Vorschulisches Chaos

In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurde zum Beginn des Schuljahres 2006/2007 der Schulkindergarten abgeschafft. Bislang wurden in dieser schulischen Einrichtung ein Jahr lang diejenigen Kinder betreut, die zwar schon schulpflichtig, aber aus individuellen Gründen auf Basis der Schuleignungsuntersuchung für ein Jahr zurück gestellt wurden. Jetzt sind diese Kinder Teil der ersten Klassen und das Chaos ist unübersehbar. Lehrkräfte klagen über massive Verschlechterungen der Unterrichtssituation, sowohl was den strukturellen Rahmen, also die Lernbereitschaft der Klasse im weiteren Sinne, als auch, was die Ergebnisse, das Leistungsniveau betrifft.

Meine Tochter, die im letzten Jahr von der Grundschule auf das Gymnasium gewechselt ist, hat vor ein paar Wochen den Unterricht ihrer bisherigen Grundschullehrerin besucht. Die hat nämlich direkt eine neue erste Klasse bekommen. "Es war die ganze Zeit voll laut. Die Kinder haben gar nicht zugehört. Lernen kann man da nichts. Frau S. (die Lehrerein) hat mir total leid getan.", lautete das Fazit meiner Tochter. Tolle Idee also, den Schulkindergarten abzuschaffen, Frau Ministerin Sommer. Im warmen Ministerstuhl in Düsseldorf hört und sieht man solches natürlich nicht.

Jetzt zurück zu Frau von der Leyen. Die Kindergartenzeit umfasst im Normalfall drei Jahre. Und die Betreuungsquote liegt in Deutschland bereits jetzt zumeist deutlich über 90 Prozent. Die Motivationen der Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten schicken ist dabei durchaus heterogen und als sicher kann gelten, dass auch die pure Aufbewahrung der Kids über einen definierten Zeitraum zu den maßgeblichen Gründen gehört. Sozial schwache und bildungsferne Schichten, die jetzt verstärkt in den Fokus der Frau von der Leyen geraten, hatten also auch bisher schon hinreichend Grund, ihre Kinder in den diversen Einrichtungen aufbewahren zu lassen. Meine eigenen Erfahrungen aus drei Jahren Vorstandsarbeit im Kindergarten bestätigen diesen Umstand auch.

Wenn also nun ein verpflichtendes Vorschuljahr gefordert und für notwendig erachtet wird, kann es dabei nur um den harten Kern der bisherigen Vollverweigerer gehen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Migranten und dort auch um eine relativ kleine Restgruppe von etwa 10 Prozent aller Migrantenfamilien. Diese sind scheinbar derart weit von allen gesellschaftlichen Prozessen entfernt sind, dass sie ihre Kinder nur dann in deutsche Einrichtungen schicken, wenn sie eine gesetzliche Verpflichtung, wie die allgemeine Schulpflicht, dazu zwingt.

Etabliert man nun diese Verpflichtung, wobei sich die Experten weitgehend einig sind, dass ein einjähriges Zwangsverbleiben kaum Auswirkungen auf den weiteren Sozialisationsprozess hat, also im Grunde sowieso zu kurz greift, wird man ähnliches erreichen, wie mit der Abschaffung des Schulkindergartens in NRW. Das bisherige Niveau, auf dem das Miteinander im Kindergarten basiert, wird – sagen wir es freundlich – verwässert. Am Ende hat niemand etwas davon. Weder die zwangsverpflichteten Kinder, noch und schon gar nicht die Kinder, die auch bislang schon freiwillig gekommen sind.

Und so bedeutet Chancengleichheit in Deutschland auch dieses mal wieder: Schlechtere Chancen für alle.

(Foto: www.pixelquelle.de / Fotograf: R. Schütz)

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