Umfrage: Deutsche haben Angst vor Verfall im Alter

75 Prozent der Deutschen haben laut einer repräsentativen Umfrage von TNS-Emnid Angst vor geistigem und körperlichem Verfall im Alter. Das berichtet Tagesspiegel online. Mich erstaunt immer wieder, dass das Alter in Deutschland nach wie vor mit Senilität, Inkontinenz und Siechtum gleichgesetzt wird. Es ist doch kein Naturgesetz, dass man im Alter tüddelig und wackelig werden muss, oder? OK, manche Dinge gehen etwas langsamer. Das sehe ich an meiner Frau Mama, eine muntere, geistig rege und fitte Frau von 78 Jahren. Sie mischt nach wie vor überall mit, lebt völlig selbständig und wird meiner Prognose zufolge mindestens 100 Jahre alt. Und das bei guter Gesundheit! Es gibt viele Menschen, die auch im fortgeschrittenen Alter noch Großes leisten können. Sie glauben es nicht? Ein Beispiel: Eine 94-Jährige hat jüngst in Adelaide ihren Abschluss in Medizin gemacht. Respekt!!!

Noch nie war die medizinische Versorgung so gut wie heute. Gleiches gilt für das Wissen um Präventionsmaßnahmen. Das hat für mich nichts mit teuren Anti Aging-Maßnahmen zu tun. Die Regeln für das Better Aging sind zugegebenermaßen alles andere als originell, doch sie funktionieren: Iss vernünftig, "turne bis zur Urne", halte deine grauen Zellen in Bewegung und pflege deine sozialen Kontakte. Führe auch im Alter ein sinnstiftendes Leben! Das alles sorgt dafür, dass man alle Chancen hat, auch jenseits der 60 ein halbwegs glückliches Leben zu führen. Meiner Meinung nach ist das auch keine Frage des Geldes. Altersarmut ist sicher ein Thema, doch ich vertraue darauf, dass in Deutschland niemand wirklich hungern muss. Schon gar nicht im Alter. 

Ich persönlich ärgere mich maßlos über die Horrorszenarien und Negativschlagzeilen à la "vergreisende Gesellschaft", die manche Gruppen gezielt betreiben. Auch das schürt die Angst vor dem Alter. Natürlich kann man so prima Versicherungsprodukte oder Gesundheitspakete verkaufen. Doch liegt es an uns, ob wir uns Angst machen lassen oder die Masche, die dahiner steckt, durchschauen. Es gilt, die gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern. Schuldzuweisungen, "Herdprämien" zur Erhöhung der Geburtenrate oder das permanente Angstmachen dienen nur dem Zweck, Fehler der Vergangenheit zu kaschieren und die Bürger gegeneinander auszuspielen. Alt gegen Jung. Rentner gegen Arbeitnehmer. Ost gegen West usw. Mal sehen, wann die Parteien endlich ihren Teil der Verantwortung übernehmen und aktiv gesellschaftspoltische Gestaltungsaufgaben übernehmen, anstatt seit 30 Jahren den Geburtenrückgang zu beklagen oder mal die Frauen und dann wieder die Männer dafür an den Pranger zu stellen, dass sie zu wenig Kinder in die Welt zu setzen. Liebe Politiker: Rentenkürzungen oder Abstrafaktionen für Kinderlose sind keine Zukunftskonzepte. Sorgt lieber dafür, dass mehr Menschen über 50 im Erwerbsleben bleiben und nicht als Langzeitarbeitslose in Rente gehen müssen. Und kümmert Euch um gesundheitliche Aufklärung, die motiviert und nicht mit dem erhobenen Finger daher kommt. Das ist keine Sozialromantik, sondern macht wirtschaftlich Sinn. Auch Unternehmer müssen umdenken, denn da weniger junge Menschen ins Arbeitsleben nachrücken, müssen Firmen (wohl oder übel) Konzepte entwickeln, um mit ihrer aktuellen Belegschaft älter zu werden, anstatt diese spätestens mit 50 auf Kosten der Allgemeinheit in den vorzeitigen Ruhestand zu verabschieden.

