Ein Fitness-Test für die europäischen Naturschutzgesetze

Ein Fitness-Test für die europäischen Naturschutzgesetze

Momentan herrscht große Aufregung bei den Naturschutzverbänden. Die beiden wichtigsten EU-Richtlinien für den Naturschutz in ganz Europa stehen auf dem Prüfstand. Ist Natura 2000, das größte Naturschutzgebietsnetzwerk der Welt in Gefahr?

Vor zwei Jahren begann die Überprüfung der EU-Richtlinien

Im Wesentlichen geht es um zwei EU-Richtlinien: die Vogelschutzrichtlinie von 1979 und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von 1992. Zusammen bilden sie ein sehr ehrgeiziges Naturschutzgesetz. Verlangt wird die Bildung eines zusammenhängenden Schutzgebietsnetzes. Natura 2000, so wird das Gebietsnetz genannt, umfasst heute etwa 18 Prozent der Fläche der Europäischen Gemeinschaft. Ein großer Teil dieser Fläche wird zwar durch Forst- oder Landwirtschaft genutzt, das geschieht aber unter strengen EU-Auflagen. Seit 2014 überprüft nun die EU unter Leitung des Umweltkommissars Karmenu Vella die EU-Richtlinien. Dazu wurden europaweit über hundert Behörden und Organisationen angeschrieben und eine Online-Befragung der EU-Bürger durchgeführt. Nun müssen mehr als 1200 Veröffentlichungen ausgewertet werden. In der Online-Befragung votierten 93 Prozent der Teilnehmer für die Beibehaltung der bestehenden Naturschutzgesetze aus.

Bauern und Jäger fordern Änderungen der Gesetze

In den vergangenen Jahrzehnten verbesserten sich aufgrund der Naturschutzgesetze die Lebensbedingungen zahlreicher Arten. Biber, Seeadler und selbst der Wolf konnten zurückkehren. Eine Erfolgsgeschichte betrifft den früher sehr seltenen Kranich: Hundertausende rasten bei uns auf dem Weg in die Winterquartiere und es gibt auch wieder Tausende von Brutpaaren in Deutschland. Die großen deutschen Naturschutzverbände Nabu, BUND, Naturschutzring und WWF haben jetzt in einem offenen Brief für den Erhalt der Naturschutzrichtlinien plädiert. Nach Meinung des Nabu leisten die Natura-2000-Gebiete „einen wichtigen Beitrag zum Arten- und Klimaschutz, sorgen für das Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger Europas und tragen zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt bei.“ Inzwischen haben sich auch der Umweltministerrat und das europäische Parlament für den Erhalt der Richtlinien ausgesprochen. Die Naturschutzverbände vermuten, das Lobby-Vertreter eine EU-Entscheidung verzögern. Der Deutsche Jagdverband und der Deutsche Bauernverband hatten Änderungen an den Richtlinien gefordert.

Der WWF warnt vor Stillstand im Naturschutz

Ein Rechtgutachten, das der WWF veröffentlichte, warnt ausdrücklich vor Veränderung der bestehenden Naturschutzgesetze. Die Beratungen und Verhandlungen über neue Gesetze können sich über bis zu sechs Jahre hinziehen. Danach brauchen die EU-Mitgliedsstaaten zusätzlich Zeit für die Umsetzung. Die alten Gesetze würden in dieser Zeit zwar ihre Gültigkeit behalten, aber Verfahren wegen Vertragsverletzung könnten sich verzögern. Das könnte einen Rückschlag für den Naturschutz bedeuten. 60 Prozent der überwachten Tierarten geht es heute schon mäßig bis schlecht.

 

Fotoquelle: Thinkstock, 467042713, iStock, Marc No├½l

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