Karl-Heinz und ich

Es ist immer das Gleiche! Mindestes einmal im Jahr überkommt mich das dringende Gefühl, mal wieder ganz dringend abnehmen zu müssen.

Meistens passiert das, wenn ich mich kurz nach Weihnachten, wenn ich ganz allein zu Hause bin, auf die Waage schleiche. Allein zu Hause deshalb, damit niemand das mechanische Ächzen und elektronische Protestieren der Waage hört.

Die Hosen kneifen überall, die sowieso schon flatterweiten Hemden, die ich meistens trage, um meinen Luxuskörper züchtig zu verhüllen, beginnen Rundungen abzubilden, die besser nicht da wären, wo sie sind.

Kurz: Karl-Heinz hat wieder zugeschlagen!

Karl-Heinz ist der Kosename für meinen inneren Schweinehund, benannt nach einem ziemlich hässlichen Politikwissenschafts-Professor von mir, der auch ein furchtbares Raubtiergebiss sein eigen nannte.

Eigentlich ist Karl-Heinz ja nur einer von vielen, aber leider der hartnäckigste von allen. Und nachdem ich Berti, dem Schweinehund, der fürs Rauchen zuständig war, auf Meerschweinchengröße zusammengestaucht habe, ist Karl-Heinz leider immer größer und gefräßiger geworden.

Jetzt hat er eine Risthöche von knapp 2 Metern, 32 Zähne (im Oberkiefer ebenso wie im Unterkiefer) und wiegt knapp zwei Tonnen. Und immer hat er Appetit!

Er schnappt sich schon mal ein Stück Wurstbrot, das die Kinder aus der Schule wieder mitgebracht haben. Oder aber die eine Kartoffel und das Stückchen Fleisch, das noch auf dem Teller liegengeblieben ist.

Beim Kochen liebt es Karl-Heinz, eine kurze Qualitätskontrolle der verwendeten Lebensmittel zu machen und schon mal ein Pröbchen der kulinarischen Genüsse zu sich zu nehmen.

Karl-Heinz ist eben schwer satt zu kriegen. Besonders gern aber mag er Süßes!

Am liebsten lässt er sich abends auf der Couch füttern. Wenn am Wochenende mein gertenschlanker bester Ehemann ein paar Gummibärchen, ein kleines Täfelchen Schoki und ein Tütchen Tortillachips mit Sauce verdrückt, dann möchte Karl-Heinz auch was abhaben.

Gemein nur, dass bei mir jeder einzelne Chip auf dem Weg zur Hüfte noch mal um das Zehnfache an Gewicht zulegt, eher er sich darauf niederlässt.

Wie kann jemand, der so schlank ist wie mein bester Gatte, so viel Süßkram verdrücken und dabei gleichbleibend so schlank bleiben? Es wird mir ein ewiges Rätsel und Ursache tiefempfundenen Neides bleiben.

Ehe das Drama um meine schwellenden Rundungen in der Anschaffung neuer Hosen Größe T (wie „tent“) gipfelt, versuche ich irgendwann zum wiederholten Male, Karl-Heinz in seine Schranken zu weisen.

Hektischer Aktivismus greift Platz. Jetzt muss was passieren. Ich weiß ja, was zu tun ist, ich hab es ja schon oft genug durchgezogen.

Keine Süßigkeiten mehr!

Weihnachtliche Reste werden rigoros verschenkt – meine Kinder und mein Gatte sind dankbare Abnehmer.

Sport treiben!

Aber: Geld darf es nicht kosten – mit zwei Kindern ist das Geld immer knapp und meist sogar noch knapper. Für so was wie Fitness-Studio ist kein Geld da.

Also: Laufen oder Radfahren!
Die Knie sind kaputt, die Füße von der Arbeit im Verkauf platt wie die Flundern, also eher Radfahren!

Nun fahre ich sowieso schon fast jeden Tag knapp 6 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit. Einziger Effekt ist, dass ich nach der Strecke einen Mordshunger habe.

Nein, nicht ich habe den Hunger, Karl-Heinz will gefüttert werden.

Also müssen wir wieder mal bei der Auswahl des Schweinehundfutters vorsichtig werden.

Tomaten statt Pizza
Apfel statt Nudeln Carbonara
Rohkost statt Reisgericht

Tagsüber komme ich meist ganz gut zurecht. Aber jeden Abend muss ich kochen, denn mein Gemahl bekommt tagsüber nur Brot und verlangt am Abend nach warmer Atzung. Und gegen Abend ist Karl-Heinz dann auf zwei Meter angewachsen, knurrt und fletscht die Reißerchen.

Erst, wenn ich es endlich fertig bringe, ihm dann auf die schiefe Schnauze zu hauen, statt seinem Geheule und seinem Dackelblick nachzugeben, erst wenn ich aufhöre, abends mit der Familie zu essen, dann schaffe ich es vielleicht auch, ein paar Kilos abzunehmen.

Jedenfalls so lange, bis sich Karl-Heinz samstags wieder zu mir auf die Couch setzt, sich an mich schmiegt und mir tief in die hungrigen Augen schaut.

2 Meinungen

  1. Zitat: „Mindestes einmal im Jahr überkommt mich das dringende Gefühl, mal wieder ganz dringend abnehmen zu müssen. „Da findet sich die Ursache doch schon zu Beginn des Beitrags. „dringend“ und „einmal im Jahr“ sind Ausdrücke die in den wenigsten Fällen zu einem erfolgsversprechenden Resultat führen. Abnehmen braucht Zeit, genauso braucht es Zeit sich kontinuierlich dem inneren Schweinehund zu stellen. Immer „Nein“ sagen, quasi als Verbot, ist eine Idiotie, denn wie gern hält man sich denn an selbstgesetzte Verbote?Ein bewusster Umgang mit dem Essen ist viel wichtiger, auch Leckereien sollten in einer ausgewogenen Ernährung eine Rolle spielen, wenn auch nur eine Untergeordnete. Wer regelmäßig und in größeren Abständen nascht, erreicht mehr, als derjenige, der nie wieder naschen will, aber ständig von Fressattacken heimgesucht wird.Denn feste Naschtermine schaden nicht wirklich, wenn man dazwischen die richtige „Schonzeit“ einlegt und sich bewegt, ganz im Gegenteil: Hat man am festen Termin keine Lust zu naschen, stärkt man sich noch viel mehr gegen den Schweinehund.

  2. Ich könnte schwören, daß es den Karl-Heinz auch im Delta-Quadranten gibt ;-)Ganz, ganz liebe Grüße

Schreiben Sie Ihre Meinung

Ihre Email-Adresse wird Mehrere Felder wurden markiert *

*