Die Kinder sind mehr oder weniger aus dem Haus und man weiß nicht so richtig etwas mit sich anzufangen. Der Haushalt wird von einer Fachkraft erledigt, immer kann man ja nicht Urlaub bei der High Society auf Sylt machen – man wird nicht mehr gebraucht.
So scheint es Trixi von Dörnberg gegangen zu sein, als sie sich entschloss, ihr großes Anwesen für die Kinder anderer zu öffnen. Zunächst für ein „Sommercamp auf dem Land“, dann für einige als neues Zuhause. Es wirkt auf jemanden, der den deutschen Bürokratiedschungel kennt, etwas unglaubwürdig, wie Frau von Dörnberg zu ihrer Schar von Pflegekindern kam. Auch wird nicht ganz klar, auf welche Weise das Aufnehmen von jemanden, der zur Sorte „Schlimme Jungs“ gehört, honoriert wird. In monetärer Hinsicht.
Doch es sei, wie es ist, Trixi von Dörnberg hat sich ihr pädagogisches Geschick, über das sie zweifelsohne zu verfügen scheint, selbst angeeignet. Durch die Erziehung ihrer eigenen Kinder, aber auch durch Reflektieren von Situationen, Gefühlen und Stimmungen.
Die Regeln der Frau von Dörnberg
In ihrem Haus gibt es Regeln und die gilt es einzuhalten – denn auf dreckige Teller unter dem Bett wird hier kein Wert gelegt. Aber die Regeln scheinen sich in Grenzen zu halten. Es geht dieser Frau eher darum, Jugendlichen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, „verrannt“ haben, wieder auf den rechten Weg zu bringen. Ihnen zu zeigen, dass sie bis zu einem gewissen Maß Verständnis finden können. Und der Welt damit zu zeigen, dass es doch eigentlich ganz einfach ist: Ein bisschen Zuneigung, Zeit zum Zuhören, gemeinsame Mahlzeiten und die eine oder andere unumstößliche Regel und schwuppdiwupp haben wir ein Kind, das hungrig nach Liebe sein Wesen öffnet und zu einem anständigen Erwachsenen heranwächst. Feine Sache!
Ratschläge erteilt Frau von Dörnberg in „Schlimme Jungs“ ja nicht, sie erzählt lediglich von ihren Erfahrungen. Detailliert bis in den letzten Dialog – mit einem Tagebuch als Grundlage. Ob sie damals schon mit dem Gedanken gespielt hat, dieses Buch zu verfassen, man weiß es nicht. Davon abgesehen fragt man sich, welches Zweck ein Buch wie dieses hat. Ist es zur Unterhaltung gedacht, als Aufmunterung oder um anderen zu zeigen, was für eine Erziehungspleite sie selbst veranstalten, obwohl es doch so einfach ist? Auch das weiß man nicht so ganz genau. Hier entsteht Interpretationsspielraum vom Feinsten.
Fazit: Kann man lesen, kann man aber auch bleiben lassen.
Für die reine Unterhaltung gibt es in diesem Sommer deutlich Besseres und als Erziehungshilfe ist es nicht geeignet. Da sollte man sich in dieser Altersklasse dann vielleicht doch lieber an Jan-Uwe Rogge halten. Oder an die Bücher des gerade erst verstorbenen Wolfgang Bergmann.
Trixi von Dörnberg: Schlimme Jungs – Warum auch jugendliche Tyrannen ein Recht auf Liebe haben, erschienen bei Pattloch im April 2011, gebunden zu haben für rund 20 Euro.