Privatsphäre contra Sicherheit

Leider ist der Artikel noch nicht online verfügbar, daher will ich eine kurze Zusammenfassung machen:

Einleitend geht der Verfasser, ein Diplom-Ingenieur, auf das Buch „1984" von George Orwell ein und behauptet, dass „die symbolische Kraft des Romans dazu beitrug, Behörden in ihrem Bestreben, die Bürger zu überwachen, in ihre Schranken zu weisen". Mittlerweile hält Ström die Privatsphäre für „eine nostalgische Reminiszenz". Die vereitelten Terroranschläge von London werden als eigene Angaben der britischen Geheimdienste und nicht als Tatsachen dargestellt. Darauf folgend formuliert er seine These als Frage: „Nutzen die Polit-Profis unsere tiefe Furcht vor Tod und Zerstörung, um ihre eigene Machtsphäre zu vergrößern?" Und beantwortet sie verklausuliert: „Wir dürfen nicht vergessen, dass der politische Stand in dieser Angelegenheit eine Symbiose mit der mächtigen Medienindustrie eingegangen ist, die aus finanziellen Gründen den Terrorismus und andere Formen der Gewalt in einem Maße ausschlachtet, das objektiv nicht zu rechtfertigen ist."

Woher der Autor seine Objektivität nimmt lässt der Text offen, gibt aber ein verkürztes Bild über die Gefahren des Terrorismus: „Den Menschen [wird] das Gefühl vermittelt, dass Terroristen ein tödliches Risiko im täglichen Leben darstellen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terroranschlags zu werden […] verschwindend gering ist." Der Autor weiß auch, wo die wirklichen Gefahren liegen: „Die eigentlichen großen Gefahren für unser Leben lauern hauptsächlich im Straßenverkehr, in Krankheiten, im Alkohol- und Drogenmissbrauch und in schlechten Ernährungsgewohnheiten. An den Erfolg einer vollkommenen Überwachungsgesellschaft glaubt Ström natürlich nicht, denn Terroristen würden diese Systeme umgehen: „Offenbar hinterlässt er [Osama bin Laden] keine Spuren, weil er beispielsweise Brieftauben und Esel als Kuriere für die Übermittlung von Nachrichten einsetzt."

Auch auf die Frage, was wir Bürger gegen die Überwachung a la „1984" tun können gibt der Autor Antwort: „Die aktuelle Situation erfordert den Aufstand der Bürger gegen einen politischen Stand, der seinen eigenen Herrschaftsbereich auf unsere Kosten vergrößern will."

Zunächst finde ich es zwar mutig, dass das Parlament einen solchen Artikel zum Aufmacher macht, allerdings finde ich die Argumentationslinie des Autors vollkommen daneben. Die Gefahren des Terrorismus gleichzusetzen mit schlechten Essgewohnheiten sind schon arg aus der Luft gegriffen, auf die hat nämlich jeder Bürger selbst Einfluss. Der Text ist ein Schlag in das Gesicht der Opfer von Terrorismus und deren Angehörige. Man kann ja gerne eine Diskussion führen, inwieweit die Privatsphäre für die Erhöhung von Sicherheit eingegrenzt werden kann, aber Überwachungsmethoden abzulehnen, mit der Begründung, dass die Gefahr, Opfer eines Terroranschlags zu werden, gegen null geht, halte ich für falsch. Der Text suggeriert, dass die aktuellen Gefahren von der Regierung künstlich hochgehalten werden, um eine Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen durchzusetzen.

 In ihrer Radikalität erinnern die Thesen des Autors an die Verschwörungstheorien nach dem 11. September, und an die glaubt heute kaum noch wer. Eine sachliche Diskussion ist dem Thema sicher angemessener.

12 Meinungen

  1. Der Autor hat allerdings durchaus damit recht, dass die digitale Späheinrichtungen nichts bringen! Gerade Videoüberwachung leistet präventiv keinen nennenswerten Beitrag zur öffentlichen Sicherheit.

