Ab Mitte September ist Bertone (71) Nachfolger von Angelo Sodano (78), der am Donnerstag zurückgetreten ist. Die Ernennung Betrones kam für viele Beobachter und Vatikan-Astrologen überraschend.
Tarcisio Bertone war zuletzt Kardinal in Genua. Erstmals wird kein Vatikan-Diplomat an die Spitze des zentralen Leitungsorgans des Heiligen Stuhls treten, sondern ein ausgewiesener Theologe. Bertone gehört außerdem dem Orden der Salesianer an, der der Jugendarbeit und der Pädagogik besonders verpflichtetet ist.
Der Papst und sein neuer Kardinal-Staatssekretär sind ein eingespieltes Team, denn Bertone war, als Joseph Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation war, dessen Sekretär. Als Kardinal-Staatssekretär ist Bertone nun der engste Mitarbeiter des Papstes. Er ist so etwas wie der Ministerpräsident, der Innen- und der Außenminister des Papstes in einer Person, denn er koordiniert die beiden Sektionen des Staatssekretariats – die für allgemeine Angelegenheiten und für die Beziehung mit den Staaten.
Das Staatssekretariat ist die Schaltzentrale der katholischen Kirche: Hier laufen die diplomatischen Beziehungen des Papstes zusammen, hier müssen die Bischöfe in aller Welt ihre Berichte abliefern, hier wird das Geld des Papstes verwaltet und von hieraus werden auch die Medien des Vatikan gesteuert. Das Staatssekretariat, in dem ca. 145 Personen tätig sind, erledigt den Schreibkram des Papstes und es vernetzt die vatikanischen Kongregationen, also die Ministerien. Alles im Staatssekretariat ist geheim. Die Mitarbeiter dürfen nicht einmal sagen, in welcher Abteilung sie sitzen.
Tarcisio Bertone als neuer Chef der katholischen Super-Behörde wird der einflussreichste Kardinal in der katholischen Kirche sein, nicht zuletzt, weil er mit dem Papst unter einem Dach wohnen wird. All dies trägt traditionell nicht unbedingt zur Beliebtheit des Kardinalstaatssekretärs bei.
Bertone ist Theologe und Kirchenrechtler. Nach seiner Priesterweihe promovierte er in Kirchenrecht und lehrte anschließend lange Jahre an der Päpstlichen Salesianer-Universität sowie an der Lateran-Universität. Benedikt XVI, der selbst Theologieprofessor gewesen ist, unterstreicht mit der Ernennung Bertones, dass sein Pontifikat stärker von der Theologie geprägt sein soll als das seines Vorgängers: Mehr denken – weniger reisen.
Bertone soll aufgeschlossen und umgänglich sein, aber auch entschieden, wenn es um die Reinheit der katholischen Lehre geht. Er gilt als jemand, der sagt, was er denkt. Als Erzbischof von Genua hat er mit deutlichen Worten u.a. zum Streit um die Mohammed-Karikaturen, zum „Da-Vinci-Code“, zur Einwanderungsfrage und zur Bioethik geäußert.
Außerdem ist er Fußballexperte: Im italienischen Fernsehen war er als sachkundiger Ko-Kommentator bei Erstliga-Spielen zu sehen.