Vielleicht erlebe ich es ja noch, dass Menschen jenseits der 40 in Deutschland nicht länger um ihren Arbeitsplatz bangen müssen (siehe Studie Arbeit bis zur Rente ist selten auf FAZ.NET). 40-, 50- und 60-jährige Arbeitnehmer sind für ihre Unternehmen besonders wertvoll, denn sie haben Erfahrung, sind gereifte Persönlichkeiten und leistungsfähiger denn je. Außerdem sind sie meinen Erfahrungen zufolge nicht mehr so ich-zentriert und auf ihr persönliches Fortkommen fixiert. Sie wollen etwas im Unternehmen bewegen und sind gute Teamplayer. Eigentlich idiotisch, diesen Menschen aufs Abstellgleis zu schieben, oder? Auch die Gehirnforschung beweist, dass ältere Arbeitnehmer nicht automatisch geistig abbauen. Ein 50-Jähriger wird sich allerdings in einem Großraumbüro mit lauter Rap-Musik aus dem Radio nicht so gut konzentrieren können wir ein jüngerer Kollege. Man muss also lediglich das Umfeld entsprechend gestalten und für eine gute Work-Life-Balance sorgen. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es demnach keinen Grund für Altersdiskriminierung im Berufsleben. Deshalb liebe Chefs und Personalentscheider. Kümmert Euch um Eure Leute und deren Gesundheit. Und: Stellt Euch auf die demografischen Veränderungen ein. Lieber heute als morgen – sonst seht Ihr bald alt aus! 

3 Meinungen

  1. Hmm, ich denke, es ist beim Thema „Älter werden“ wie bei vielen anderen Themen auch: es gibt durchaus eine Reihe guter Gründe, um davor eine Angst zu entwickeln. Aber ebenso gibt es mehr als genug Gründe, um gerade dies nicht zu tun.Interessanterweise ist das negative, angstvolle Denken für unser Gehirn die leichtere Übung. Wenn wir also positiv denken wollen, z.B. in Richtung der reichhaltigen Chancen, die mit dem älter werden auch verbunden sind, müssen wir aktiv gegensteuern. Aber es lohnt sich. Und mit entsprechenden Denk- und Gesundheitsstrategien können wir eine Menge tun, um auch im Alter eine hohe Lebensqualität wenn nicht sicherzustellen, so doch stark zu fördern bzw. deren Wahrscheinlichkeit zu erhöhen.Markus Frey

  2. … negatives Denken fällt dem Gehirn leichter? Das war mir nicht bekannt, bestätigt aber persönliche Beobachtungen und Erfahrungen. Negative Gedanken nisten sich allzu schnell im Kopf ein. Manchmal reicht eine blöde Bemerkung und schon beginnt der kleine Horrorfilm im Kopf. Doch mit dem Älterwerden wird man irgendwie gelassener, bewertet manche Dinge neu bzw. anders und weiß, wofür es sich lohnt, aktiv zu werden. Zum Beispiel für positive Denk- und Gesundheitsstrategien, wie Herr Frey zu Recht meint. Vielen Dank für Ihren Input. Auf einer Geburtstagskarte habe ich neulich gelesen: Älterwerden ist nichts für Angsthasen. So ist es: Stell Dich deinen Dämonen bzw. Ängsten und Du wirst schnell merken, welches Potenzial noch in Dir steckt.

  3. @Deshalb liebe Chefs und Personalentscheider. Kümmert Euch um Eure Leute und deren Gesundheit. Und: Stellt Euch auf die demografischen Veränderungen ein. Lieber heute als morgen – sonst seht Ihr bald alt aus! Eine gute Message zum Schluss!!Vielen Rentnern in Deutschland geht es gut. Es fällt sofort auf, wenn man durch eine Kleinstadt in Deutschland schlendert. Wichtig im Alter (ab 60 // natürlich eigentlich das ganze Leben lang!!) ist, dass man aktiv bleibt // ist.Angst vor dem persönlichen Altern kann ich verstehen, wenn man im hübschen Gesicht immer mehr Falten sieht…

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