Neues Kinderschutzgesetz: Ist ‚Wegschauen‘ strafbar, wenn ich Zeuge von Kindesmisshandlung werde?

Das neue Kinderschutzgesetz- 5 Jahre hat es gedauert!

Nun ist es seit Januar endlich in Kraft: ein neues Kinderschutzgesetz. Fünf lange Jahre hat der Gesetzgeber gebraucht es zu verabschieden. Fünf Jahre- eine lange Zeit gemessen an einem Kinderleben!

Immer wieder ergreift einen Fassungslosigkeit, wenn die Nachrichten darüber berichten, dass Kinder durch Kindesmisshandlung und/oder Kindesvernachlässigung zu Schaden oder – schlimmer noch- zu Tode kamen. Schwer nur lässt es sich begreifen, was Eltern ihren Kindern antun können. Menschen, welche im Umkreis der betreffende Familie leben melden sich zu Wort. Nicht selten flimmert über den Bildschirm das eine oder andere betroffene Gesicht der Nachbarschaft oder der Familie im weitesten Sinne. Bei sehr Vielen zeigt sich offene Betroffenheit. Aber es gibt auch die „Anderen“: die, die es schon immer wussten, dass mit dieser Familie was nicht stimmt. Da wird dann berichtet, dass die Kinder oft weinten, dass man beobachtet habe, dass die Mutter/der Vater einen sehr rüden Umgang mit dem Kind hatte oder es sogar schlug. Und sowieso: hier hätte doch längst mal jemand „etwas tun müssen!“ Stets und ständig ist hierbei gemeint: das zuständige Jugendamt hätte eingreifen müssen. Was aber kaum einer weiß: „Eingreifen“, um einen Schaden am Kind zu verhindern ist eine Jedermanns-Pflicht! Das ist durchaus nicht neu und hat in so weit gar nichts mit dem neuen Kinderschutzkonzept zu tun. Eine strafrechtliche Verantwortung hat ein jeder und es ist immer eine persönliche Verantwortung. Diese Verantwortlichkeit ist geregelt im Strafgesetzbuch. Der dortige § 323c benennt eine Mitverantwortung am Tod eines Menschen durch Unterlassung. besser ist dieser Paragraph bekannt unter dem Aspekt der „unterlassenen Hilfeleistung“. Doch eine „1. Hilfe“ benötigen ja nicht nur „Unfallopfer“. Jede Gefahr für Leib und Leben bedarf eines Ersthelfers. Und jeder, der diese erste Hilfe unterlässt, macht sich ggf. auch strafbar! Wo genau fallen Familien möglicherweise zuerst auf? Es ist das unmittelbare Umfeld: Familie, Schule, Kita und – ja- auch das Wohnumfeld, die Nachbarschaft!

Es ist sehr einfach, sich im Nachgang hinzustellen und zu sagen, man habe das doch schon immer gewusst. Unter Berücksichtigung der Mitverantwortung die das Strafgesetzbuch benennt, müsste eine Frage auf solche Aussagen folgerichtig sein: „Und, haben Sie es/hast du es dem Jugendamt gemeldet?“ Denn NUR und ausschließlich dann kann auch vom Jugendamt erwartet werden, dass sie hinschauen. Sie müssen Kenntnis haben über ein möglicherweise existierendes Problem in einer Familie. Erst dann können Ermittlungen und ggf. Maßnahmen zum Schutz des Kindes eingeleitet werden.

Ein neues Gesetz- doch reicht es zum Schutz unserer Kinder?

