxis und im Fall „Frank“ bleibt eine Arbeitsverweigerung jetzt garantiert nicht folgenlos.Viele GrüßeAlex

  6. „er diffamiert wirklich den ganzen Rest der Arbeitslosen und all die Leute die sich für sie einsetzen.“ – bis auf seine Pressesprecherin, die ihm wohl den Floh ins Ohr gesetzt hat, dass er gestern was besseres vor hatte als Herrn Beck mit seinen Jobangebote zu treffen. Die Pressesprecherin ist übrigens ne ehemalige Journalistin, weiß also wie er Hase im Medienbusiness läuft.-„…und wer keine will kriegt trotzdem welche“ mich erinnert das an Zwangsarbeit, sorry!“ vielleicht hätte ich schreiben sollen „kriegt trotzdem welche, nimmt sie aber nicht an, weil, [Zitat APPD] `Arbeit ist Scheisse`“. Zwangsarbeit hatte ich edenfalls nicht im Sinn.-Deinen Ausritt über meinen Text verzeihe ich dir nicht nur, nein, ich begrüße ihn sogar, schließlich gehts ja genau darum beim bloggen :-)-Das mit der Kürzung der Bezüge von Herrn F. muss man mal im Auge behalten. Ich bezweifle nämlich, dass die Angebote von Kurt Beck im Sinne der Arbeitsagentur zählen. Aber, wie soll die Gesellschaft nun mit Menschen die partout nicht arbeiten wollen umgehen? Das wäre doch die eigentlich spannende Diskussion. Mehr „Sozialfahnder“? (Noch) weniger Geld? Gar nichts tun? Grundeinkommen und warten was passiert?

  7. „““Aber, wie soll die Gesellschaft nun mit Menschen die partout nicht arbeiten wollen umgehen?““““Solche Leute hat es zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftsformen gegeben. Ich würde mich stark wundern, wenn es eine wirklich volkswirtschaftlich relevante Zahl von Bürgern gibt, die es sich mit 345€ „gut gehen“ lässt. Es gibt ja heute schon eine Menge Niedriglöhner unter Hartz IV-Niveau die lieber arbeiten, als vor der Glotze zu verblöden. Nach der Lehre vom reinen Markt dürfte es solches Verhalten nicht geben! Ich denke, wir können uns den Luxus gönnen und eine bescheidene Zahl von Schnorrern ertragen. Besser als die Gesellschaft mit immer mehr Kontrolle zu vergiften.Zum meinem Lieblingsthema, dem Bürgergeld:Unter den Befürwortern des bedingungslosen Grundeinkommen bin ich in bester und buntgemischter Gesellschaft. Da findet sich Milton Friedman, der „Vater des Neoliberalismus“, neben dem Sozialisten André Gorz, und dem erzliberalen Lord Dahrendorf.Nach 20 Jahren erfolglosen Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit stellt sich der Münchner Soziologe Ulrich Beck die Frage: „Wie kann man ohne Arbeitsplatz ein sinnvolles Leben führen? Genau betrachtet ist Arbeitslosigkeit ja keine Niederlage, sondern ein Sieg. Die Produktivitätssteigerung erlaubt es, mit einem Minimum an menschlicher Arbeit ein Maximum an Wohlstand zu erzielen. Freiheit statt Vollbeschäftigung – das ist heute die Alternative.“Das wird eine enorme wirtschaftliche Mobilität, Produktivität und Kreativität entfalten. Viele Hindernisse, durch die der Produktionsprozess so ungeheuer gedrosselt wird, werden wegfallen.Ich sehe neben den ökonomischen Vorteilen einer dann tatsächlich freien Marktwirtschaft, das Projekt auch als zivilisatorischen Fortschritt.

  8. Hi Anti,Glückwunsch zur Neugestalltung Deiner Website, ist gut gelungen. Irgendwann muss ich mir auch mal die Mühe machen………Grüße aus KölnAlex

  9. „Ob es gar eine Agentur für nützliche Idioten gibt?“..keine schlechte Geschäftsidee – vielleicht sollte ich mir schnellstens die Domain klischee24.de registrieren?! Mit ganz viel Glück wird’s ja sogar von der Arge gefördert, als Private Personaldienstleistungsvermittlung.. *gUnd gleich als erstes wird dann dem Frank seine Pressesprecherin abgeworben.. 😀

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