Natürlich haben deutschsprachige Autoren manchmal Heimvorteil in einer Krimi-Bestenliste, wie sie die Jury der ZEIT Monat für Monat mit großem Sachverstand zusammenstellt. Und so sind gleich vier deutsche Autoren auf der neuen Liste zu finden. Dazu kommen zwei US-Amerikaner, ein Mexikaner, ein Ire, ein Schotte und – einzige Frau! – eine Französin. Eine hübsche Mischung, die uns nur fragen lässt: Was ist eigentlich mit Afrika, Australien und Asien? Kommt da nichts? Oder taugt das nichts? Wir werden sehen, was der Dezember bringt… Jetzt aber erst einmal der aktuelle Check: Sind die zehn Titel allesamt lesenswert oder nicht?
1 (-)Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil (Limes)
2 (3) William McIlvanney: Fremde Treue (Kunstmann)
3 (6) Antonio Ortuño: Dıe Verbrannten (Kunstmann)
4 (4) James Lee Burke: Glut und Asche (Heyne)
5 (1) Friedrich Ani: Der namenlose Tag (Suhrkamp)
6 (9) Seamus Smyth: Spielarten der Rache (Pulpmaster)
7 (-) Oliver Bottini: Im weißen Kreis (Dumont)
8 (-) Dennis Lehane: Am Ende einer Welt (Diogenes)
9 (10) Michael Fehr: Simeliberg (Der gesunde Menschenversand)
10 (-) Christoph Peters: Der Arm des Kraken (Luchterhand)
Keine besondere Überraschung ist die neue Spitzenreiterin: Neueinsteigerin Fred Vargas hat mit „Das barmherzige Fallbeil“ einen Roman geschrieben, der seinem läppischen Titel zu trotzen weiß. Zum 11. Mal schickt Vargas ihren Kommissar Adamsberg in eine Morduntersuchung, diesmal bis nach Island, wo ein alter Fall auf ihn wartet. Was die erfrorenen Touristen mit einer aktuellen Mordserie in Paris zu tun haben? Lesen Sie selbst, es lohnt sich. Wertung: +++
Auf Platz 2 folgt ein Liebling der Germanblogs-Redaktion: Der Schotte William McIlvanney mit dem Abschluss seiner Laidlaw-Trilogie. Zwar wechselt McIlvanney die Erzählperspektive von der dritten in die erste Person, sonst aber ist auch bei „Fremde Treue“ alles beim (guten) Alten geblieben. Vor allem Laidlaw, der renitente Kommissar selbst, der wieder einmal tief in die Abgründe der menschlichen Seele schaut – und dort immer noch ein Restgutes zu entdecken vermag. Nur den deutschen Titel seines im Original bereits 1991 erschienen Romans, den hätte er endblöd gefunden. Wertung: +++
In Mexiko geht es nicht immer nur um Drogen, wie man nach der Lektüre von zu vielen Don-Winslow-Krimis denken könnte. Man hat hier ebenfalls Probleme mit Flüchtlingen, für die der logische Weg in die USA durch Mexiko geht, wie „Die Verbrannten“ von Antonio Ortuño zeigt. Zum Beispiel durch Santa Rita, ein fiktives Städtchen im Süden des Landes, wo es zu einem Massaker kommt. Und dann zu einem weiteren… Ein fieser kleiner Roman, der sich fast wie ein Kammerspiel nur um eine Handvoll Personen dreht, aber dennoch den Blick in eine ganz, ganz fremde Welt öffnet. Wertung: +++
Erneut auf Platz 4 kommt James Lee Burke ins Ziel. Sein Roman „Glut und Asche“ hat durchaus auch einiges zum Thema Flüchtlinge zu sagen. Die sind hier, im texanischen Süden der USA, nicht unbedingt willkommener als anderswo – auch wenn sie nicht gleich abgefackelt werden wie in Santa Rita. Burke hat ein gewaltiges Panorama geschrieben, mehr Variation als Fortsetzung seines vor einem Jahr auf Deutsch veröffentlichten Vorgängers „Regengötter“. Burke schreibt wie ein großer Weiser, ein Mann, der die Dunkelheit gesehen, sich aber für das Licht entschieden hat. Wertung: +++