Ein neues Gesetz- auch ein neues Kinderschutzgesetz- kann dies nicht regeln. Was hierin neu festgelegt und formuliert wurde, sind neue Handlungskonzepte im Rahmen der „Garantenpflicht“, welche eintritt, wenn Probleme in Familien der Behörde bekannt werden. Das war höchst notwendig und stellt einen guten „Leitfaden“ für die Sozialarbeiter dar. Ein neues Kinderschutzgesetz legt nicht fest, was- wann- wie- wer zu tun hat, sondern regelt die Vernetzung von führen Hilfsmöglichkeiten bzw. auch die Mitteilungspflicht einzelner in der Familie „tätiger“ Institutionen. So MUSS ein Arzt beispielsweise demnach das Jugendamt informieren, wenn ihm kindeswohlgefährdende Tendenzen bekannt werden, wenn  denen auf andere Weise nicht begegnet werden kann. Das Gleiche gilt für Schule, Kita und und und. Der Datenschutz kann nicht dafür herhalten, das die Gefahr eines Kindes nicht gemeldet wurde: denn Kinderschutz geht vor Datenschutz. Und das neue Gesetz regelt den Kinderschutz jetzt bundeseinheitlich. Das ist gut so, denn bislang war es von Bundesland zu Bundesland oft sehr unterschiedlich und gerade Familien, die auf der „Flucht“ vor der Jugendhilfe sind, sind oftmals sehr umzugsfreudig. Das neue Gesetz ist aber auch nur eine rechtliche Grundlage. Die Arbeit der Jugendämter ist immer auch eine sehr vielschichtige Aufgabe und es gibt keinerlei Schablonen, welche Maßnahmen wann bei wem greifen-helfen- schützen. Alles und Jedes bedarf einer individuellen Prüfung und individueller Hilfen. Es ist eben doch nicht ganz so einfach, nochzumal Elternrechte grundgesetzlich geschützt sind und ein Eingreifen in (missbrauchtes) Elternrecht nur dann möglich ist, wenn „gar nichts anderes mehr greift“.

Wie Eingangs bereits erwähnt ist es aber wichtig, dass der zuständige Sozialarbeiter Kenntnis erhält oder manchmal auch nur ergänzende Kenntnis. Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln wissen von der Strafbarkeit. Das heißt, sie sind Meister im Verschleiern, auch im Lügen und im Manipulieren. Sie wollen nicht entdeckt werden. Und ein einzelner Hausbesuch allein schafft auch nicht wirkliche Klärung. „Ihr“ Sozialarbeiter muss wissen, warauf er achten sollte. Worauf soll er sehen, was ist Ihnen aufgefallen?

Wachsamkeit geht alle an!

Bitte zögern Sie nicht. Gehen Sie ins Jugendamt, berichten Sie von Ihren Beobachtungen, schildern Sie ruhig offen Ihre Sorgen. Sie dürfen dies gern auch anonym tun oder um Anonymität bitten. Jeder Sozialarbeiter wird Sie ernstnehmen und er wird ihre Angaben prüfen und ggf. Maßnahmen des Kinderschutzes- auch vorbeugende – einleiten, wenn es erforderlich wird.

Ihre „1.Hilfe“- es ist nur ein wachsamer Augenblick!

Immer wieder gehen aber leider auch Meldungen ein, die von Anfang an nur einer Denunziation entsprechen. Das „Prozedere“, welches damit in Gang gesetzt wird, ist das Gleiche, wie bei „echten“ Kindeswohlgefährdungen. Das bindet Zeit, welche unwiederbringlich verloren geht für Kinder, die unsere Hilfe brauchen. Das ist nicht nur schade, sondern leider auch gefährlich. Der beste Sozialarbeiter kann nicht zeitgelich überall sein. Er wird sich dorthin zuerst begeben, wo er die größer Gefährdung vermutet bzw. die ihm berichtet wurde. Doch wenn er hier in eine „falsche Spur“ gelenkt wurde, dann kann es sein, dass er gerade am falschen Ort ist, während dessen zeitgleich ein anderes Kind um sein Überleben kämpft. Jeder, der falsch anschuldigt, sollte sich dessen bewusst sein.

Nicht gemeint sind hier Unsicherheiten, wenn man etwas beobachtet und nicht weiß, ob es bedeutsam ist. Möglich sind Irrtümer immer. Doch wir sollten uns lieber einmal zu viel irren, lieber einmal etwas überbewerten, als nur ein einziges mal zu wenig. Denn ein misshandeltes, ein totes Kind ist jeweils nur immer eines: eins zuviel!

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2 Meinungen

  1. Wo genau kann man denn das neue Kinderschutzgesetz nachlesen? Steht das auch im § 323c des Strafgesetzbuches oder woanders?

  2. Hallo Andrea: das neue Kinderschutzgesetz findest du unter folgendem Link: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2012/01/2012-01-03-kindersch… – 32k oder direkt beim Familienministerium anfordern. Aber wie beschrieben, es ist der Leitfaden für die „Profis“ und regelt eigentlich nicht das, was ein jederman tun kann-soll-darf-muss.Schönes WE

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