Eines kann man dem ehrgeizigen Sarkozy sofort attestieren: Er hält nicht nur seine Wahlversprechen ein, er jagt sie sogar mit einem immensen Tempo durch die Nationalversammlung. Dies tut er mit so einer vergleichbaren Entschlossenheit, wie der damalige frisch gewählte britische Labour-Premier Tony Blair 1997. Es ist die marode Wirtschaftslage der Fünften Republik, die Sarkozy so schnell wie möglich überwinden möchte, um nicht mehr als „Kranker Mann Europas" beäugt zu werden. So ist die Finanz- und Steuerreform – bis auf die steuerliche Absetzbarkeit von Hypothekzinsen – verabschiedet worden sowie eine begrenzte Reform der Universitäten, die diesen eine gewisse Autonomie zusichert. Zudem wurde ein Rahmengesetz eingeführt, dass einen obligatorischen Mindestservice bei Streiks in öffentlichen Verkehrsbetrieben gewährleisten soll. Auch konnte Sarkozy die Strafbestimmungen für Wiederholungstäter und auch rückfällige jugendliche Delinquenten verschärfen. Gegenüber Sexualstraftätern sprach er sich aufgrund eines rückfälligen Kinderschänders gar für eine chemische Sterilisation aus. Trotz aller Vehemenz von Sarkozy wird die anvisierte Wachstumsrate von 2,25 Prozent wohl deutlich unterschritten werden.
Die größte Eigentümlichkeit dieser frenetischen Aktivität ist der fade Beigeschmack, dass Sarkozy seine ganze Ministerschaft, allen voran den Premierminister François Fillon laut letzterem zu „Vollzugsbeamten" deklariert. Die Minister und der Premier haben somit in der Realität fast kaum noch Gewicht, da Sarkozy Entscheidungen allein fällt und auch scheinbar für Artikel 21 der Verfassung keine Aufmerksamkeit zu haben scheint. Dieser legt fest, dass der Premier zur Führung der Amtsgeschäfte angeleitet ist.
Nicht nur innenpolitisch, auch auf dem Parkett der Außenpolitik legt Sarkozy eine Dominanz an den Tag und versucht, auf die Geschicke der Welt Einfluss nehmen zu können. So brüstet er sich voller Selbstbewusstsein mit dem beim EU-Gipfel in Brüssel erreichten EU-Grundlagenvertrag. Auch arbeitet Sarkozy an einer Annäherung und Entspannung mit Washington und zeigte sich jüngst versucht vertraut mit George W. Bush. Als zwiespältig wurde die Rolle des französischen Staatspräsidenten bei der Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes aus libyscher Haft von internationalen Stimmen eingestuft. So fiel die Befreiung mit einem Lieferungsvertrag von Waffen und Atomreaktoren von Frankreich an Libyen um Präsident Gaddafi zusammen.
Doch all dies scheint der hohen Zufriedenheit der Franzosen keinen Abbruch zuzuführen. Den Umfragen nach zu urteilen sind ca. 60 % der Franzosen zufrieden mit der Art und Weise des Politikstils von „Sarko". Auch seine Leidenschaft zu Luxus – seien es Anzüge oder Urlaube – hat in keinem großen Ausmaß zu Minuspunkten seiner Beliebtheit geführt. Doch irgendwann werden auch die Vorschusslorbeeren für Sarkozy aufgebraucht sein. Die Franzosen werden nach positiv nachhaltigen Folgen der Reformen verlangen, was der Staatspräsident in Hinblick auf die enorme Mobilisierungsfähigkeit der Franzosen ernst nehmen sollte. So gingen Hunderttausende Franzosen wegen des Ersteinstellungsvertrages CPE, durch den Jugendliche unter 26 Jahren in den ersten zwei Jahren ihrer Beschäftigung ohne jede Begründung eine Entlassung drohen sollte, im Frühjahr 2006 auf die Straße. Sarkozy sollte daher die Zügel seiner Reformpolitik nicht aus der Hand nehmen, sie jedoch noch konsequenter als bis dato in Richtung der wirklich brisanten Themen wie die Bildungspolitik lenken. Dann könnte auch die Bilanz der nächsten 100 Tage annähernd positiv ausfallen.
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Ich stimme Ihrer Einschätzung zu. Richtig ist auch, dass Sarkozy in beeindruckendem Tempo vorlegt und es verstanden hat das politische Gegenlager zu spalten bzw. miteinzubeziehen. Sarkozys Vorliebe für teure Uhren und Anzüge läßt sich meiner Meinung nach aus seiner Biographie herleiten (kleine Verhältnisse & Bürgermeister eines Pariser Nobelvorstädtchens).Wie Si bin ich gespannt ob Sarkozy auch langfristig hält was er versprochen hat.Schließlich soll unbestätigten Berichten zufolge das Langzeitgedächtnis von Politikern unterdurchschnittlich sein.