10 Uhr, 21.12.2006: Mein Flug geht zwar erst um 13.55 Uhr (denke ich zu diesem Zeitpunkt zumindest noch), aber ich bin mal lieber früher, ne. Habe ja gehört, was am Vortag für ein Chaos war, Hunderte von Flügen abgesagt, Tausende von Menschen am Flughafen gestrandet. Dass sich auch an meinem Reisetag der Nebel nicht einfach so verziehen würde, daran denke ich in meiner weihnachtlichen Vorfreude überhaupt nicht …
In den Terminal 2, wo Lufthansa operiert, komme ich auf jeden Fall schon mal gar nicht rein. Stattdessen lande ich mit vielen, vielen anderen Menschen in einem davor aufgebauten Zelt, wo wir für die nächste Zeit interessiert und, ja, ich will sagen, durchaus gespannt, einem freundlichen Angestellten des Flughafens lauschen, der vorne im Zelt mit einem Mikro in der Hand vor einer Tafel steht und in regelmäßigen Abständen kundgibt, welche Flüge nun a. zum Einchecken bereit sind oder b. gecancelled wurden. Für diesen Job hätten sie gar keinen besseren finden können, denn dafür braucht man in einer solchen Situation (Panik- und Ausrastgefahr: akut erhöht, es ist Weihnachten, alle wollen irgendwo ganz dringend hin und nur eines nicht: in Heathrow stecken bleiben) a. gute Nerven und b. einen gewissen Sinn für Humor. Und der Mann im gelben Neonanorak schafft es tatsächlich noch, die im Minutentakt an ihn herangetragene Frage „Was ist denn jetzt mit meinem Flug?" immer wieder mit einem verschmitzten Grinsen und sonnigem Gemüt zu beantworten: „We don't know but it hasn't been cancelled yet. I'm afraid you'll have to wait until it's being called up."
Der Herr in der Mitte ist übrigens ein Brite, wie man ihn sich vorstellt: mit einem Becher Tee in der Hand und dem Economist sitzt er wahrscheinlich jetzt noch im Zelt und fragt sich, was der ganze Aufruhr eigentlich soll.
Gecancelled or not gecancelled – das ist hier die Frage.
11.30 Uhr, 21.12.2006: I'm very afraid that my flight will be cancelled soon. Denn ich höre, wie erst der Frankfurtflug vor meinem und dann eine ganze Reihe von LH-Flügen nach Deutschland nach meinem abgesagt werden. Aber erst Mal wird ein Teil unseres Zeltlagers ins Terminal gerufen, Platz machen für all die anderen, die draußen in der Kälte stehen. Ich ziehe also um, besorge mir was zu trinken und stolpere fast über eine Gruppe Spanier, die es sich auf dem Boden vor Cafe Costa mit Wärmefolien bequem gemacht haben und auch ansonsten wenig südeuropäische Lebensfreude ausstrahlen, ganz im Gegenteil.
12.30 Uhr, 21.12.2006: Hurra, mein Flug wurde nicht gecancelled, und, wie ich im Nachhinein feststelle, ist damit fast der einzige, der an diesem Tag mit LH nach Deutschland geht. Was für ein Glück. Ich checke ein; läuft doch. Jetzt kann es sich nur noch um Stunden handeln.
14.50 Uhr, 21.12.2006: Genau. Inzwischen habe ich die Security Kontrolle schon eine Weile hinter mir gelassen und starre – mal wieder, immer noch, mache das jetzt hauptberuflich – auf einen Bildschirm, auf dem vor circa eineinhalb Stunden bekannt gegeben worden war, dass mein Flug verspätet ist. Dann heißt es plötzlich, Abflug sei um 15.10 Uhr, zwanzig Minuten vorher steht allerdings noch nicht mal fest, an welchem Gate. Ich beobachte einen Mann, der mit Skibrille auf dem Kopf rum läuft. Wahrscheinlich sind die Chancen, dass er es noch in den Skiurlaub schafft, so gering, dass er das Teil jetzt einfach schon mal aus Trotz aufsetzt.
15.35 Uhr, 21.12.2006: Boarding!!!! Gerade eben habe ich in dem am Gate 7 aufgestellten Fernseher in den BBC Nachrichten noch gesehen, dass heute Nacht in Peckham im Südosten Londons, wo ich die letzten sechs Wochen gewohnt habe, ein Mann in den Kopf geschossen wurde. Nichts wie weg jetzt. Und dann war da auch noch so ein Langweiler im Daunenanorak, der irgendwo im Nebel rum stand und was von Chaos am Flughafen erzählt hat. Öde.
16.35 Uhr, 21.12.2006: Seit fast einer Stunde sitze ich in der vorletzten Reihe einer bis auf den letzten Notsitz besetzten Maschine und warte zur Abwechslung mal wieder. Eben rollt die Maschine los und Kapitän Falk von Irgendwas meldet, dass es jetzt in die Luft geht.
18.58, Ortszeit Frankfurt, 21.12.2006: Landung. War doch gar nicht so schwer.
19.30, 21.12.2006: Ich nehme meinen Koffer in Empfang, genau zwölf Stunden, nachdem ich aufgestanden bin. So war das von Anfang an geplant. Merry Christmas everyone! Und nächstes Jahr geht es weiter aus London – ob mit oder ohne Nebel. Cheerio!
Nur so ist es zu erklären, warum es so viele Hotels im Umkreis von Heathrow gibt. Vielleicht ist das ja Programm. Je mehr Reisende am Flughafen festsitzen, desto besser das Geschäft für die Airport-Hotels (die wiederum Mieter des Flughafen-Betreibers sind). Am neuen Terminal 5 gibt es jedenfalls riesige Hotels.
…bleibt nur noch anzumerken das der Chef der weltweit renomierten Fluggesellschaft Emirates bereits die komplette Schließung des Flughafen Heathrow gefordert hat. Auch in Großbritannien mehren sich immer mehr Stimmen den Großflughafen zu schließen und am Stadtrand einen neuen Großflughafen zu errichten.www.Netticket.de