Schwache Verkehrsteilnehmer, also solche mit nur der körpereigenen Knautschzone, bei Zusammenstößen mit Kraftfahrzeugen besonders gefährdet. Deren zunehmende Automatisierung kann die Anzahl der Verkehrstoten in Deutschland weiter verringern.
Im Rahmen der Berliner Erklärung am 27.11.2017 in Berlin wurden von anerkannten Sicherheitsexperten Kurzstatements zur Auswirkung der Automatisierung auf die Sicherheit der verschiedenen Verkehrsteilnehmer im Jahr 2030 referiert und erörtert. Die Kernaussagen dieser Diskussionsrunde hat Prof. Dr.-Ing. Steffen Müller, Fachgebiet Kraftfahrzeuge, TU Berlin in seinem Statement zur Pressekonferenz anlässlich des „Expertenmeetings zum Status Berliner Erklärung (BE) des VDI zur Fahrzeugsicherheit 2017“ / der VDI-Tagung „Fahrzeugsicherheit 2017“, im Folgenden zusammengefasst.
Gesteigerte Ablenkung und besserer Fußgängerschutz
„Die Anzahl der getöteten Fußgänger ist im Vergleich zu 2010 ungefähr konstant geblieben. Fast zwei Drittel aller tödlichen Fußgängerunfälle resultiert aus Kollisionen mit Pkw. Bis 2030 wird sich der Anteil älterer Fußgänger noch weiter erhöhen und die Gefahr durch Ablenkung wird zunehmen. Auf der anderen Seite werden 2030 aber verschiedene Automatisierungsfunktionen zu einem verbesserten Fußgängerschutz führen. Es ist davon auszugehen, dass sich hierdurch die Anzahl von tödlichen Fußgängerunfällen signifikant verringert. Automatische Notbrems- und Ausweichfunktionen, adaptive Lichtsysteme und auf Car-2-X basierende Fahrzeug- und Infrastrukturfunktionen werden die Fußgängersicherheit beim Überqueren der Straße, bei Dunkelheit sowie bei Ablenkung bzw. verminderter Reaktionsfähigkeit des Fahrers erhöhen.“
Schwache Verkehrsteilnehmer und die Elektromobilität
„Ältere Fahrer verunglücken überproportional häufig durch eigenes Fehlverhalten in komplexeren Verkehrssituationen, wie sie beispielsweise an Kreuzungen auftreten. Fahrerassistenzsysteme, die 2030 in einer Vielzahl von Fahrzeugen verfügbar sein werden, können hier helfen, sind dabei für ältere Fahrer aber nicht nur von Nutzen. Die Interaktion unterschiedlicher Systeme kann zu einer Ablenkung oder sogar Überforderung führen. Eine Studie zeigt, dass die Wirksamkeit vieler Fahrerassistenzsysteme bei älteren Fahrern abnimmt. Neue Risiken für ältere Verkehrsteilnehmer ergeben sich auch aus der in 2030 stärkeren Verbreitung von Elektrofahrzeugen, die akustisch weniger gut wahrgenommen werden können. Eine Erhöhung des Nutzens von Fahrerassistenzsystemen in 2030 wird durch eine altersgerechte Parametrierung erreicht werden.“
Gute Aussichten für die Biker-Zunft
„Das Motorrad wird auch 2030 ein wichtiger Bestandteil der Mobilitätsinfrastruktur sein, insbesondere in großen Städten. Die Unfallzahlen der letzten 10 Jahre zeigen einen leicht abnehmenden Trend, eine Halbierung bis 2030 wird nicht erreicht werden. Bis 2030 werden neben eCall und ABS weitere Fahrerassistenzsysteme zur Erhöhung der Fahrsicherheit verfügbar sein, beispielsweise Kurven-ABS und Notbremsassistenz. Für die Vermeidung von Kollisionen und selbstverschuldeten Unfällen, die gerade bei Motorrädern eine wichtige Rolle spielen, werden 2030 Kommunikation und Vernetzung entscheidend sein.“
Radelnde Verkehrsteilnehmer zunehmend gefährdet
„Die Analyse von Unfällen mit Fahrrad und Pedelec zeigt, dass das Risiko einer schweren Verletzung für Pedelecfahrer zwei Mal so hoch ist wie bei verunglückten Fahrradfahrern. Das Risiko einer tödlichen Verletzung ist sogar vier Mal so hoch. Schwere Unfälle ereignen sich insbesondere in Einbiege- und Kreuzungssituationen. Der Anteil der über 65-Jährigen ist bei den getöteten Pedelecfahrern doppelt so hoch, wie bei den getöteten Fahrradfahrern. Eine Reihe von Maßnahmen würde dazu beitragen, die Fahrzeugsicherheit von Fahrrädern und Pedelecs bis 2030 zu erhöhen, beispielsweise die Verbesserung der Sichtbarkeit, Helmpflicht, die Kennzeichnung von elektrifizierten Zweirädern und die Einführung von Radverkehrsanlagen.“
Bilder: ©Arild Eichbaum