Immer öfter wird in Deutschland die heimliche Handy-Ortung per SMS praktiziert. Allein das Bundesamt für Verfassungsschutz verschickte im ersten Halbjahr 2014 mehr als 50.000 verdeckte Kurzmitteilungen – das sind doppelt so viele wie im selben Zeitraum ein Jahr zuvor.
Mithilfe von „stillen SMS“ werden Bewegungsprofile erstellt
Die deutschen Sicherheitsbehörden greifen verstärkt auf digitale Überwachungstechnologien zurück. Insbesondere die Handy-Ortung per SMS hat erheblich zugenommen: So hat der Verfassungsschutz fast 53.000 sogenannte „stille SMS“ zur Ortung von Mobiltelefonen verschickt. Das teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion mit. Derartige Kurzmitteilungen ohne Textinhalt, die auf dem Gerät des Empfängers nicht angezeigt werden, dienen Polizei, Geheimdiensten und Zoll, um Verdächtige zu orten und Bewegungsprofile zu erstellen.
Die Bundespolizei verschickte fast 69.000 solcher Kurzmitteilungen – rund 3.000 mehr als im ersten Halbjahr 2013. Auch beim Bundeskriminalamt (BKA) nahm die heimliche Handy-Ortung zu: Hier wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres knapp 35.000 „stille SMS“ versandt. Vom Zoll gibt es hingegen keine Angaben zur Nutzung, da die Regierung diese Information als Verschlusssache einstuft. Experten gehen aber davon aus, dass dieses Überwachungsinstrument hier noch stärker als bei den anderen Behörden Anwendung findet.
„Ausufernder Versand von Spionage-SMS“
Der Linke-Abgeordnete Andrej Hunko, der die Anfrage gestellt hatte, zeigt sich angesichts dieser Zahlen beunruhigt und spricht von einem „ausufernden Versand von Spionage-SMS“. Das Mobiltelefon würde damit zur Ordnungswanze, ohne dass die Betroffenen etwas davon merkten.
Die Telekommunikationsüberwachung insgesamt
Insgesamt ergriff das BKA in der ersten Jahreshälfte in 704 Fällen Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung (sogenannte „TKÜ-Maßnahmen“). Sie werden unter anderem dafür genutzt, um Telefonate abzuhören, E-Mails und SMS mitzulesen und Metadaten abzugreifen. Im Vergleich zum Vorjahr blieben die Zahlen des BKA aber in etwa gleich. Funkzellenabfragen nutzte das BKA in der ersten Jahreshälfte weniger als 50-mal, das BKA dreimal und der Zoll hundertmal. Der Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern zum Abhören von Telefongesprächen nahm insgesamt ab – nur beim Zoll setzte man verstärkt auf diese Überwachungsmethode.
Sinkt die Hemmschwelle?
Linksfraktionsvize Jan Korte kritisiert, dass die Überwachung „immer umfangreicher und unkontrollierbarer und demokratiegefährdender“ werde. Nach den Enthüllungen über die Ausspähung durch die US-Geheimdienste fehle von einer Neubewertung der staatlichen Überwachung in Deutschland jede Spur.
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