Inhalt gnadenlos überschätzt

Dem hatte Ben Hecht das Drehbuch für ‚Notorious‘ geschrieben, ein Mann, der unter anderem deshalb schon bald die Schergen McCarthy’s an den Hacken hatte. Es ging im Script um untergetauchte Nazi-Killer in Südamerika, die aus geschmuggeltem Uran eine Atombombe basteln wollten. Ein Motiv, das so bescheuert ist, dass es heute – mit Arabern anstelle der untergetauchten Nazis – als unverzichbarer Teil des großen Al-Qaida-Epos noch immer quicklebendig und plausibel scheint. Im Film jedenfalls liebten und quälten sich Ingrid Bergman und Cary Grant wechselseitig, bis jeder amerikanische Kinosaal in Tränen schwamm – und natürlich sollte ein solcher Filmerfolg dann auch nach Deutschland kommen.

Das mit den Nazis, das ging im frisch mit Persil gewaschenen Deutschland aber ’nu ma rein gaaar nicht‘! Kurzerhand flogen bei der deutschen Synchronisation deshalb die Nazi-Verbrecher raus, bzw. verwandelten sie sich in böse Rauschgiftschmuggler, die nach ihrem Berufswechsel auch kein Uran mehr schmuggelten, sondern teuflische Drogen. So konnte der Film auch in Deutschland ein Hit werden, wo er ab 1951 den schönen Titel ‚Weißes Gift‘ trug.

Trotz der Zensur sind beide Fassungen großartige Filme, schließlich sind es Filme von Hitchcock und Ben Hecht. Was wiederum zeigt, worum es mir hier geht: Die konkreten Inhalte, die Auslöser der Handlung, die sind beim Schreiben oft gar nicht so wichtig, wenn bloß der ‚Plot‘ stimmt, der Ablauf, das Handlungsschema. Man muss auch keine ellenlangen Abhandlungen über den internationalen Pelzhandel lesen, nur weil ein Nerzmantel im Blogeintrag vorkommt. Drogen, Waffen, Nutten oder illegaler Alkohol – alle Funktionsstellen sollten austauschbar sein, aus dem Italiener wird problemlos ein Slowene, aus dem Russen ein Rumäne, aus der Tante eine Cousine.

Die amerikanischen Drehbuchschreiber benutzten übrigens einen Fachausdruck dafür, der von Hitchcock höchstselbst geprägt worden war: Ein austauschbarer Teil des Plots, eine Figur, ein Gewerbe, ein Verbrechen oder eine andere Rollkulisse, die nannte er immer einen McGuffin. Ein McGuffin ist also so etwas wie das Hasenfell im Hunderennen, das eben auch aus einem Katzenfell oder einem Marderfell bestehen kann. Wem wer weshalb hinterrennt, das ist dabei ziemlich egal, Hauptsache, es wird reichlich gerannt – und auch geliebt. Die Geschichte zum Film findet sich übrigens in diesem schönen Teil des Internets, und auch die Reproduktionen der unterschiedlichen Filmplakate stammen dorther.

Wir aber könnten auch in den Blogs manchmal die Handlung und das Geschehen zwischen den Charakteren stärker ins Auge fassen, statt uns in unseren McGuffins zu verlieren.

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