Dass Grass als Jugendlicher bis zur Kapitulation an den Endsieg geglaubt hat, konnte, wer wollte, problemlos nachlesen. Dass Grass als junger Mensch im Krieg aktiv war, ebenso. Dass er zu den Verblendeten und Verführten gehört hat – wie viele andere auch – war ebenso bekannt. Nun wissen wir, dass er eine andere Uniform getragen hat, als bislang angenommen wurde – so what? Grass hat keine Kriegsverbrechen begangen, nicht einmal in einer Einheit gedient, der Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden.
Sein Biograph Michael Jürgs aber erklärt in einem Gespräch im Deutschlandradio die »moralische Instanz Grass« für »eigentlich erledigt«, weil – wie er Kempowski nachsprach – das Bekenntnis »ein wenig spät« gekommen sei. Selbst die Gutwilligen halten Grass die zahlreichen Gelegenheiten vor, bei denen er sich hätte offenbaren können, »ohne dass man ihm einen Vorwurf daraus gemacht hätte«. Man hätte wahrscheinlich nur so reagiert wie jetzt – da versteht man gleich, warum er so lange zu schweigen versucht hat.
Nehmen wir die Aufregung mal für einen kurzen Moment lang ernst, selbst wenn wir wissen, dass es nur Mediengeschrei ist: Grass ist über viele Jahre hinweg zu einer Medien-Ikone aufgebaut worden. Auf der Liste der zehn Top-Denker Deutschlands der Zeitschrift »Cicero«, einem weithin unbekannten intellektuellen Fachblatt, steht Grass auf Position 1. Er hat dort Harald Schmidt um Haaresbreite geschlagen. So sieht das mit den »Denkern« in Deutschland nämlich aus. Anders gesagt: Grass war immer schon eitel genug, um zu jeder Sache eine Meinung zu haben, von der er wusste, dass sie einer ausreichend großen und medienmächtigen Minderheit in den Kram passen würde. Der Minderheit war Grassens Votum immer recht, und spätestens nachdem er den Literatur-Nobelpreis erhalten hatte, war kein Halten mehr.
Dabei waren Grassens Meinungen immer schon windig. Er neigte dazu, zu komplizierten Sachverhalten einfache Ansichten zu pflegen, weniger mit differenzierten Analysen zu glänzen als vielmehr mit einer aufrechten, moralisierenden Pose, sich mehr auf seine Stimm- als auf seine Denkkraft zu verlassen. Als Schriftsteller hat er Unmengen von unliterarischem und unlesbarem Schamott geliefert – ich erinnere mich mit Grausen an »Die Rättin« und »Der Butt«; »Das weite Feld« war wenigstens in der ersten Häfte einigermaßen erträglich –, und einige wenige denken auch heute noch, dass es das bestgehütete Geheimnis von Günter Grass ist, dass er gar keine Romane schreiben kann. Schon 1981 hat Friedrich Dürrenmatt in einem Interview die schöne Äußerung getan:
Günter Grass hat mir sehr höflich den Butt versprochen, aber er hat ihn dann nie geschickt, also brauchte ich ihn auch nicht zu lesen. Der Grass ist mir einfach zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben.
Das hat mir schon damals aus der Seele gesprochen. Dies »späte Bekenntnis« ist eine gute Gelegenheit, Grass als das zu durchschauen, was er seit vielen Jahrzehnten ist: Die erfolgreiche Marketingstrategie einer Interessengruppe. Dass er selbst das bislang nicht begriffen zu haben scheint, macht ihn so erfolgreich. – »Nachbarin! Euer Fläschchen!«
Ich sehe es ähnlich, Grass ist keine Instanz und ein wirklich guter Autor ist er auch nicht, er ist so etwas wie eine Legende, an der keiner Zweifelte, und nun brökelt die Fassade, hat ja auch lang genug gedauert.
P.S.: Gestern schreibt Henryk M. Broder in »SPIEGEL online«: »Fast immer, wenn Grass sich zu Wort meldete oder um seine Meinung gefragt wurde, redete er wohlfeilen Unsinn, den er mit großen Gesten begleitete: Für den Frieden und gegen die Armut, für die Dritte Welt und gegen den Kapitalismus, für das Gute und gegen das Böse. Er zitierte gerne sich selbst und wurde gerne von Leuten zitiert, die eine Legitimation brauchten, wenn sie das Prinzip von Ursache und Wirkung auf den Kopf stellen und Täter zu Opfern stilisieren wollten.«
Ja, so sind Sie, die Herren Nobelpreisträger. Ein Buch dieses Herrn Grass darf man jetzt mit anderen Augen sehen. Die Blechtrommel. Es handelt sich also nur um eine gut Verpackte Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Sehr Interessant. Wenn dem Moralapostel jezt der Nobelpreis entzogen werden sollte, müßte man allerdings auch mit zwei Friedensnobelpreisträgern genauso verfahren. Stichwort Israel und Palästina. Das wird Natürlich nicht geschehen. Obwohl Herr Grass diesen Dunklen Punkt seiner Vergangenheit Absichtsvoll Verschwiegen hat. Oder meint ihr, daß er den Nobelpreis erhalten hätte, wenn es kurz vor der Preisverleihung herausgekommen wäre?
Also sorry, auf die Blechtrommel lass ich wenig kommen, MRR tät schwafeln: „ein wichtiges Buch“. Alles andere außer „Katz und Maus“ (zu kurz zum weglegen 😉 ) und Gedichten, was ich danach versuchte zu lesen hab ich abgebrochen: Hundejahre, Rättin, Butt.
Sorry Leute,sicher ist Herr Grass ein Art Legende geworden und wird wahrscheinlich zu einer werden die schnell vergessen wird.Ich selbst habe erst zwei Bücher von ihm gelesen, darunter mein Favorit „Blechtrommel“. Mag sein, dass er viel geschrieben hat, was nicht dem allgemeinen Geschmack entspricht. Es mag auch sein, dass er aus Sicht einiger, mit der „Blechtrommel“ einen Glückstreffer gelandet hat. Meiner Meinung steckt sogar das Buch in Kinderschuhen was den Stil angeht, was es für mich aber um so sympathischer macht.Aber er hat ja auch nie gesagt er wäre der neue Heiland und utopischer Geistesstärke verwöhnt… Man rückt doch die Leute so hin wie man sie sehen will. Und das aufgrund eines Buches, welches sich nicht einmal mit seiner Biografie ausweist. Das Buch könnte auch von einem Nachbarn und guten Freund handeln…Er hat bei der Waffen-SS gedient. Sicherlich nicht erfreulich zu hören, aber auch ich bin ein freidlicher Mensch und habe zu Zeiten des Afghanistan-Einsatzes bei der Armee gedient… Aus den gleichen Gründen wie Herr Grass…Ich hatte eine limitierte Wahl und der Abenteuerdrang sowie das reizende Zusammengehörigkeitsgefühl haben mich dazu bewegt. Wer weiß was man später zu mir sagen würde… Würde man mir glauben, dass ich Pazifist bin?Ich bin der Meinung einen Menschen nicht aufgrund der Publikationen der Medien zu beurteilen. Nur allzuoft werden diese Personen in eine unpassende Form gedrückt. Ich lasse nichts auf Günther Grass kommen. Ich liebe die „Blechtrommel“. Ich lasse nichts auf irgendjemanden kommen. Ich liebe die theoretischen Hinterlassenschaften der Menschen.