Die meisten Spieler kennen Games, deren Kauf sie hinterher bitterlich bereut haben. Lieblos programmierte 0815-Spiele, randvoll mit Bugs, miesem Gameplay und idiotischen Storys, die es leider zuhauf gibt. Doch von welchem Spiel kann man behaupten, dass es fast eigenhändig eine ganze Industrie ruiniert hat? Nun, von diesem hier zum Beispiel:
Die Hintergründe des Spiels
Videospiele basierend auf Kinofilmen folgen fast ausschließlich demselben Schema, heute genauso wie vor 30 Jahren: Ein Videospielepublisher erwirbt für eine enorme Summe Geld die Rechte an dem Film. Dadurch bleibt für die eigentliche Entwicklung natürlich deutlich weniger übrig. Jeder versierte Spieler wird bestätigen können, dass Spieleadaptionen fast ohne Ausnahme qualitativ zwischen „durchschnittlich“ und „unterirdisch“ rangieren. So war es auch mit dem Spiel zu Steven Spielbergs Science-Fiction-Klassiker „E.T. – Der Außerirdische“ aus dem Jahre 1982.
Bis zu 25 Millionen Dollar soll der Spielehersteller Atari für die Rechte an dem Film bezahlt haben. Das ist eine gigantische Summe, auch auf die heutige Zeit umgerechnet. Das Spiel selbst wurde dann innerhalb von nur fünf Wochen von einem einzigen Programmierer geschrieben. Der Grund für diese extrem kurze Entwicklungszeit war, dass das Spiel rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 1982 in den Läden stehen sollte. Atari versprach sich ein Bombengeschäft mit dem Spiel für den Atari 2600 und produzierte fast vier Millionen Exemplare. Auch die Presse spielte mit und heizte mit ihrer Berichterstattung die Vorbestellungen an.
Zuerst lief es auch ganz gut. Rund 1,5 Millionen Spiele wurden verkauft und das trotz der vernichtenden Kritiken, die das Spiel kassierte: Nicht nur wurde die primitive Grafik bemängelt, das Spielprinzip sei unverständlich und würde keinen Spaß machen. Im Großen und Ganzen sei das Spiel praktisch unspielbar. Die Käufer gaben der verheerenden Kritik Recht. Bis zu 3,5 Millionen Exemplare des Spiels blieben unverkauft oder wurden wieder zurückgegeben. Doch das schlimmste kam erst danach.
Der große Zusammenbruch der Videospielindustrie 1983
Anfang 1983 stand die komplette amerikanische Videospielindustrie bereits kurz vor dem Kollaps. Die Gründe hierfür sind komplex und können hier nur angerissen werden: Der Markt war praktisch gesättigt, trotzdem veröffentlichten die Hersteller in kurzer Folge immer neue Heimcomputersysteme und Spielekonsolen, die sich gegenseitig Konkurrenz machten. Durch die sinkenden Einnahmen begannen die Hersteller an den Produktionskosten der Spiele zu sparen, wodurch deren Qualität auf breiter Front einbrach.
Den Konsumenten war dies bewusst und so wurden immer weniger Produkte verkauft. Um überhaupt noch etwas zu verkaufen, wurden sogar brandneue Spiele zu Kampfpreisen verkauft. Kurzum: Ein Zusammenbruch war absehbar. Und in dieser Situation nun erschien E.T. Das Spiel war sicherlich nicht der Alleinschuldige am Crash, aber es brachte das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen.
Rund 25 Millionen Dollar hatte Atari durch E.T. einnehmen können. Dem entgegen standen aber gut 100 Millionen Dollar Schaden, durch unverkaufte Ware. Ataris Lagerhäuser waren randvoll mit praktisch unverkäuflicher Ware (E.T. war nicht der erste Flop gewesen) und die finanzielle Situation der Firma wurde kritisch. Deshalb wurde E.T. bereits Anfang 1983 für wenige Dollar in den Elektronikmärkten verramscht, doch auch das half nicht mehr. Atari wurde 1984 verkauft und existierte nur noch als Marke weiter.
Bis 1984 gingen noch zahlreiche weitere Unternehmen nacheinander in Konkurs oder zogen sich aus dem Business zurück. Es war das Ende einer Ära. Erst 1985, als Nintendo sein Nintendo Entertainment System (kurz NES) in Amerika veröffentlichte, begann der Wiederaufbau.
Der Mythos der Atari-Müllkippe
Eigentlich ist dies das Ende der Geschichte, doch es gibt noch eine merkwürdige Anekdote, die im Laufe der Jahre zu einem Teil der Popkultur wurde: Kurz bevor es mit Atari zu Ende ging, wurden die inzwischen unverkäuflichen Lagerhausbestände des Unternehmens in einer Nacht und Nebel Aktion in Lastwagen verladen. Die Ladung bestand aus den Millionen unverkäuflichen E.T.-Exemplaren, anderen Spiele-Flops und diverser Hardware. Ziel der Lastwagenkolone war eine Mülldeponie in New Mexico. Dort wurden die Millionen von Spiele abgeladen und einbetoniert.
Jahrzehntelang war diese „Atari-Müllkippe“ nichts weiter als ein urbaner Mythos und obwohl etliches noch ungeklärt ist, die Müllkippe existiert wirklich. Inzwischen ist sogar eine Dokumentation über diese merkwürdige Episode in Arbeit.
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