Transzendenz als Wurzel intelligenten Designs

Die aktuelle Debatte um das Intelligente Design ist eine moderne Variante des mehr als zwei Jahrhunderte alten Kampfes zwischen Naturwissenschaft und Religion – zwischen Wissen und Glauben. Ursprünglich galt dieser Kampf einigen wenigen Lichtpunkten am Himmel über uns. In diesem Kampf ging es um die Erklärung ihrer Bewegungsmuster. Wissenschaftler, wie Galileo Galilei behaupteten, dass ein wesentlicher Teil dieser Bewegungsmuster, speziell jene, die die Bewegungen der Planeten und der Sonne betrafen, seinen Ursprung in der Drehung der Erde um sich selbst hatte, während Vertreter der Kirche dieser Eigendrehung der Erde entschieden widersprachen. Ihrer Meinung nach war die Erde das ruhende Zentrum des Universums. Die Bewegungsmuster am Himmel erklärten sie als das Ergebnis rotierender Kristallsphären.

Der heutige Kampf zwischen Naturwissenschaft und Religion operiert in einem erkenntnistheoretisch und inhaltlich sehr viel unübersichtlicheren Gebiet.

Heute geht es um biologische Wesen – und biologische Wesen zeichnen sich durch Bewegungsmuster aus,  die um ein Vielfaches komplexer und spezifischer sind als die der Planetenbahnen. Aufgrund eben dieser komplexen und spezifischeren Struktur von Lebewesen halten Verfechter des Intelligent Design die Existenz einer übernatürlichen Ursache für wissenschaftlich gerechtfertigt. Sie argumentieren, dass sich diese komplexen Strukturmuster nicht durch innerweltliche resp. natürliche Ursachen allein erklären lassen.

Gegner des Intelligent Designs halten dieses Argument hingegen für nicht stichhaltig. Am Beispiel des menschlichen Auges zeigen sie, dass seine Struktur  zwar äußerst komplex und spezifisch ist, dass sich aber auf dem Weg zu dieser Struktur primitivere Zwischenschritte in der evolutionären Entwicklung nachweisen lassen, beginnend beim Flachauge, sich fortsetzend über das Grubenauge – und schließlich in jenes komplexe Linsenauge einmündend, dessen wir uns heute erfreuen können.

Obwohl man als moderner, aufgeklärter Europäer geneigt ist, diesem kritischen wissenschaftlichen Standpunkt zu folgen, so berührt er dennoch eine bis heute nicht befriedigend beantwortete Frage: Spielt eine übernatürliche Ursache bei der natürlichen Strukturbildung eine Rolle – ja oder nein?

Die moderne Naturwissenschaft hat diese Frage einfach ausgeklammert – und zwar mit dem Argument, dass sich eine solche übernatürliche Ursache bislang nicht auf eine wissenschaftlich strenge Weise hat definieren lassen. Wie die bisherigen Überlegungen in den letzten blogs jedoch gezeigt haben, ist eine solche Definition sehr wohl möglich. Sie zeigen, dass die Annahme eines absoluten, transzendenten Grundes dem physikalischen Universum in irreversibler Weise ganz spezifische Strukturbedingungen diktiert haben könnte. Eine dieser Strukturbedingungen haben wir bereits kennen gelernt – es ist die „Koinzidenz des Kleinsten und des Größten". Sie zeigt, welche strukturelle Rahmenbedingung das physikalische Universum erfüllen muss, wenn es auf einem absoluten, transzendenten Grund basieren will.

Von dieser Warte her ist Intelligent Design ein grundlegend vernünftiger Gedanke: Eine moderne Metaphysik würde bestätigen, dass das Universum ohne die Annahme eines übernatürlichen Grundes nicht vollständig erklärbar ist, aber sie würde eine ganze Reihe von neuen Fragen aufwerfen. Fragen wie: Wird die gemutmaßte übernatürliche Ursache am Ende wirklich der christliche Gott sein? Welche weiteren naturwissenschaftlichen Botschaften birgt diese übernatürliche Ursache in sich? Und in welcher Beziehung steht sie zu uns? Welche existenziellen Implikationen hat sie? Ist unsere wahre Essenz unsterblich? Ist uns das Paradies schon zu Lebzeiten versprochen? All dies sind Fragen, die ich in irgendwelchen künftigen blogs mit Euch ausloten möchte.

