Euripides Iphigenie bei den Taurern: Interpretation der klassischen Tragödie

Im Jahre 412 vor Christus wurde sie wahrscheinlich uraufgeführt, die Tragödie Iphigenie bei den Taurern des klassischen Dramatikers Euripides. Sie basiert auf einem wohlbekannten Stoff der griechischen Mythologie, der Tantaliden- (auch: Atriden-) Sage, die die Geschicke der gesamten Nachfahren des Tantalus beinhaltet. Urvater Tantalus hatte sich durch einen Frevel gegen die Götter einen Fluch eingehandelt, der sich auch auf seine Nachkommen auswirkte. Zu diesen gehören auch Iphigenie, die Namensgeberin dieser Tragödie, und ihr Bruder Orest, der ebenfalls als Hauptfigur auftritt. Die Vorgeschichte der Handlung wird von Euripides in dem Stück „Iphigenie auf Aulis“ behandelt, das er allerdings erst Jahre nach „Iphigenie bei den Taurern“ schreibt.

Iphigenie bei den Taurern: Handlung des Stückes

In diesem Stück erfahren wir von der Heldin, die nun als Tempelpriesterin der Artemis auf Tauris wirkt, dass sie auf Geheiß eben jener Göttin von ihrem Vater Agamemnon geopfert werden sollte. Der war dazu durchaus bereit gewesen, sollte dieses Opfer doch die Flaute beenden, in die sein Schiff auf dem Weg nach Troja geraten war – doch die Göttin hatte im letzten Moment das Mädchen durch ein Reh er- und Iphigenie nach Tauris versetzt. Hier dient sie Artemis in deren Tempel und führt in dieser Eigenschaft selber die Opferungen durch, die von König Thoas bestimmt wurden: jeder Fremde, der an den Strand von Tauris gespült wird, soll zu Ehren von Artemis rituell getötet werden.

Als nun ausgerechnet ihr Bruder Orest und dessen Freund Pylades schiffbrüchig in Tauris landen, erkennt Iphigenie ihn natürlich nicht, hat sie ihn doch seit Kinderzeiten nicht mehr gesehen.  Orest hatte wegen des Mordes an ihrer beider Mutter Klytämnestra in Athen vor Gericht gestanden, war jedoch freigesprochen worden. Orest habe das Recht zum Rächen gehabt, hatte die irdische Gerichtsbarkeit befunden, denn Klytämnestra hatte ihrerseits Agamemnon heimtückisch umgebracht.  Doch die Erynnien, die Rachegöttinnen, hatten Orest weiter verfolgt. Um sie zu besänftigen, erlegte Gott Apollon Orest eine letzte Sühnetat auf: Orest sollte die taurische Statue der Artemis entwenden und nach Athen bringen. So also kommt er nach Tauris und findet, was er selber nicht ahnt, seine Schwester wieder.

Nur weil Iphigenie einen der beiden Schiffbrüchigen am Leben lassen will, damit dieser einen Brief nach Athen bringen kann – Orest und Pylades streiten darum, wer sich opfert, damit der Freund am Leben bleibt –  wird letztlich enthüllt, dass der Adressat des Briefes bereits anwesend ist: Orest. Die Geschwister, die sich gegenseitig tot geglaubt haben, sind ekstatisch vor Freude. Sie beschließen zu fliehen. Doch ihr Fluchtplan wird an König Thoas verraten, während ungünstige Winde ihr Fliehen zu vereiteln scheinen.

Da greift eine weitere Göttin ein: Athene. Ihrer Autorität muss auch König Thoas gehorchen und nicht nur Iphigenie, Orest und Pylades mit dem Standbild nach Griechenland zurückkehren lassen, sondern auch die griechischen Sklaven, die in diesem Stück den Chor bilden, freilassen. Iphigenie wird als Priesterin der Artemis in einem neu eingerichteten Heiligtum in Brauron wirken.

Iphigenie bei den Taurern: Rezeption in der heutigen Zeit

Iphigenie bei den Taurern ist nicht im eigentlichen Sinn eine Tragödie, denn das Stück endet trotz dramatischer Wendungen nicht im Leid, sondern eher glücklich. Auch wenn für den modernen Theaterbesucher das direkte Eingreifen der Götter (hier besonders Athene als „deus ex machina“) etwas befremdlich wirken mag, berührt das Werk bis zum heutigen Tag als starkes und schönes Schauspiel.

Das Bühnenstück Iphigenie auf Tauris von Johann Wolfgang von Goethe, das 1787 erschien, ist eine weitere berühmte Bearbeitung dieses Stoffes.
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