Subway – in jeder Einkaufspassage, in jeder Fußgängerzone – der kleine Snack zwischendurch, Butterbrot auf amerikanisch.
Nach einem Einkaufshalbmarathon stehen wir, mein Angetrauter und ich, vor der Scheibe des oben angegebenen Etablissements und drücken uns die Nasen an der bodentiefen Panoramascheibe platt. Die bunte Speisekarte sieht nett aus, Lust auf ein Baguette haben wir auch. Lust? Hunger! Ich hab‘ Hunger, mir baumelt der Magen irgendwo zwischen den Waden!
Eine lange Frischtheke mit diversen Ingredenzien. Einen halben Meter davor, entlang der Theke, ein schwarz-weißes Band zur Absperrung, so wie im Phantasialand „ab hier noch 30 Minuten Wartezeit“. Stellt man sich eben an der anderen Seite an. Wir sind jung und flexibel, ätsch!
Draußen haben wir uns bereits ein Butterbrot ausgesucht, damit es bei der Bestellung schneller geht. Nichts ist nerviger als der Typ vor einem, der sich nicht für „sour cream“ oder „cheese and onion“ entscheiden kann und stundenlang auf die Karte über ihm starrt.
Ich trage also laut und gut artikuliert meine Bestellung vor „Einmal die Nummer Sieben, Chicken Teriyaki, bitte“ und sehe mich bereits 3 Minuten später in die Schnitte beißen.
„15 oder 30? 30 cm kosten nur 2 Euro mehr!“ klärt mich der freundliche Mitarbeiter, dessen Hände in Plastikhandschuhen stecken und eifrig in der Auslage herumwühlen, auf.
„Ich wollte eigentlich nur die Nummer Sieben, nicht fünfzehn oder dreißig“ antworte ich irritiert.
„Zentimeter!“ erwidert er lächelnd „Die Größe. Möchten Sie ein Sub in 15 oder 30 cm haben?“
Jetzt verstehe ich – normal oder maxi – kann der das nicht gleich sagen? „Ok, dann nehme ich 30. Ich hab‘ großen Hunger“, entscheide ich. Er nickt.
„Möchten Sie Sesam, Italian, Honey Oat oder Parmesan-Oregano?“
Mein Blick bringt ihn ein wenig aus der Fassung.
„Die Brotsorte. Welche Sorte hätten Sie gerne?“ dabei zeigt er auf eine bunte Tafel, die auf der Theke steht.
Die Worte auf der Tafel verschwimmen leicht vor meinen Augen. „Sesam“ brülle ich noch rechtzeitig, bevor der Jüngling mich für komplett inkompetent hält.
„Getoastet oder Natur?“, fragt er wieder. Ich raufe mir die Haare. „Getoastet“ schleudere ich ihm entgegen. Er nickt wieder und schiebt die Stange Brot in einen Ofen, der hinter ihm steht. Einen Moment Verschnaufpause, den ich dringend brauche. Mein Magen äußert sich lautstark. Ich rede beruhigend auf ihn ein und beobachte mit diebischem Vergnügen, daß der weltbeste Ehemann rot anläuft, ob der Fragerei.
Pling macht es. Mein Brot kommt frisch getoastet und dampfend aus dem Ofen. Bei Hunden würde jetzt ein Schleimfaden aus der Lefze herausschauen, ich kann mich gerade noch beherrschen.
Der plastikbehandschuhte Angestellte lupft den lose aufgelegten Deckel eines der vielen Behältnisse in der Theke und holt heißes Hähnchenfleisch, eingelegt in Soße, heraus und verteilt es malerisch auf dem geöffneten Baguette. Endlich, es kann sich nur noch um Sekunden handeln, bis dieses Ding in meinem gierigen Schlund verschwinden wird.
„Salat, Tomate, Gurke?“
Langsam denke ich, er will mich ärgern. „Alles!“, antworte ich böse.
„Zwiebeln, Peperoni, Oliven?“
Mit meiner souveränen Haltung ist es nun vorbei. „Nichts!“ weine ich und trommle mit den Fäusten auf die Theke, was den Kevin oder Jakob dort oben nicht im geringsten beeindruckt. Ungerührt verrichtet er sein Tagwerk.
„Honey Mustard, Sweet Onion, Mexican Southwest, Asia oder Ceasar?“
„Ich will was zu essen! Und nicht stundenlang vorher Entscheidungen treffen. So eine Auswahl können Sie einem Menschen über 30 doch nicht zumuten! Mein Kopf platzt gleich, weil dort gerade 34.576 Variationen für Ihre Mundöffner mit den versteckten Fetten rotieren! Ein einfaches, belegtes Baguette! Butterbrot! Schnitte! Stulle! Irgendwas!“ Heulend, brüllend, kreischend werfe mich vor Wut auf den Boden. Der weltbeste Ehemann erbarmt sich, zieht mich an den Haaren wieder hoch und redet beruhigend auf mich ein.
Das hilft und ich robbe mich stöhnend an der Theke hoch und auf Knien flehe ich ergeben „Suchen Sie was aus!“
Leider ist das Plastikhändchen damit überfordert, und will mir meine Entscheidung partout nicht abnehmen. Typisch die Jugend von heute, kein Ei in der Hose. Pah! Aber er zeigt mir wieder ein Schild. Blind tippe ich auf irgendeinen Punkt auf der Karte, die ebenso aussieht wie die Brotsortenkarte. Wieder nickt das Ungeheuer über der Glasfront und träufelt aus einer Flasche eine gruselige Flüssigkeit auf das schmackhafte Kalorienhäppchen.
„Zum Mitnehmen oder….“, er hält inne, als er meinen blutunterlaufenen Augen sieht und den Schaum vor meinem Mund. Wortlos packt er die Stulle ein und legt sie auf ein Tablett. Als Kompromiss sozusagen.
Um mich wird es schwarz. Als ich wieder aufwache, krabble ich zitternd zur Kasse und bezahle 258 Euro und 48 Cent. Der weltbeste Ehemann nimmt das Tablett in die eine und mich an die andere Hand und schreitet langsam und vorsichtig zur nächstgelegenen Sitzgelegenheit, wo er mich behutsam ablädt. Er befreit das Kiefersperre verursachende Brötchen vom unnötigen Papier und hält es mir fürsorglich vor den ausgetrockneten Mund. Mit allerletzter Kraft beiße ich einen Bissen ab und meine Lebensgeister erwachen wieder.