Philosophieren und Furzen

Geboren wurde Kurt Vonnegut 1922 in Indianapolis, Indiana, als jüngstes Kind einer deutschstämmigen Familie. Witze zu reißen war seine Art, um als kleiner Bengel auf sich aufmerksam zu machen, enthüllt er gleich im ersten Kapitel seines neusten Buches „Mann ohne Land“. Der Humor ist ihm seitdem nie vergangen, auch nicht als er als Kriegsgefangener die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 miterlebte: „Ich habe die Zerstörung von Dresden gesehen“, schreibt er. „Ich habe die Stadt vorher gesehen und kam dann aus dem Luftschutzkeller und habe sie nachher gesehen, und eine Reaktion war ganz bestimmt Gelächter. Das ist, weiß Gott, die Seele, die etwas Erleichterung sucht.“ Seine Erlebnisse, die er während des Feuersturms machte, hat er zwanzig Jahre später in seinem Roman „Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzung“ (dt. 1969) verarbeitet, der zum Weltbestseller wurde.

Im Witzemachen sieht Vonnegut geradezu einen existenziellen Impuls, eine physiologische Reaktion auf Angst (ganz im Sinne Sigmund Freuds). Ihm scheint immer noch vieles von dem Angst zu machen, was er tagaus, tagein erlebt als über Achtzigjähriger. Wenn er so seinen kritischen Blick auf die amerikanische Gegenwartsgesellschaft wirft, auf das Amerika des George W. Bush. Dann fängt er schon mal an zu fluchen und zu schimpfen: dass er nach wie vor lebt und das alles mitmachen muss, trotz seines extrem hohen Zigarettenkonsums, der ihn längst hätte dahinraffen lassen sollen. „Vielen herzlichen Dank, ihr miesen Ratten“, stichelt er in Richtung Brown & Williamson Tobacco Company, dem Hersteller seiner geliebten filterlosen Pall Mall-Zigaretten. „Das allerletzte, was ich jemals wollte“, legt er nach, „ war, am Leben zu sein, wenn die drei mächtigsten Menschen auf dem ganzen Planeten Bush, Dick und Colin heißen“ (mittlerweile hat Colin Reißaus genommen und ist durch Condy ersetzt worden, wäre richtig zu stellen).

Für diesen herrlichen Sarkasmus, gepaart mit rabenschwarzem Humor, muss man Vonnegut einfach lieben. Er kann selbst im hohen Alter noch staunen wie ein kleines Kind und sich zugleich wundern, dass die Welt nun mal so ist, wie sie ist. Er kann sich aber auch richtig aufregen, wenn er sieht, dass da etwas mächtig schief läuft. Besonders die ökologische Unbekümmertheit der Menschen ist ihm ein Dorn im Auge, der Automobil-Wahn seiner Landsleute zum Beispiel. Die Menschheit ist im Begriff, sich selbst abzuschaffen. Wenn das letzte Lebewesen gestorben ist, mutmaßt Vonnegut, wird uns Mutter Erde nachträglich verlachen: „Es ist vollbracht. Den Menschen hat es hier nicht gefallen.“

Das geruhsame Rentner-Dasein ist Kurt Vonnegut ganz offensichtlich nicht vergönnt. Was natürlich irgendwie schade ist. Aber auch nicht wirklich. Denn dann wäre uns dieses wundervolle Buch entgangen, dessen Lektüre ein wahrer Genuss ist: nicht nur des Inhalts wegen, der Ansichten und autobiografischen Reflexionen, sondern auch wegen des erfrischend lockeren Erzähltons und des virtuosen Stils.

Ein alter Mann spricht an seinem Lebensabend noch einmal ein paar wunde Punkte an. Er hebt mahnend den Finger und gibt den Jüngeren ein paar weise Ratschläge mit auf den Weg. Von Verbitterung keine Spur. Oder von irgendeinem Groll ob der Schlechtigkeit der Welt. Ein melancholischer Unterton schwingt gelegentlich in Vonneguts Worten mit. Sie strahlen aber auch sehr viel Wärme aus.

Immer schön locker bleiben, nur nicht verbiestern. So lautet die Devise dieses bekennenden Humanisten und Freidenkers. Wenn einem etwas gehörig gegen den Strich geht, soll man sich natürlich empört zeigen und sich einmischen. Doch bei allem löblichen Engagement für die gute Sache – eins bitte stets im Hinterkopf behalten: „Wir sind hier auf Erden, um herumzufurzen. Laßt euch bloß von niemandem was anderes erzählen.“

Lieber Kurt Vonnegut, vielen Dank für diese Worte, vielen Dank für dieses grandiose Buch!

Kurt Vonnegut: Mann ohne Land

Übersetzt von Harry Rowohlt

Pendo Verlag

München und Zürich 2006

 

Eine Leseprobe aus dem Werk findet sich hier.

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