  2. Darüber lässt sich ja sachlich diskuttieren, der Autor spielt aber die Gefahr des Terrorismus in einer Weise runter, die nicht zur rechtfertigen ist. Videokameras helfen ja wenigstens bei den Ermittlungen. Und wenn Terroristen so dingfest gemacht werden können, verhindert dies weitere Anschläge also helfen Videoüberwachungen auch prophylaktisch.

  3. Soweit magst du noch recht haben. Doch gelang das Dinfest-Machen bislang entweder mit den schon existierenden Kameras oder ganz ohne Kameras. Somit ist jede weitere eine nicht zu rechtfertigender Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte

  4. Hallo,“aber Überwachungsmethoden abzulehnen, mit der Begründung, dass die Gefahr, Opfer eines Terroranschlags zu werden, gegen null geht, halte ich für falsch“Nun, dem ist aber so. Betrachetet man dazu noch die unaufgeklärten Todesfälle in der BRD, wird die Rechtfertigung für Überwachung noch dünner. Hier die groben Zahlen (präzise Zahlen gibts bei BKA.de im statistischen Jahresbericht)Delikte mit Todesfolge in 2005: runde 400. Die Aufkläruungsquote zu diesen Delikten: 96,xx.Da bleiben nicht viele ungeklärte über.Und die Menscheteile nach einem potentielle Anschlagbei BILD sehen zu können ist keine Prävention mit Videoüberwachung. Diese dient nur der nachträglichen Aufklärung. Für Prävention sind fast alle ad-hoc Vorstellungendes Innenministers nicht geeignet.

  5. hier die genauen Zahlen aus der Statistik 2005:Mord und Totschlag: 2396Aufklärungsquote 95,8%Link dahin:http://www.bka.de/pks/pks2005/index2.html

  6. Alles in allem halte ich die Videoüberwachung auch nicht für den Königsweg, bei der Prävention schon gar nicht. Warum sollte es einen Selbstmordattentäter auch stören, wenn sein Handeln auf Video aufgezeichnet wird? Allerdings kann die Videoüberwachung offensichtlich bei der Aufklärung helfen (siehe die versuchten Anschläge in Dortmund und Koblenz und die kürzlich erfolgte Festnahme eines mutmaßlichen Täters). Ob es aber Sinn hat, jetzt nach einer Ausweitung der Videoüberwachung zu rufen bezweifel ich, vielleicht sollte man die bisherigen Möglichkeiten effektiver nutzen, denn scheinbar kann es damit gelingen gute Aufklärungsarbeit zu leisten (s.o.)

  7. Es geht doch aber nicht nur um Videoüberwachung, es wird seit längerem eine Anti-Terror-Datei gefordert, die mit Sicherheit sehr schnell eingeführt wird. Und diese kann durchaus präventiv vor Anschlägen schützen.Aber noch mal zur Begründung des Autors, dass wir Sicherheitsmaßnahmen nicht brauchen, weil die Gefahr Opfer eines Anschlags zu werden relativ gering ist. In meinen Augen hat der Autor die Funktionsweise des modernen Terrorismus nicht verstanden. Beim Terror geht es nicht um opferzahlen, sondern um symbolische Akte, die sich an einen zu interessierenden Dritten richten. Dieser Dritte soll von der Verletzlichkeit des Westens überzeugt und so zum Mitmachen motiviert werden. Das funktioniert wie ein Schneeballsystem. Und daher gilt wehret den Anfängen.

  8. @stefan“Beim Terror geht es nicht um opferzahlen, sondern um symbolische Akte, die sich an einen zu interessierenden Dritten richten. Dieser Dritte soll von der Verletzlichkeit des Westens überzeugt und so zum Mitmachen motiviert werden. Das funktioniert wie ein Schneeballsystem. Und daher gilt wehret den Anfängen.“Ich denke schon dass es beim Terror auch und gerade um Opferzahlen geht. Je höher die Opferzahlen, desto monströser die Tat, desto mehr (Medien-)Aufmerksamkeit, desto mehr Wirkung.

