Jetzt isser wieder weg…

Am Sonntag, als der Papst in München eine zweienhalbstündige Messe feierte, hatte ich in der Schweiz in einer reformierten Kirche zu predigen. Meine Quote war bestimmt nicht so gut wie die Benedikts XVI. Immerhin sahen gut 2,5 Mio Menschen der Messe im Fernsehen zu und der Unterschied hätte auch sonst nicht größer sein können.

Die reformierte Tradition lebt allein von ihrer großen Nüchternheit und ihrer strengen Konzentration auf das Wort. Räume und Gesten, Gesänge, Farben und Gerüche haben keine Bedeutung. Es kommt allein auf das Hören an. Der katholische Ritus, so haben wir wieder einmal gesehen, zieht seine Kraft aus der Sinnlichkeit und aus der Inszenierung. Die Messe wird zu einem Erlebnis, dass den Menschen nicht nur intellektuell sondern mit Leib und Seele packt. Ein guter Freund, eigentlich ein guter Protestant lutherischer Provenienz, versuchte mir klar zu machen, dass der Heilige Geist anwesend gewesen sein müsse. Anders könne man sich nicht erklären, dass so viele Menschen einschließlich seiner selbst emotional so sehr angerührt worden sind.

Nun glauben wir, dass die Anwesenheit des Heiligen Geistes nicht von Joseph Ratzinger abhängt. Gleichwohl lernen wir auch, dass der Mensch eben nicht nur auf den Intellekt zu reduzieren ist. Er ist eben auch ein sinnliches Wesen und die Tore zum Herzen, zur Seele und zum Verstand sind vielfältig.

Die Medienpräsenz des Papstes und Medienmacht, die das deutsche Fernsehen und die katholische Kirche mobilisiert haben, erfüllen mich gleichwohl mit Sorge. Die Form ist nicht alles und das Event ist nicht das Evangelium. Medienhype und Papsteuphorie sorgen nicht für mehr Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens. Und die "Wahrheiten" die der ehemalige Dogmatikprofessor verpackt in einen großen Auftritt zu verkünden hatte, waren einfach, gleichwohl etwas trivial: "Ohne Gott geht die Sache nicht auf!" Und der sonntägliche Kirchgang hält die Familie zusammen.

In Regensburg, wo Joseph Ratzinger einst Dogmatikprofessor gewesen ist, hielt er eine Vorlesung. Deren Grundtenor lässt sich bereits in seiner 19XX erschienenen Einführung in das Christentum finden. Das Verhältnis von Glaube und Vernunft und die Angewiesenheit des nach Erkenntnis strebenden Menschen auf Gott. Dies sind seine intellektuellen Wurzeln.

Benedikt liebt aber auch die Folklore, denn sie hat seine Frömmigkeit geprägt. Die Wallfahrten nach Altötting seien seine frühesten und schönsten Kindheitserinnerungen. Er ist zu den Wurzeln seines Glaubens gepilgert. In den Augen eines Protestanten mag das tatsächlich katholische Folklore sein. Aber daraus ist noch etwas zu lernen: Der komplizierte Kopf des Theologieprofessors sitzt auf einem Körper, in dem ein schlichtes Herz schlägt – und beide vertragen sich! Der Glaube der Kleinen und ihre schlichte Spiritualität sind achtens- und schützenswert. Davon kann sich die gelegentlich ein wenig überheblich daherkommende Theologenschaft beider Konfessionen eine Scheibe abschneiden.

Gleichwohl habe ich mich in der Schweiz gut aufgehoben gefühlt! Besagter Freund, seines Zeichens Journalist, berichtete mir von einem Gespräch mit einer Devotionalienhändlerin in Altötting: "Der Papstbesuch tut uns mal richtig gut (natürlich in ökonomischer Hinsicht. F.C.). Hoffentlich bleibt das noch etwas so."

