Wie ich meine Jugend überlebte – Hans Jürgen Fenske
Hans Jürgen Fenske ist in Mecklenburg geboren, wird im Herbst 80 und lässt nun durch den Godewind Verlag ein Manuskript los, das lange in ihm schlummerte und über zwölf Jahre in ihm wuchs.
Nun gibt er Lesungen, die Leute sind begeistert und erschüttert, und nördlich von Berlin ist es das Buch des Monats Oktober.
Worüber schreibt Fenske?
Der Autor schafft in der romanhaft angenäherten Autobiografie den Jungen Max Olgart und berichtet aus dessen Perspektive von seiner Verhaftung aus blauem Himmel, kurz nach Ende des II. Weltkrieges im Jahr 1946.
Max ist 13 und wird ohne Angabe von Gründen daheim verhaftet und in Untersuchungs-Gefängnisse gebracht. Schließlich erklärt man ihm, er sei „wegen organisierten Kampfes gegen die Sowjetunion“ zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Er hat keinen Kontakt zu seinen Eltern und sitzt nun ohne Rechtsbeistand oder Verfahren unter unfassbaren Bedingungen in Sachsenhausen nördlich von Berlin. Das war bis zum Kriegsende noch ein Konzentrationslager (KZ), aber die russische Militärregierung benutzte einige der Lager als so genannte „Gulags“ weiter, mit den gleichen Betten, Räumen und Verhältnissen.
Im Gefängnis hat Max zum Glück Helfer, die für ihn Wache stehen, ihm anderweitig das Leben retten oder in Sachen Hygiene, Nahrung und Gewalt auf ihn aufpassen. Es ist wirklich ein Wunder, wie er Krankheit, Todesgefahr, brutale Schikane sowie physische Misshandlung in der Zeit überlebte.
Fenske ist hier vor allem in der ersten Hälfte des 290 Seiten Buches eine unglaublich nüchterne, klare, eindringliche und harte Sprache gelungen, die mit manchmal eiskaltem Hauch den Leser mitten in die Zelle der Häftlinge holt, die zum Teil aus absurden Gründen eingesperrt sind, weil die Sowjetunion noch lange nach dem Krieg regelrecht paranoid Gefahr witterte.
Die folgenden Kapitel beschreiben, wie nach über 6 Jahren Haft der Junge als Volljähriger wieder in die Gesellschaft des nun getrennten Deutschlands eintritt und versucht, in den Westen zu fliehen, was jedoch seine ganze Familie in große Sorgen gestoßen hätte. So versucht er, so gut es geht, im System der DDR seinen Platz zu finden und in Dresden und später dem Bezirk Potsdam als Lehrer und Kulturschaffender zu arbeiten.
In der Wendezeit ist er aktiv bei den Umgestaltungs-Aktionen dabei. Seine Akte, die die Staatssicherheit wegen seiner Jugend angelegt hat, war vermutlich meterdick. Immer wieder eckt er an, schlägt ungewöhnliche Methode und Ansätze vor, bis die Wiedervereinigung ihm ein freiheitlicheres Leben ermöglicht. Er wählt eine pazifistische, rachefreie Erinnerung an das Geschehene, die gestohlene Jugend.
Erst Mitte der 90er beginnt Max Olgart mit der für ihn notwendigen Aufarbeitung. Er öffnet sich trotz hohen Alters vielen neuen Eindrücken und Sichtweisen, weit über Yoga und neu ausprobierten Kunstformen hinaus.
Wert des Buches
Durch Max Olgart spricht ein Opfer mit klarer, verständlicher Stimme – einer, der weiß, wie es wirklich war. Eine Stimme aus einem wichtigen Kapitel deutsch-deutscher Nachkriegsgeschichte. Seine Stimme zählt – jeder Buchstabe wiegt für Tausende, die unter fürchterlichen Verhältnissen in der Haft starben, als Stalins Arm bis zur Elbe reichte und die frühe DDR alles andere als demokratisch und eigenständig war.
Dass Hans Jürgen Fenske dieses Buch geschrieben hat, dass er nun vor Gymnasiasten in seiner Heimat Solingen und woanders liest, dass er die Wichtigkeit von Kultur und Geschichte bis heute vermittelt – ist sehr wertvoll. Nicht nur in Westdeutschland sind viele Aspekte des Buches unbekannt oder sogar gewollt verstaubt im Gedächtnis unseres Landes.
Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Buch „Wie ich meine Jugend überlebte“ vom Lexikus-Godewind Verlag weit über Berlin hinaus bekannt wird und der Autor Hans Jürgen Fenske bei den Zeitzeugen im ZDF oder anderswo zu sehen ist.
Das Buch ist „Politische Bildung pur“ – das, was wir in einem Land, wo an Bildung gespart wird, dringend brauchen. Die Autobiografie ist September 2011 erschienen und über den Buchhandel oder Amazon etc. erhältlich.
Es ist ein Teil der Lebensgeschichte.