  9. Das glaube ich nicht, Martin. In London kamen keine Menschen um und auch nicht bei den jüngsten Versuchen in Deutschland, Medienaufmerksamkeit war den Möchtegern-Attentätern trotzdem gewiss. Aber sei es drum, es geht nicht vordergründig um opferzahlen, sondern um Medienaufmerksamkeit. Und darum ist es m.E. vollkommen irrelevant, ob die Gefahr Opfer eines solchen Terroranschlages zu werden, gegen Null geht, sie müssen verhindert werden, damit der Terror nicht wie eine Fegefeuer wütet.

  10. Stellt sich natürlich die Frage warum kürzlich in London bzw. hier in Deutschland niemand umkam? Vielleicht weil die Anschläge vorher verhindert wurden?! Nun stell dir mal vor, sie wären erfolgreich gewesen, wie groß wäre die Medienaufmerksamkeit wohl dann gewesen?

  11. Ich bin sehr gespannt auf den Artikel, denn ich habe ein ähnlich „ungutes Gefühl“ wie der Autor.Ich bin selbst am 10. August in London gewesen und habe die „Show“, die die britischen Behörden dort veranstaltet haben, miterlebt. – Ich möchte hier keine weiteren Verschwörungstheorien verbreiten, diese können andere viel besser erläutern. Ich gebe nur zu bedenken, daß bei einer derart erhöhten Sicherheitsstufe in den Flughäfen (CRITICAL SECURITY ALERT; entspricht rotem Alarm) äußerst inkonsequent kontrolliert wurde:- ALLE Flüssigkeiten wurden den Fluggästen abgenommen. – Die Duty-Free-Shops waren geöffnet: Sind Terroristen zu dumm, ihre ‚Liquids‘ Tage vorher in einer teuren Whiskeyflasche ins oberste Regal im Shop zu stellen?!- ALLE pers. Gegenstände (mit Ausnahmen…) wurden abgenommen: Niemand hat sich dafür interssiert, was ich in meinem Mund habe (in dem Fall nur Kaugummi)… Fragen Sie doch mal bei Bundesgrenzschutz und der Drogenfahndung nach, wie Drogenkuriere hochgiftige Substanzen in ihrem Körper schmuggeln!!- NIEMAND interessierte sich für die Identitäten der abfliegenden/ausreisenden Fluggäste: Mein Personalausweis wurde bei der Ausreise aus, sowie bei der Einreise nach Deutschland von BGS-Beamten kontrolliert und per Computer überprüft (So, wie Sie Mitarbeiter im Büro ein- und ausstempeln). – Allerdings brauchte ich meinen Personalausweis in England nur beim Check-In-Schalter meiner Airline (da ich nur über ein E-Ticket verfügte), und nach allen Sicherheits-Kontrollen gab es noch eine Sichtkontrolle des Einstiegspersonals (Name Flugschein Name Ausweis).Diese Ungereimtheiten wurden noch übertroffen: Kaum an Bord, wurde nach einem Herrn gesucht, der „versehentlich“ in der Maschine saß und eigentlich nach Paderborn gebucht war! Wie kann so etwas passieren, wenn doch allerhöchste Sicherheitsstufe ausgerufen ist?!Diese ganzen Punkte sprechen klar für eine nette Demonstration der Macht der britischen Behörden, vielleicht eine Übung für den Ernstfall, aber keinesfalls die tatsächliche Bedrohung, wie sie von den Behörden kommuniziert wurde. Auch eine Verbindung zur Al Quaida wurde nicht nachgewiesen, nur vermutet (paßt ja so schön).Die vielgescholtene britische Presse hat auch klar unterschieden zwischen belegten Tatsachen, von Polizei, MI5 und Scotland Yard geäußerten Vermutungen, und der Spekulation über mögliche Folgen. – Dieses kritische Verhalten habe ich in Deutschland schmerzlich vermißt: Überall sind die Aussagen der britischen Organe, die von jenen deutlich als Spekulation („Wir denken, wir erwarten, wir befürchten, es hätte können….“) gekennzeichnet wurden, als Tatsachen weiterverbreitet worden.Hier wird definitiv auch in Deutschland Angst geschürt, gleichzeitig wird der Datenschutz ausgehebelt und die Privatsphäre der Bürger gegen Null heruntergeschraubt: Video-Überwachung, Aufhebung des Bankgeheimnisses, Weitergabe von Flugdaten an die Geheimdienste, Nutzung der Autobahn-Verkehrsüberwachungs-Daten und der TollCollect-Daten sind nur wenige Forderungen (zum Teil bereits umgesetzte Praxis!), die plötzlich die Runde machen und völlig unkritisch unter der Überschrift „Terrorschutz“ von allen Bürgern hingenommen werden.Wo ist der politikinteressierte, mündige deutsche Bürger? Wo sind die Demonstrationen, die hier nötig sind? Geht es uns allen so gut, daß nur noch für den Umweltschutz oder gegen Studiengebühren auf die Barrikaden gegangen wird, und nicht für die eigenen Persönlichkeitsrechte?Ich bin 32 und habe immer gern in diesem Land gelebt – aber nun wird unsere Freiheit durch das Schweigen der Mehrheit gefährdet. Ich freue mich auf weitere Kommentare…Viele Grüßeein deutscher Staatsbürger, der die Freiheit liebt, so wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist.