Eine Meinung

  1. Das haben Sie wirklich sehr gut beschrieben. Papst Benedikt präsentierte sich tatsächlich als eine Mischung aus dem kleinen, wahrhaft frommen Menschenjungen Josef, dem die Herzen und die Gemüter zurecht zufliegen, und dem nüchternen, maschinell arbeitenden Ratzingerintellekt, der explizit weiß, was er bewirken will. Zuckerbrot und Peitsche, katholisch halt. Aber er ist grundsätzlich mehr Ratzinger als sonst etwas und hochraffiniert in der Art, wie er seine bezogene Position auszudrücken und daran festzuhalten weiß. Eigentlich so, dass man es erst hinterher merken soll…Dass er in seinem Vortrag gleich am Anfang die nicht verschmerzte Zurücksetzung seines theologischen Studienfaches durch damalige Wissenschaftsstudenten von 1959 untergebracht hatte (und sich aus seinem jetzigen Stand heraus dafür rächte, indem er das Studium der Wissenschaft am liebsten nicht mehr ohne Gottesbezug zulassen wollte), zeigt deutlich: Ratzinger „vergisst“ nicht, er hat ein Elefantengedächtnis, wartet auf seine Chance und entschuldigt sich hingegen eher ungern. Auch dass er damals gegen Papst Johannes Pauls II öffentliche Entschuldigung für die kirchlichen Verbrechen stand, ist bekannt…Bei Ratzinger, da gibt es kein einziges Wörtchen, das nicht druckreif wohl überlegt oder nicht exakt platziert wäre, er sagt nichts, was er nicht genau so beabsichtigt hätte, ob unterschwellig oder deutlich. Ratzinger war sich m.E. sehr wohl bewusst, welche Provokation er dem Islam gegenüber in seinen Vortrag einschloss. So ein Zitat über den Gewaltaufruf des schlechten Mohammed und seinen Gott, dem er den Logos absprach, und der die Wahrheiten wahllos verändert, baut er nicht ohne Absichtlichkeit in einen mit Überlegung erarbeiteten Vortrag ein. Vor Millionen von Zuschauern in aller Welt! So etwas ist kein Versehen, denn es fehlte entschieden auch an einer einzigen positiven Äußerungen zum Islam darin. Wenn man dieses kurze Pausieren inmitten des Zitates, diesen gezielt gehobenen, Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft fordernden Blick, registriert hat, WEISS man einfach, dass er mit diesem Zitat absichtlich Wirkung erzielen wollte. Ich habe mir das mehrmals angesehen und ich kenne seine Art und Gesten schon genügend aus seiner Zeit in München. Deshalb haben auch die nachträgliche, allzu lässig wirkende Erklärung des Vatikansprechers, der Papst habe doch nur zum Dialog zwischen den Kulturen aufrufen wollen, und des Papstes „Bestürzung“, dass seine Worte Muslime beleidigt haben „könnten“ (heuchelheuchel), auch auf mich keineswegs Eindruck gemacht. Dieser Mann ist nicht naiv!! Hätte ein oberster Moslemführer einen Vortrag vor einem Millionenpublikum gehalten, in welchem er den Christengott mit „Mein ist die Rache“, spricht der Herr, und Jesus mit „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ zitiert hätte, wären die Christen ob so einer Kurz-Charakterisierung ihres friedlichen Glaubens, welche nur die Gewalt heraushebt, auch auf die Barrikaden gegangen und hätten das nicht als positiven Einstieg in einen Dialog empfunden.Grundsätzlich könnten dem Papst aber auch alle Frauen beleidigt sein, die christlichen und die muslimischen, denn über seine erschreckend blöde Marienmoralpredigt legte er wieder allen ans Herz, sich selbst zurückzunehmen wie Maria es vorbildhaft tat, immer den Herrn zu bitten ohne etwas dabei zu fordern und es ihm zu überlassen, ob er etwas tun will oder nicht und auch die Art und Weise, wie er die Sache handhaben will. Position klargestellt und weiterzementiert. Großer Fortschritt. Und die Evangelischen haben auch keinen Grund von Annäherung in der Ökumene zu jubeln, wer gut zugehört hat, hat auch den Nebensatz bei der Ankunft am Flughafen nicht überhört, dass 500 Jahre Trennung nicht so einfach vom Tisch zu wischen seien. Als Mensch so für sich gesehen, mag er ja ganz umgänglich und nett sein, keine Frage. Aber wie ich schon sagte: Lasst das Lächeln, die Stimme, sein Charisma, den Altersbonus und sein herzliches Winken weg, und es erschließt sich die Brisanz und Nüchternheit seiner Aussagen und seines Amtes.

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