Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) aller Kommunikationswege (e-Mail, Internetverbindungen, Telephon etc.) wird kommen. Trotz aller Proteste, darueber sind sich mittlerweile die meisten Politiker einig – auch wenn ein abschliessendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das von Datenschuetzern verlangt wird, noch aussteht. Offen ist allerdings noch wer, wann und mit welchen Begruendungen die Daten bekommt. Und bevor diese nicht unstrittige Frage geklaert ist, streiten sich schon diverse Ressorts darum, die Daten einsehen zu duerfen. Gleich mehrere Meldungen, die sich auf die Weiterverwendung dieser Daten beziehen, wurden Ende letzter Woche verlautbart.
So erklaerte Innenminister Wolfgang Schaeuble, dass das Innenministerium unter Federfuehrung des Verfassungsschutzes in Berlin eine "Internet Monitoring und Analysestelle" (IMAS) einrichten soll. Auch das Bundeskriminalamt beteiligt sich an IMAS und die Analysestelle soll des weiteren die 'Aktivitaeten aus Bund und Laendern buendeln'.
A propos Laender: Der Bundesrat forderte – ebenfalls Ende letzter Woche -, dass alle Provider verpflichtet werden, ihre Kundendaten und die in der VDS gespeicherten Informationen auch zur reinen Gefahrenabwehr zugaenglich zu machen.
Das entspricht einer verdachtsunabhaengigen Ermittlung die in die Privatsphaere der Buerger eingreift!
Wuerdest Du lieber Leser einem Sondereinsatzkommando der Polizei die Tuere oeffnen, wenn die Jungs (ohne Haussuchungsbefehl) nur mal nachschauen wollen, ob bei Dir nicht etwa eine Straftat geplant wird?
Gut (oder besser: nicht gut), der Beschluss des Bundesrates bezieht sich auf konkrete Bedarfsfaelle. Doch wo beginnt dieser Bedarf und wo endet er? Der geneigte Leser erinnert sich vermutlich noch an den Skandal vor wenigen Monaten, als der Bundesnachrichtendienst – ohne richterliche Genehmigung (!)- Journalisten abhoeren liess. Sind die Quellen eines Journalisten kein schuetzenswertes Gut mehr? Ist die Schweigepflicht fuer bestimmte Berufsgruppen im Bedarfsfall hinfaellig?
Man moege mich nicht falsch verstehen. Bei der Verfolgung von Straftaten sehe ich durchaus eine Verpflichtung der Ermittlungsbehoerden den oder die Taeter zu ermitteln – und dies mit allen zur Verfuegung stehenden Mitteln. Andererseits kann es nicht sein, dass die Unschuldsvermutung (die bislang so lange galt, bis die Schuld eines Menschen bewiesen war) ausser Kraft gesetzt wird. Man stelle sich vor: rund 450 Millionen EU-Buerger (durch die EU-weite VDS) und 82 Millionen Bundesbuerger hier in der BRD fallen unter Generalverdacht! Jeder wird nach Belieben abgehoert, beschattet und bespitzelt! Das ist keine Horrorvorstellung, die ich aus der Luft greife, sondern ein gesellschaftliches Faktum, das uebrigens auch die vom Bund und den Laendern bestellten Datenschutzbeauftragten, als verfassungswidrig bezeichnen.
Mit der Einfuehrung der VDS ist es dringend erforderlich, die Nutzung der so anfallenden Daten eindeutig und im Sinne eines Rechtsstaates gesetzlich zu regeln, so dass sowohl der Buerger als auch der Ermittler seinen rechtlichen Rahmen kennt!
Ich erlaube mir an dieser Stelle eine wahre Anekdote aus meinem Berufsleben wiederzugeben:
Ich arbeite bei einem ISP und wir haben selbst DSL-Kunden. Anfang letzten Jahres erschienen bei uns zwei Herren, die sich als Polizisten ausgaben und fuer den Bruchteil einer Sekunde einen Ausweis schwenkten.
Er brauche ganz schnell und dringend Namen und Adresse der Person, die zwischen 12:30 und 13:14 mit der IP 213.xxx.xxx.91 im Netz war, erklaerte einer von den beiden und fuegte noch hinzu, dass es um einen Fall von Kinderpornographie ging.
Mein Kollege (Zitat: "Bei Kinderpornographie hoert der Spass auf"), pruefte das Anliegen der beiden Herren in zivil nicht weiter und gab die Daten raus.
Natuerlich hat mein Kollege insofern recht, dass bei Kinderpornographie der Spass aufhoert. Aber andererseits kann es ja wohl nicht sein, dass nur mittels eines gemurmelten Schlagwortes eine rechtliche Grauzone geschaffen wird, in der der Datenschutz keine Bedeutung mehr hat. Mein Kollege haette sowohl die Identitaet der beiden Herren, als auch ihre Legitimation zum Zugriff auf die Daten (die sie offensichtlich nicht hatten), pruefen muessen.
hit any key 2 continue
-m*sh-
Artikelliste 'digitale Fessel':