Retrospektive, also eine Rücksicht auf das, was war, irgendwie aber auch immer eine Hinsicht auf das, was da kommen könnte, denn Erdmöbel sind noch lange nicht am Ende, wie ihr hochgelobtes 2010er Album „Krokus“ bewies.
Erdmöbel – Von Texten und Liedern
Für viele Neueinsteiger der gehaltvollen Indieszene Deutschlands dürften Erdmöbel ein oft gehörter Name selten gehörter Musik sein, denn so bekannt sie in der Szene sind, so unterrepräsentiert sind sie in den einschlägigen Musikmedien. Mit „Retrospektive“ gibt es daher für den Unbescholtenen eine erste, zaghafte Berührung der Wahlkölner, die einem gerade so viel geben, um neugierig und ein wenig verliebt zu werden.
Ob nun 18 Lieder aus 15 Jahren oder 17 Lieder aus 16 Jahren, was bleibt sind 19 Lieder, ein neues („die krähen“), 18 alte, die nicht so klingen, aber die Zeit als Zeuge in sich und ihren Texten tragen, die rein lyrisch den Alltag so wunderbar wiedergeben, wie diese obskur, ja sogar surreal klingenden Trendwörter, die für ein paar Monate durch die Cafes und Warteschlangen schleichen, nur um alsbald wie exotische Fossile in Markus Berges Texten zu liegen und dort in warme Beobachtungen eingebettet ein neues Zuhause finden.
Worte umdichten
Mal behutsam einen Moment beschreiben, wie in „der blaue himmel“, in dem die unsäglich hässlichen Buffalos tatsächlich zu etwas Poetischem werden können, oder verschrammelt aggressiv in „wurzelseliger“, Erdmöbel verstehen sich auf die technischen Aspekte ihrer Musik und können daher auch stilsicher und -wechselnd nach klaren Piano-getriebenen Balladen und rotzigen Wutsongs streben, ohne ins Straucheln zu geraten. Und dazwischen immer wieder diese Heiterkeit, gerne mit Posaune untermalt, eine zufriedene Feierlichkeit, die Humor beweist, aber nie herablassend wirkt. So sind Erdmöbel auch ihr großes Cover/Interpretationsprojekt „No.1“ angegangen, als sie Nummer 1 Charthits in deutsch und Farbe coverten, ungeachtet der Herkunft oder Qualität der Originale. Eine amüsierte, dennoch respektvolle Handhabung mit den teilweise grotesk banalen Songs.
Genauso kann man sich Erdmöbels Texte denken, ein spielerischer Umgang mit absurden Kombinationen wie „russisch Brot und Küsse“ oder „wie ein Hochhaus im Frühling“, sowie großartige Worte a la „Nussbaumfurnier“ werden niemals zur herablassend-ironischen Freakshow, sondern vielmehr zur humorvollen Schönheit im Alltag.
Große Gesten, kleine Lieder, tiefe Texte und sich in die Höhe schwingende Melodien, „Retrospektive“ ist ein schönes Rundumwerk, das Lust auf mehr macht und so Einblicke gewährt, die den ein oder anderen Erdmöbel-Neuling sanft an das große Machwerk der Band heranführt.
Das Album kommt am 23.9.2011 raus und eine Tour dazu gibt es auch noch (Tourdaten und Tracklist s.u.). Noch mehr Infos und Bilder findet ihr auf der ofiziellen Homepage der Band.
[youtube jnjMhoCgd0M]Tracklist
01. der blaue himmel
02. wurzelseliger
03. wetter unter models
04. russisch brot
05. anfangs schwester heißt ende
06. fremdes
07. lied über gar nichts
08. busfahrt
09. vergnügungslokal mit weinzwang (live)
10. wort ist das falsche wort
11. wieder allein, natürlich
12. in den schuhen von audrey hepburn
13. au-pair-girl
14. das leben ist schön
15. für die nicht wissen wie
16. dreierbahn
17. lang schon tot
18. die devise der sterne
Erdmöbel Tourdaten 2011:
30.09. Berlin, Lido / cd release konzert
15.10. Schwedt/Oder, Uckermärkische Bühnen
19.10. Fürth, Comödie
20.10. Göttingen, Musa
25.10. Regensburg, Alte Mälzerei
26.10. Freiburg, Jazzhaus
27.10. Essen, Zeche Carl
28.10. Leer, Zollhaus
29.10. Gütersloh, Theater Gütersloh (WDR5 Liedernacht)
30.10. Hachenburg, Stadthalle
31.10. Reutlingen, Franz.k
02.11. Hamburg, Fabrik
03.11. Potsdam, Lindenpark
17.11. Hildesheim, Kulturfabrik Löseke
18.11. Wuppertal, Die Börse
19.11. Bremen, Lagerhaus
25.11. Würzburg, Posthalle
26.11. München, Backstage (Halle)
02.12. Ludwigshafen, Kulturzentrum dasHaus
03.12. Frankfurt / Main, Batschkapp
09.12. Köln, Gloria