Nu Rave und Indie Electro: Mehr als nur Fashion

Es soll alles mit den Klaxons angefangen haben, die eher ironisch das Genre „New Wave“ auf ihre Flyer gedruckt haben sollen, weil es witzig war, so zu tun, als würde es ein derartig albernes Genre geben.

Zu ihrem Ärger lief es aber letztendlich (und ehrlich gesagt, sehr absehbar) darauf hinaus, dass die Presse diesen Begriff verschlang und sofort wüst damit um sich warf.

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Nu Rave

Es gibt Stimmen, dass NME – die, wie immer etwas Ironie-resistent für die Verbreitung des New oder auch Nu Rave als Genrebegriffes verantwortlich waren – den Begriff von sehr viel elektronischeren Musikstilen a la Hardcore Breaks, Rave Breaks und Jungle Techno geklaut haben, Musik also, die dem 90er Rave stilistisch sehr viel näher steht. Aber wie es nicht nur im Musikgenre so läuft: die Mehrheit bestimmt, was wahr ist, also muss sich auch Nu-rave.com damit abfinden, dass ihr Genrebegriff wohl kaum Anschluss findet.
Allgemein werden Bands wie die Klaxons, Hadouken!, Glamour For Better, Shitdisco und die Paradiesvögel Late of the Pier mit dem Genre beschrieben, das demnach erst um 2005 entstanden sein soll.

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Dass Bands wie The Rapture (mit sehr treibenden, Dance-artigen Beats) und The Faint (mit einer Prise Punk) einen ähnlich Sound hatten, lange bevor die Klaxons auf den Bildschirmen erschienen, lässt die Wurzeln jedoch weiter zurück führen, so dass man gerne auch in Musiknazi-Manier die Nase rümpfen kann, um zu sagen, dass man schon Nu Rave gehört hat, als die Bands, die angeblich dazu gehören, noch die Schule geschwänzt haben.

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Nu Nerv

Wie viele Genres, die abrupt auf der Bildfläche erscheinen und dann frenetisch gefeiert werden, ergaben sich schnell generisch klingende Nachahmer, die die Plattenläden und Clubs überfluteten und mangels Ideen den Überdruss der Zuhörer nach sich zogen. Vielleicht war es dieses ironische „New/Nu“, das auch dem New Wave den Kopf gekostet hatte. Aber die paar Jahre, in denen es scheinbar keine anderen Bands gab, brannten sich äußerst negativ in das Gedächtnis des Musikfans, der teilweise auch beklagte, dass die regulären Indiepartys plötzlich einem Rave glichen und Metal sowie Postcore und Alternativemusik völlig ignorierten.

Dass das Genre gleichzeitig mit Neonfarben, Leuchtstäben und den sogenannten Shutter Glasses (also bunten Plastikbrillen, die einem das Gefühl gaben, im Neon Gefängnis zu sitzen) überflutet wurde, brachte einen Haufen der bis dato nur als Randgruppe erwähnten Hipster in das Zentrum der Aufmerksamkeit der Medien. Zwar kann man dem Genre nicht die alleinige Schuld geben, dass sie mittlerweile überall sind und ihre Segelschuhe spazieren führen, während sie stylische Fotos von sich auf ihrem Fashion Blog mit ihrem Iphone posten, dennoch, ohne wäre der Ansturm wahrscheinlich nicht so brutal gewesen.

Aus den Trümmern erblüht – Indie Electro

Aber die Indie Szene, wenn auch etwas eingeschüchtert, hatte das Electro Genre schon länger zaghaft umworben und begann sich – angespornt durch die stürmische Jugend des New Rave – den bleep bloop bleep Klängen anzunähern. Das resultierte in weniger ravigen Musikstilen, sondern vielmehr in eklektischen Mischformen, die sich jeglicher Beschreibung entzogen.
Anstelle der Londoner Musikszene, die den New Wave hervor gebracht hatte, wuchsen viele Indie Electrobands aus Brooklyn, einer mittlerweile unaufhaltsamen Konklave an künstlerischem Genius. Zusammen mit Einflüssen aus der Weltmusik, Folk-Elementen oder dem derzeit sehr beliebten Surfersound entstanden Bands und Songs, die man als Musikjournalist nur noch in blumigen Metaphern beschreiben kann – es sei denn, man liebt den Bindestrich und hat nichts dagegen, zeilenweise Genres aufzuzählen.

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Vom Nu Rave zum Indie Electro?

Natürlich wäre es zu viel gesagt, wenn man behaupten würde, dass Rave dafür verantwortlich ist, dass viele Bands heutzutage mit elektronischen Spielereien aufwarten und es sehr viel gleichmäßiger verweben, als noch in den 80ern oder 90ern, wo alles elektronisch weitläufig hart und zackig klang. Hört man sich heute Indie Electro an, fließt alles. Bands wie Animal Collective oder Octopus Pie schaffen es mühelos ruhige Klänge und handgemachte Musik mit Beats und Synthies zu verbinden, ohne dass es zerstückelt klingt. Für diese Musik kann man dem New Rave höchstwahrscheinlich nicht danken, wohl aber für die Tatsache, dass er das Geld der Plattenfirmen locker gemacht hat, um Bands, die sowohl Electro als auch Indiemusik vermischten, zu unterstützen. Ob MGMT auch ohne den Hype der Klaxons so gepusht worden wären?

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Und weil ich meine Artikel ungern mit einer Band abschließe, die sowieso jeder kennt, zumal wir doch die Zukunft der Indie und Electro Fusion feiern wollen, hier ein reichlich sinnloses Musikvideo zu einem wunderschönen Song einer sehr sinnvollen Band:

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