Das Original der FourFourTwo stammt aus England und wurde vor einigen Monaten für den deutschen Markt adaptiert. Im hiesigen Produkt wird nur der erste Teil des Heftes von der deutschen Redaktion erarbeitet. Der zweite, der sich auf den internationalen Fußball stürzt, entsteht unter Fremdleitung. Eine treffende Besprechung hat bolzplatz geliefert. Die Dezemberausgabe wartet im internationalen Teil mit einem Artikel über Paolo di Canio auf. Kreuzverhör nennt sich die Rubrik, in der Fans Spielern Fragen stellen dürfen.
Zur Erinnerung: Di Canio war lange für Lazio Rom aktiv und ist bekannt für seine faschistischen Ansichten und seinen engen Kontak zu den rechtsradikalen Ultras von Lazio. Er geriet in die Schlagzeilen, als er einen Treffer im römischen Derby mit dem Führergruß feierte. Dabei war auf seinem Arm die Tätowierung "Dux" zu sehen- eine Anspielung auf Benito Mussolini, den faschistischen Führer Italiens von 1922 bis 1943. Dessen Enkeltochter Alessandra schrieb di Canio daraufhin einen Dankesbrief und traf sich mit ihm.
Weiß man um diese Vorgeschichte, erwartet man von einem Artikel über di Canio eigentlich, dass er tief eindringt in die Gedankenwelt dieses Fußballers. Das bleibt jedoch aus:
Di Canio erhält die Gelegenheit, bei sonnigem Wetter und in lässiger Pose über Dies und Das Auskunft zu geben: Hier werden Fragen nach der verrücktesten Person gestellt, die ihm je im Fußball begegnet sei. Da erzählt er von seiner Boutique in Ternana. Auf den ersten drei Seiten des Artikels sucht man eine Frage nach seiner politischen Gesinnung vergeblich. So entsteht der Eindruck eines ungewöhnlichen, aber keineswegs faschistischen Menschen. Dazu die Aufmachung der 442: Bunt, grell, heiter.
Dann endlich: "Bist Du wirklich ein Faschist?". Ja, er sei ein Faschist, aber kein Rassist. Das trennt di Canio eindeutig. Da der Faschismus keine in sich geschlossene Ideologie ist, also Interpretationsmöglichkeiten zulässt, wünscht man sich an dieser Stelle eigentlich ein Nachhaken. Schließlich beinhaltete der Faschismus unter Benito Mussolini, den di Canio nach eigenen Angaben verehrt, Denkweisen wie den Sozialdarwinismus und die Einbindung der Rassenlehre Hitlers. Di Canio fordert freie Meinungsäußerung, schließlich lebt Italien in demokratischen Verhältnissen. Der Widerspruch, dass jemand, der eine totalitäre Ideologie vertritt, demokratische Grundrechte wie freie Meinungsäußerung einfordert, wird in der FourFourTwo nicht angesprochen. Wie auch? Die Leser stellen die Fragen, das Magazin kommt nicht zu Wort. Nicht die klügste Methode, di Canio zu thematisieren.
Auch in der Folge des Frage-Antwort-Spiels wird nicht nachgehakt, di Canio nicht in Frage gestellt. Es geht vielmehr um seine Vorstellung vom perfekten Tiramisu und seine Zeit nach dem Fußball.
Ich brachte meine erste Empörung zum Ausdruck, indem ich Kay Siecken, dem Redaktionsleiter der FourFourTwo eine Mail schrieb, in der ich ihn um eine Stellungnahme bat. Siecken antwortete (ich gebe auszugartig wieder), er gehe vom mündigen Leser aus, der sich aus den teils widersprüchlichen Aussagen di Canios sein eigenes Bild machen könne. Weiterhin sei es nicht die Art des Magazins, Interviews zu kommentieren. FourFourTwo wolle das Thema Faschismus nicht totschweigen, sondern realitätsnah ansprechen. Gleichzeitig gestand Siecken in seiner Mail ein, er hätte sich deutlicher von di Canios Aussagen distanzieren sollen. In Deutschland komme es, so Siecken, zu reflexartigen Reaktionen, wenn das Thema Faschismus angesprochen wird. Daher sei die Titulierung "Politischer Wirrkopf", die Siecken in der Ankündigung des Artikels wählte, nicht deutlich genug gewesen. In anderen Ländern sei es nicht zu derartigen Reaktionen gekommen, schrieb mir Siecken.
Nun, es stören mich ein paar Aspekte an dieser Argumentation: Dass es in anderen Ländern nicht zu Protestreaktionen gekommen ist, ist in meinen Augen keinesfalls ein mildernder Umstand. Wenn es in Deutschland bei dem Thema Faschismus zu reflexartigen Reaktionen kommt, kann das nur gut sein: Faschismus ist schließlich reflexartig zu verurteilen, auch wenn man sich seiner Auswüchse im Detail annehmen sollte. Dass Deutsche durch die historische Prägung stärker sensibilisiert sind, wenn es um Tyrannei und Totalitarismus geht, als Bewohner anderer Länder ist keinesfalls als Überempfindlichkeit auszulegen.
Dass die Zeitschrift Interviews unkommentiert lässt, ist journalistisch natürlich einwandfrei. Dass man das Thema Faschismus jedoch anspricht, indem man seinen populärsten Vertreter, einen Mann, der unter den zahlreichen fremdenfeindlichen und faschistischen Fußballfans nicht nur in Italien viele Anhänger hat, so unreflektiert zu Wort kommen lässt: das ist nicht nur unachtsam, sondern fahrlässig. So in etwa antwortete ich auf die Stellungnahme des Redaktionsleiters der FourFourTwo.
Auf die Mail, die, zugegeben, in leicht schroffem Ton verfasst war, erhielt ich keine Antwort.
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der Canio ist doch ein ganz normaler italienischer Bürger der EU. Warum wird der von einem deutschen Blockwart in einem Fußballblogg verfolgt?
Im Gegensatz zu di Canio bin ich kein Freund davon, Andersdenkende zu verfolgen. Ich kritisiere hier lediglich, dass jemand den Fußball nutzt, um sein faschistisches Gedankengut zu verbreiten, der italienische Verband dies nicht ausreichend sanktionierte und vor allem, dass die 4-4-2 diese ausgesprochenen Dummheiten völlig verharmlost dargestallt hat.Du solltest übrigens Di Canio mal mit der Bezeichnung EU-Bürger konfrontieren. Das wird ihn als bekennenden Faschisten sicher freuen.