Zuvor möchte ich noch einmal einen Punkt deutlich machen, denn von diesem Punkt hängt alles ab. Wer diesen Punkt nicht versteht, versteht nicht das Wesen einer modernen Metaphysik.

Obwohl der Koinzidenz des Kleinsten und des Größten, wenn man erst einmal um sie weiß,  ein vergleichsweise einfaches Erklärungsmuster zugrunde liegt, ist dieses Erklärungsmuster Ausdruck eines vollkommen neuen Paradigmas. Es repräsentiert mit Blick auf das Übernatürliche einen völlig neuen Denkrahmen. Es zeigt, dass Transzendenz in bezug auf das physikalische Universum spezifische Strukturbedingungen zur Folge hat.

Obwohl wir uns seit mehr als zwei Jahrtausenden mit Transzendenz beschäftigen, ist dieser einfache Gedanke bis heute noch nie gedacht worden – zumindest nicht in einer systematisierten Form. Das traditionelle Paradigma ist immer der gegenläufigen Erklärungsrichtung gefolgt.

Ein klassisches Beispiel sind die von Thomas von Aquin formulierten Gottesbeweise. In ihnen ist von gewissen gegebenen innerweltlichen Strukturbedingungen auf etwas Transzendentes als ihrer Möglichkeitsbedingung geschlossen  worden. Obwohl dieses traditionelle Erklärungsmuster dem o.a. Erklärungsmuster sehr zu ähneln scheint, so ist doch der Unterschied zwischen Muster beträchtlich. Nur das neue Erklärungsmuster bildet die ontologischen Verhältnisse korrekt ab: Es macht deutlich, dass das Transzendente dem Universum in unumkehrbarer (asymmetrische) Weise eine ganz spezifische Struktur aufzwingt. Nur wenn man diesem Gedanken folgt, setzt man sich man aktiv mit dem physikalischen Universum auseinander, und zwar auf einer wirklich fundamentalen Ebene. Und nur auf diesem Wege sind auch substanziell neue Einsichten über das Universum möglich.   

Folgt man hingegen der traditionellen Erklärungsrichtung, dann bleibt man in der Regel dem Wissen seiner Zeit verhaftet. Dies zeigt sich sowohl an der Beweisstrategie des Thomas von Aquin wie auch an den Vertretern des Intelligent Designs. Es sind überwiegend reproduktive Denker. Sie haben nicht wirklich realisiert, wie revolutionär das Transzendente als Idee ist. In der Tat ist es, wie ich behaupten möchte, die revolutionärste Idee überhaupt – mit einem bislang kaum ausgeschöpften Erkenntnispotential. 

Angesichts eines solchen Potentials fragt man sich unwillkürlich, warum Philosophen und Theologen immer der reproduktiven Erklärungsrichtung gefolgt sind.  Dahinter verbirgt sich, wie bereits andernorts erwähnt, der fast an Besessenheit grenzende Wunsch, die Existenz eines transzendenten Grundes beweisen zu wollen. So verständlich der Wunsch ist, die Existenz des ultimativen Grundes der Welt  nachweisen zu wollen, am Ende ist es jedoch genau dieser Wunsch, der uns blind dafür gemacht hat, dass die Lösung zu diesem Rätsel in genau der entgegengesetzten Richtung zu suchen ist. Um die Existenz des Transzendenten plausibel beweisen zu können, muss man es erst einmal loslassen – und eben diesen Akt des Loslassens haben wir auch nach mehr als zwei Jahrtausende Philosophiegeschichte nicht wirklich geschafft. Was wir heute in der Philosophie beobachten, ist mehr oder minder nur Trauerarbeit; in manchen Fällen spüren wir sogar so etwas wie einen posttraumatischen Kulturschock. In keiner anderen Zeit ist die Sinnfrage so drängend gestellt worden wie heute – in einer als postmetaphysisch geltenden Epoche.

SOMMERPAUSE. Nach dieser Pause – irgendwann im August – werde ich der Frage nachgehen, ob eine moderne Metaphysik nur ein Wunschtraum ist, oder ob sie ihre Wurzeln wirklich in der Welt der Fakten hat.

Eine Meinung

  1. Robert Pattinson

    Sorry wenn ich das so schreibe, aber die Schuhe sehen DOCH aus wie Oma-Treter – aber die sind bestimmt praktisch kann ich mir vorstellen.

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