Denn letztlich gewinne da immer ich… Wie alle anderen Zuschauer: die Literaturbetriebs-Sommerfrischler direkt mit im ORF Landesstudio Kärnten. Und auch alle die, die per Internet dabei sind oder über 3sat (bzw ORF). Nicht jede(r) kann mitmachen, aber jede(r) dabei sein. Und währenddessen den absurdesten größten Spaß seit dem Eurovision Song Contest gewinnen.
Was natürlich nur funktionieren kann, wenn man nichts, was damit zu tun hat, überbewertet und kaum etwas wirklich ernst nimmt. Vor allem nicht die Juroren und auch die Teilnehmer (und ihre Vorstellungsfilmchen) nur ein ganz kleines bisschen. Das Bühnenbild nicht (in diesem Jahr: handgewobener Stoffreste-Teppich) und nicht die lustig-müden Interviews, mit denen in der Fernsehübertragung die Pausen überbrückt werden. Nein, in Klagenfurt wird weder irgendwas neu erfunden, noch ein wirklich repräsentativer Querschnitt deutschsprachiger Gegenwartsliteratur geboten. Wie sollen 18 kleine Lesungen so etwas auch bieten können? (Aber genau das wird ja immer wieder gern bemeckert.) Es wäre ja auch eine Art Armutszeugnis, ganze Autorenjahrgänge auf drei tolle Tage in Klagenfurt eindampfen zu können.
Okay, es ist ein nicht unwichtiger Wettbewerb, der zweifellos Namen machen und Bücher verkaufen kann. Und der eine oder andere Euro ist ja auch im Spiel. Seinerzeit orientierten sich die Erfinder an der „Gruppe 47" und kreierten das Spektakel, das die deutschsprachige Gegenwarts-Literaturwelt seitdem in jedem Frühsommer in rituellem Atem halten sollte. Viele der derzeit „großen Namen" (z.B. F.Zaimoglu, J.Zeh, I. Schulze oder S. Stanisic) waren dabei und es hat ihnen nicht geschadet. Aus diesen Generationen fällt mir spontan nur Daniel Kehlmann als jemand ein, der es auch ohne Klagenfurt „ganz nach oben geschafft hat".
Aber es ist vor allem auch ein Zirkus. Und das macht mir Spaß. Wieder werde ich mich hinreißen lassen, über die Teilnehmer zu motzen, zu kichern, mit den Augen zu rollen und sie zu belächeln. Oder über sie zu staunen, anerkennend zu nicken, ihnen zu applaudieren oder sie gar vorübergehend(!) ein bisschen anzuhimmeln. Wirklich anstrengend sind nur die dazwischen. Die, die nicht wirklich schlecht sind, nur austauschbar und langweilig. Aber das wiederum eröffnet Möglichkeiten zur Analyse von Klamotten, Frisuren, Dialekten und was sonst noch so vom Text ablenken kann. Zur Not kann man immer noch (wenn die Regie es einem gönnt) das Publikum beim Umblättern und Gähnen, beim Schwatzen und Einnicken beobachten. Um auf meine Kosten zu kommen, muss ich niemandem dabei zusehen, wie er sich die Stirn aufritzt, um sein Manuskript voll zu bluten. Nein, mir reichen schon gute und schlechte Texte plus ein paar möglichst polemische Juroren. Und schließlich der Höhepunkt: die teils wunderbar alberne Jury-Abstimmung die einzelnen Preise betreffend.
Nie ist mein Fernsehprogramm so lang(sam) wie in diesen Tagen. Nie so lo-fi und anachronistisch. Lange bewegt sich nicht viel, dann ein bisschen mehr und dann wieder wenig. Und über all dem liegt dennoch ein dramatischer Hauch von Schweiß und Tränen. Ich gratuliere mir schon jetzt zu den bevorstehenden Stunden grotesker bis bester Unterhaltung, in denen ich mich zurücklehnen und das Wettlesen auf mich wirken lassen kann. Am Samstag darf ich per Mail meine Stimme zum Publikumspreis abgeben. Dann werden interessierte Zuschauer wie ich sowieso schon längst gewonnen haben. Jede Menge Belustigung, Kurzweil (zugegeben: mitunter auch das Gegenteil) und Klugscheißer-Vergnügen. Dabei sein ist alles!
Natürlich bin ich auch gespannt, wo sich der Bachmannpreis, der ja nun schon eine Weile nicht mehr so heißen soll, aber meist konsequent weiter so genannt wird, im Jahr 1 nach Kathrin Passig positioniert. Dieses Mal werden unter den 18 Teilnehmern nur 4 Frauen, 3 ÖsterreicherInnen und 1 Schweizer im Studioscheinwerferlicht schwitzen. Sie werden auf der ansprechend gestalteten Wettbewerbs-Website vorgestellt. (Später können dort auch die einzelnen Lesungen/Diskussionen angesehen werden.) Mir persönlich ist derzeit ziemlich egal, wer die Preise gewinnen wird. Dennoch begeistert mich in aller Vorfreude die Frage der Riesenmaschine: Wie stehen die Klagenfurt-Aktien? Und ich schmunzele mal wieder über die Emotionalität, die sich im Anti-Bachmann-Preis-Manifest ausdrückt. Auch anderenorts wird zur Zeit wieder süffisant betont, wie langweilig, überholt und, nun ja, blöd dieser vielzitierte „Branchenbetriebsausflug" sei und dass sich ja sowieso niemand mehr dafür interessieren würde.
In diesem Sinne: Let the games begin!
"Mein" Klagenfurt 2007: Teil I – Teil II – Teil III – Teil IV – Teil V
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