Das kann störend wirken. Wie im Taxi vom Flughafen Tegel nach Beusselstrasse zum Beispiel, als der knapp vor dem Rentenalter stehende, von mindestens zehn wetterabhängigen und zwanzig von allem unabhängigen Zipperlein geplagte Fahrer meine Hauttönung nach dem Spanienurlaub aus dem Rückspiegel heraus begutachtet. "In Berlin wern se nich braun – also derzeit. Is nur kalt inner Stadt." Ich nicke freundlich und wende mich demonstrativ meinem Handy zu. Dennoch fühle ich erneut, wie mich die Augen des Fahrers fest tackern. "Na wenigstens isset Benzin n bisschen runta. Eins fümunpfirsisch. Kriejen se ja nich so mit im sonnigen Süden, wa?" Ich erhebe das Haupt, schaue in den Spiegel und schüttele den Kopf – alles seeeehr langsam. "Auf Ibiza lag der Preis bei 1,27 fürs Normal", sage ich und bereue diesen Satz im gleichen Moment. Nun werde ich Zeuge der kompletten globalisierten Wirtschaftstheorie meines Taxifahrers, die bei Marx beginnt und bei Merkel endet. Die könne ja "oooch nüscht" am Preis machen, meint der Taxifahrer. Nun ja, denke ich – sie könnte die Ökosteuer zurück nehmen – wie sie es zu Schröders Kanzler-Zeiten immer so vollmundig angekündigt hat oder mir wenigstens meine Pendlerpauschale wieder voll gönnen (dass ich in diesem Leben tatsächlich noch einer Meinung mit der CSU sein würde, hätte mich vor einigen Monaten noch in die Selbstkasteiung getrieben!) Doch ich beiße mir auf die Zunge und verschlucke, lächelnd immerhin, die Gedanken. Sie werden keine Sätze. Als wir am Zielpunkt halten brummelt der Fahrer, von den "paar Kröten" käme er auch nicht über den Winter. "Nich ma in Berlin…dieser Hartz IV-Insel." Ich reiche ihm einen roten Euroschein und bedanke mich kurz. Als der Fahrer meine Reisetasche aus dem Koffer wuchtet, streift mich noch einmal sein Scann-Blick. "Na ja, wat red ick. Sie sind sicha nich von hier."
Am Winterfeldplatz lockt ein Supermarkt der besonderen Art. "Vinh-Loi" bietet frisches Gemüse, Sprossen und exotische Früchte, tiefgefrorene Teigtaschen, Krabben, Fisch und natürlich Konserven von der Kokosmilch bis zum Kim-Chi sowie Reis für alle Genuss-Varianten. Im hinteren Teil des Marktes steht eine Waage zur genauen Auspreisung loser Gemüseprodukte. Daran klebt ein kleiner Zettel: "Nicht selbst abwiegen. Bitte nichts drücken!" Ich sehe, wie eine Gruppe kleiner, reiferer Damen, jeweils mit einem Bund Mangold bewaffnet artig davor wartet. Die Damen kennen sich offenbar bestens. Ihrem Äußeren nach scheinen sie Chinesinnen oder Koreanerinnen zu sein – ich wage keine genauere Angabe. Sie quasseln fröhlich durcheinander – auf Deutsch übrigens. Niemand scheint sich allerdings um ihr Anliegen zu kümmern. Sie werden ungeduldig und nehmen dann die Sache in die Hand. Zwei Ladies winken nach einem kleinen Mann in einem angegrauten Kittel, der am anderen Ende des Marktes Maulaffen feil hält. Der Mangold muss schließlich ordnungsgemäß abgewogen werden. "Hallo!", rufen sie im Chor. "Kommen sie mal?" Kurze Pause. Dann wieder ein Ruf: "Wie lange sollen wir noch warten?" Endlich bewegt sich der kleine Mann mit den schwarzen Haaren und dem kleinen Oberlippenbart zur Waage, nimmt den Mangold an sich und wiegt ab. "Wenn sie noch jemanden zum Wiegen brauchen, sagen Sie es. Ich helfe gern", sagt die kleinste der drei Frauen. Der Mann lacht. "Ha, so is das heute. Keine Leute", stammelt er. Die Damen schütteln etwas erbost die Köpfe. Dann sagt eine mit hochgezogenen Augenbrauen: "Sie müssen mal Leute einstellen…die vernünftig Deutsch sprechen." Ich staune und muss lächeln. Sie setzt fort: "Dieses Durcheinander der Sprachen hier – das geht ja nicht. Wenn man etwas will, versteht einen keiner."
Der Händler verspricht freundlich Besserung und verabschiedet die Damen zur Kassse. Det ist Berlin, denke ich und greife zum Mangold – der sieht wirklich gut aus.
Ach – und noch etwas. Ich kannte vor Jahren einen jungen Mann etwas besser, der mir nicht nur ausgesprochen sympathisch entgegen kam, sondern eine Leidenschaft mit mir teilte, für die ich mich, trotz aller Anfeindungen im Freundeskreis, noch nie geschämt habe. So oute ich mich nun auch hier: ich liebe "Dynasty". Jawohl, ich mag die TV-Serie aus den Achtzigern mit ihren hanebüchenden Kleiderkollektionen, ihren schrottreifen Dialogen und grenzdebilen Handlungssträngen um den Ölbaron Blake Carrington und seine Krystle. "Dynasty" war und ist ein Traum von Serie, der beim Pay-TV-Sender Premiere noch bis in unsere Tage hinein immer wieder wiederholt wurde. Der erwähnte gute Freund hatte alle fast 300 Folgen der Serie auf Video aufgezeichnet. In seinem Wohnzimmerschrank drängten sich – ich will nicht lügen – sicher um die 150 Kassetten. Einige Male lagen wir einfach nur auf seiner Couch, um stundenlang die wohl absurdeste Telenovela ihrer Zeit zu kulten. Wie oft habe ich ihn um seine Sammlung beneidet. Nun naht endlich auch für mich Rettung. "Dynasty" oder auf jut Deutsch, "Der Denver-Clan" ist endlich als DVD-Sammlung zu haben. Die erste Staffel liegt als CBS-DVD-Box vor. Darauf der ewig lange Pilotfilm und die ersten Folgen aus 1981 – mit noch sehr einfach gestrickter Handlung und Vorspann. Alexis folgt dann, wie die Fans wissen, so richtig erst ab Staffel 2. Herrlich. Oder wie ich gerne sagte – Alexis for President!
Puschelöhrchen,deine Blogs sind total heimwehtauglich….schluchz….schöönn, ja so is et, det olle Bärlin wa….Ick dampfe jerade über die Obamania, soll ooch nen Blog werden, meen erster wa…..also dampf ick mal weita….tschöHasenkindPS Der aus Ibiza war ooch very nice, very nice.
Berlin ist schon etwas Besonderes. Beim Lesen deines Artikels muss ich auch gleich an einen der vielen Plätze denken. Spreewaldplatz, Kollwitzplatz etc. Kalt aber herzlich. Verglichen mit Paris oder London wirkt die Stadt noch immer anders und gleicht eher Kopenhagen oder Wien. Wenn der aussterbende Ur-Berliner dann aber erst anfängt zu erzählen…Ick sitz‘an‘Tisch und esse Klops uff eenmal klopptsIck staune kiecke, wundre mir, uff eenmal jeht se uff, die Tür. … dann weiss ich, wo auch meine Wurzeln liegen.