  12. Hallo Dirk, zunächst war es ziemlich interessant zu lesen, wie es sich live in London abspielte. Zu deinen Vorwürfen bzgl. der Unsicherheitslage auf dem Londoner Flughafen passt sicher auch die Geschichte mit dem 12 Jahre alten blinden Passagier, der es schaffte, alle Kontrollen zu umgehen und sich in einen Ferienflieger zu setzen, trotz höchster Sicherheitsstufe. Allerdings frage ich mich, warum der Staat ein Interesse an der Aushebelung der Persönlichkeitsrechte haben sollte? Was bringt es ihm? Dient diese Aushebelung nur dem Selbstzweck. Sollen die Daten an Industriekonzerne verscherbelt werden, damit die uns besser mit Verbraucherinformationen versorgen können? Ich glaube kaum. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Sammeln dieser sensiblen Daten schon darauf gerichtete ist, die Sicherheit, oder zumindest die Ermittlungesergebnisse zu verbessern. Die Frage, die aber gestellt werden muss, ist die, wie weit dieses Sammeln gehen darf? Videoüberwachung an sensiblen Orten wie Flughäfen und Bahnhöfensind m.E. okay. Eine flächendeckende Kontrolle dringt hjingegen zu weit in die4 Privatsphäre ein. Auch die Nutzung der Daten von den Maut-Stellen halte ich für zweifelhaft, da hier personenbezogene Daten gesammelt werden, und so jeder unter einen Generalverdacht gestellt wird, genau wie bei der Anti-Terror-Datei, die mit ziemlicher Sicherheit bald existieren wird. Aber auch hier sind nur die Daten drin, die Landesbehörden sowieso schon besaßen, nur werden sie durch die Datei bundesweit verfügbar gemacht. Also doch weniger problematisch. Den meisten Leuten sind Einschnitte in ihre Persönlichkeitsrechte weniger wichtig, als Einschnitte in ihre Finanzen, daher gehen vermutlich auch keine Bürger auf die Barrikaden. Freiheit ist für diese Leute immer noch kein unbezahlbares Gut. Dazu trägt auch die Berichterstattung der Boulevardmedien bei, die lieber auf der WElle der Angst mitschwimmen, statt zu informieren. Gegen diese Angst helfen solch symbolische Gesten wie die Rail-Marshalls, die flächendeckende Videoüberwachung, das Passenger Profiling die Anti-Terrordatei und der Rest der Maßnahmen, den sich die Politiker noch werden einfallen lassen. Die Sicherheit erhöhen solche Maßnahmen nur sehr eingeschränkt. Daher muss die Diskussion weg kommen von der geschürten Angst und hinführen zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Welche Einschnitte der Persönlichkeitsrechte (Kosten) führen zu signifikanten Erhöhungen der Sicherheit (Nutzen). In der momentanen Hysterie kann eine solche Diskussion allerdings nicht geführt werden.

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