Und damit zu Platz 5 und dem ersten Deutschen auf der Liste: Friedrich Ani hat mit „Der namenlose Tag“ zwar einen neuen Ermittler eingeführt, aber ansonsten einen typischen Friedrich-Ani-Roman geschrieben. Und das ist auch gut so. Nur unsensible Menschen langweilen sich bei der stillen Art und Weise, wie Ani über die Aufklärung eines lange zurückliegenden Todesfalls schreibt, der eigentlich fast niemanden mehr interessiert – und dann doch einige angeht. Wertung: ++++
Voll die Härte ist Seamus Smyths „Spielarten der Rache“. Düster, schonungslos und komplex erzählt Smyth seine Geschichte, in der es um einen Mann geht, der Rache an denjenigen üben will, die ihn und seinen Bruder vor vielen Jahren ins Waisenhaus verfrachten ließen. Und dann ist da noch ein ziemlich krasser Serienkiller… Komischerweise in Irland noch nicht veröffentlicht, ist dieses Buch zwar schwer verdaulich, aber eine lohnenswerte Lektüre. Wertung: +++
Gern gesehener Gast in der Top Ten der ZEIT ist Oliver Bottini. Nachdem sein Roman „Ein paar Tage Licht“ im vergangenen Jahr Berlin, Algerien und die deutsche Provinz verband und zu der nicht ganz neuen Erkenntnis kam: Der Tod ist ein Exporthit aus Deutschland, kehrt er zurück nach Freiburg, wo seine Reihe um die sperrige Polizistin Louise Boni spielt. Und im Schwarzwald lauern die Nazis, und die sind echt fies. Und dann kommt auch noch die Russenmafia dazu. Und der Staatsschutz hat auch Dreck am Stecken… Kann man, muss man aber nicht lesen. Wertung: ++
Da greifen wir doch lieber zu Dennis Lehane, Amerikas Meistererzähler. Zwar nicht allzu spektakulär, aber jederzeit unterhaltsam und clever bringt er seine Trilogie um die Familie Coughlan zu einem Abschluss. Wie schon im Vorgängerroman „In der Nacht“ konzentriert Lehane sich in „Am Ende einer Welt“ auf Joe Coughlin, der Outlaw, der nie erwachsen werden wollte – inzwischen aber zum Großkriminellen aufgestiegen ist. Und immer noch glauben möchte, dass er kein schlechter Mensch ist. Ist er natürlich, aber sonst wäre „Am Ende einer Welt“ auch kein gutes Buch. Wertung: +++
Am Ende der List wird es dann wieder etwas obskurer, auf Platz 9 ist „Simeliberg“ von Michael Fehr zum zweiten Mal platziert (und von uns immer noch nicht gelesen), auf Platz 10 folgt mit „Der Arm des Kraken“ von Christoph Peters ein Buch, das angeblich viel über ein Berlin erzählt, von dem die Menschen, die dort leben, gar nichts mitkriegen: mit Yakuza und vietnamesischer Mafia und allem Pipapo – hätte wohl eine Chance verdient, auch wenn es der scheidenden „FAZ“-Literaturfrau Felicitas von Lovenberg, alles andere als eine ausgewiesene Krimikennerin, wohl ganz gut gefallen hat. Vielleicht aber auch nicht, da hält sie sich bei ihrer Rezension bedeckt, versteckt Meinung hinter mäandernden Sätzen. Oder wissen Sie mit dem Folgenden etwas anzufangen? „Angerichtet wird das Blutbad, von Peters so deutlich wie dezent gehandhabt, von einem Samurai-geschulten Profikiller namens Fumio Onishi, der den Tod Yukis nicht nur im Namen der Yakuza rächen, sondern auch herausfinden soll, auf welche Geschäfte sich Yuki eingelassen hat und warum er sterben musste.“ Nicht? Dann freuen wir uns, Sie in einem Monat wieder bei Germanblogs zum Krimi-Check begrüßen zu dürfen! Wertung: keine