Sehr geehrter Herr Conrads, der Herr scheint Ihnen ja ausgesprochen sympathisch zu sein. Obwohl sie offenbar Pastor einer protestantischen Kirche sind würde mich interessieren, haben Sie familiär katholische Wurzeln?? Denn Ihre Kenntnis über vatikanische Interna erstrahlt ja in diesem Beitrag im hellen Lichte. mit freundlichen Grüßen aus dem Lutherland Sachsen-Anhalt Sascha Hans-Gert Henn
Ach, da geht ein beinahe 80-jähriger Sodano in Pension und dann kommt so ein junger Hupfer wie der 71-jährige Bertone als Nachfolger. Hui, das wird einen frischen Wind bringen, ist er doch berüchtigt kompromisslos in Glaubensfragen und Verhütungsschutz als studierter Professor der Moraltheologie. Kein geübter Diplomat zwar, aber gerade heraus und sicherlich sehr bescheiden, denn er bezeichnet seine Ernennung nur als „kopernikanische Wende, bzw. kopernikanische Revolution“. Als alter Kempe des derzeitigen Papstes Ratzinger hat er mit diesem zusammen auch die Festigung der katholischen Alleinherrschaft im gemeinsamen Traktat „Dominus Jesus“ zementiert und Ihnen und Ihrer Kirche (und allen anderen sowieso) darin das Recht verwehrt, Euch Kirche nennen zu dürfen, denn auf Euch fallen ja doch höchstens Brosamen der göttlichen Strahlung und nicht volle Pulle göttliche Karibiksonne, wie sie auf die einzig wahre katholische Kirche herunterbrennt. Beinahe wäre ja der Weinliebhaber mit eigenem Weinberg in der Familie und Verehrer von Sophia Loren (deren Klonung er ausnahmsweise zustimmen würde) letztes Jahr selbst Papst geworden. Na ja, wer weiß, ob es nicht doch noch so kommt. Benedikt sah schon an Pfingsten so ungut ältlich unter den Augen aus wie Master Yoda und wirkte sehr müde. Wenn sie ihn dann im September durch seine (und meine) bayerische Heimat geschleift und dort am Inn gehörig „vermarktlt“ haben werden, ist er bestimmt noch erschöpfter drauf mit seinen 80 Jahren. Da kann man schon mal rechtzeitig einen Nachfolger heranziehen unterm gemeinsamen Vatikandach. Viel mehr leid tut es mir jedoch, dass auch der 69-jährige Pressesprecher des Vatikans, Joaquin Navarro-Valls, bald seinen Abschied nimmt. Der Psychologe, Mediziner, Journalist und versierte Kommunikationswissenschaftler, der damals von JP II aus dem Opus Dei-Sprecherdienst in den Vatikan geholt worden war, wird mir wirklich fehlen. Ausgestattet mit der humorvoll-bewegten Mimik und stimmlichen Begeisterung eines Günther Netzer gelang es ihm wie keinem zweiten, dem gesamten Volke dieser Erde auf höchst seriös wirkende Art und Weise die allergrößten Bären aufzubinden und zwar unter Ausschöpfung der diplomatischsten Windungen und Wendungen, die Sprache überhaupt hergibt. Ich werde ihn vermissen! Wenigstens einmal noch hätte ich gerne seine ruhige Beteuerung, der kranke, völlig „sprachlose“ Papst Johannes Paul habe den Ostersegen urbi et orbi bei der TV-Übertragung ehrlich selbst gesprochen, während das vorher zusammengeschnittene Tonband mehrmals vernehmbar geknackt hatte, die Stimmlagen merklich gewechselt hatten und ein freundlicher Mitarbeiter dem Papst derweilen ein Blatt vor den Mund genommen äähh gehalten hatte, von dem der oberste Hirte den Segen womöglich ablesen sollte, den er vorher 26 Jahre lang auswendig herunter zu beten im Stande gewesen war. Auch Navarros Überbringung der letzten und klar leserlichen, schriftlichen Worte aus der schwerzittrigen Papsthand, die der Welt Hoffnung machen und ebenso dringend wie flugs in die zukünftige Personalgeschichte des großen „santo subito“ eingehen sollten, war geradezu ein Meisterstück der ganzen werbewirksamen Vatikangerissenheit. Doch ihm, dem kleinen, unscheinbaren Meister der Scheinwahrheit Navarro-Valls hätte sogar ich beinahe etwas glauben können. Aber mit seinem Abschied ist das nun auch endgültig vorbei, denn wem könnte ich jetzt überhaupt noch etwas glauben????Dennoch: Ich bin froh, seid ihr es auch!
Ihren Kommentar zu Kardinal Bertone habe ich mit grossem Interesse gelesen. Er zeugt von grosser Sachkenntnis, aber auch von Einfühlsamkeit in dieses Thema, das nur wenige wirklich kennen. Herzliche Gratulation!www.vaticanfacts.info