Gotye „Making Mirrors“: Selbstreflektion und a little Gabriel, too aus Australien

Eigentlich spielt Wally de Backer bei der ebenfalls recht erfolgreichen Rockband The Basics, die ein Jahr, nachdem Wally sein Soloprojekt 2001 im Schlafzimmer gestartet hat, zusammen fanden und seitdem knapp 1000 Shows (!!!) gespielt haben. Aber zurück zu Gotye, denn um den soll es ja gehen.

Was vorher geschah

2001 also, saß er auf einer Matratze und bastelte mit diversen Samples, die er zu Songs zusammenschraubte und plötzlich war eine EP da und dieser eine Song „Out here in the cold“, der unter einem Spitznamen, den ihm seine Mutter gegeben hatte (Gaultier) als erster Song von „Gotye“ Aufmerksamkeit in den Radios fand. Das nicht zuletzt, weil de Backer alles selbst in die Hand nahm, seine Aufnahmen kopierte, mit selbstgemachten Covern versah, verschickte und dann überall Klinken putzte, um sich zu vergewissern, dass sie auch gut angekommen waren. Die Sammlung dieser Aufnahmen wurde schlussendlich zum Debütalbum „Boardface“ im Jahre 2003.

Acht Jahre später hat Gotye nicht nur durch seine Verbindung zu The Basics, sondern vor allem durch das langsam wachsende, ja, gigantisch gewordene „Like drawing Blood“ Album eine ansehnliche Fangemeinde in Australien gewonnen. Mit seinem neusten Werk „Making Mirrors“, soll sich das jedoch auf die ganze Welt ausweiten.

Making Mirrors: Reflektionen

Der gleichnamige Opener verrät es schon, Gotye ist ein wenig ruhiger geworden, gleichzeitig bekommt man einen definitiven Peter Gabriel Vibe, heißt also, man bekommt es mit wunderbaren Popsongs zu tun, die immer eine Spur Weltmusik, Sample-Spielereien und eindringlicher Vocals in sich tragen.

Die werden beispielsweise im herzzerbrechenden Duett „Somebody that I used to know“ mit Kimbra sichtbar, ein Song über die Folgen einer Trennung. „I don't even need your love but you treat me like a stranger and that feels so rough„, in Form von der Neuseeländerin Kimbra wird jedoch auch die weibliche Stimme klar, „I don't want to live that way, reading into every word you say, you said that you would let it go„.

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Reflektion, genau das ist das Thema des Albums, das sich in allen möglichen Formen in Gotyes Texten findet. Und es wurde auch im Albumcover aufgenommen, eine Interpretation eines Kunstwerkes, das Wally in der Scheune seiner Eltern fand und das den Händen seines Vaters entsprang. Reflektion auch in der Kreativität des Vaters im Sohn, die Wärme der vielen Ideen und Einzelheiten in de Backers Konzept hält auch im Winter die Kälte draußen.

Aufgenommen wurde „Making Mirrors“ in einer Spanne von 2 Jahren, vorher war de Backer schon für Samples in seiner Musik bekannt, dieses Mal sammelte er sie jedoch selbst auf Touren mit seiner Band The Basics. Ein Metallzaun, der sich wie eine Gitarre spielen lässt, ungewöhnliche Instrumente in ungewöhnlichen Gegenden, nichts war sicher vor de Backers Aufnahmegerät. Der Gitarrenzaunsound hat es übrigens auf die erste Single „Eyes Wide Open“ geschafft.

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Wally de Backer ist ein Nerd und genau deshalb ist es auch mehr als nur Pop, was er uns auf „Making Mirrors“ präsentiert, all diese verschiedenen Instrumente, Keyboards, unzählige Percussion-Instrumente und Wally – zum ersten Mal für Gotye – am Schlagzeug zeugen von der endlosen Weite, die seine Vorstellung in Sachen Songwriting beflügelt.

Die Melancholie des Spiegelkabinetts

Besonders zum Anfang des Albums erscheint „Making Mirror“ nur allzu melancholisch, nichts scheint geblieben von der haltlosen Freude eines „learnalilgivinandlovin“ (Like Drawing Blood), doch fast so, als läge ein Konzept dahinter, verwandelt sich die Einsamkeit in Euphorie, etwa in „I feel better“, das wieder zeigt, was für Unmengen an Soul Herr de Backer in seinen Stimmbändern mit sich herum trägt.

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Zum Ende hin wird das Album wieder etwas ruhiger, aber keineswegs deprimierender. In einer liebevollen Geste legt sich „Save me“ mit traditionellen Background-Chören auf die Ohren, auch hier scheint Peter Gabriel als eventuelle Inspiration durch, man kann wohl dankbar sein, denn was diesen Songs inneliegt, sind die vielen Details, einzelne Keyboard-Spuren, vertraute Klänge mischen sich mit Samples aus zahlreichen Instrumentalstücken, die Plattensammlung von Wally muss gigantisch sein. So kann selbst ein Sample vom Banana Boat Song in „Bronte“ – einem musikalischen Abschied – auf Zehenspitzen zu einer tröstenden Hand auf der Schulter werden.

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Es ist schön zu wissen, dass Australien seiner innovativen Musiker nicht müde wird und dass musikalische Vorbilder des Pop nicht immer die üblichen Verdächtigen sein müssen, sondern auch die Vorreiter, die Kauze und immer weltoffenen Nerds. Dass Peter Gabriel in Wally de Backer einen würdigen Mitstreiter der jüngeren Generation bekommen hat, können wir einmal mehr als Zeichen sehen, dass die Hochzeiten des (experimentellen) Pop eben noch längst nicht vorbei sind. 

4 Meinungen

  1. Diesen Musiker kannte ich bisher noch gar nicht. Aber ich muss sagen, die Musik gefällt mir echt :).

  2. Vielen Dank für den informativen Bericht. Ich habe – das muss ich zu meiner Schande gestehen – heute zum ersten Mal von Gotye gehört. Finde die Musik aber klasse…und ich bin wohl auch nicht der einzige, der eine Verbindung zu Peter Gabriel sieht.

  3. Somebody i used to know ist wirklich ein sehr guter Song. Habe Ihn schon mehrmals hintereinanter angehört und muss sagen er wird mit der Zeit immer besser. Die anderen Songs muss ich ehrlich sagen kannte ich noch nicht. Schade ist nur das die oberen eingebundenen Youtube Videos wegen der Gema nicht funktionieren… Auf Youtube gibt es übrigens eine sehr interessante Version von „Somebody…“ von einer Coverband, auf jeden Fall anschauen sag ich da nur ;-).

  4. @Jazz Pianist: Ja, als die Rezension geschrieben wurde, war das Album noch nicht in Deutschland draußen, deshalb hat Youtube da noch nichts gesperrt. Ich guck mal, ob ich Live-Versionen finde und tausch dann die Videos aus.

    Beste Grüße,

    Juliane

    PS: Die Coverversion kenne ich – sehr gelungen!

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