Geht es um diese alte Heilkunst, leuchten im Kopf sofort Wörter wie Akupunktur oder exotische Heilmittel, die aus Tigerkralle und Ginsengwurzel gewonnen werden, auf. Kaum jemand weiß, dass die chinesische Medizin darauf bedacht war, die Krankheit gar nicht erst ausbrechen zu lassen. Akupunkturnadeln und Heilkräuter kamen nur in Notfällen zur Anwendung. Ein Satz aus dem „Gelben Kaiser“, dem Standardwerk der TCM, dokumentiert das sehr klar: „…Wenn man auf die Krankheit wartet, um dann eine Therapie einzuleiten oder auf Störungen, um den Frieden durchzusetzen, so ist das, als warte man auf den Durst, bevor man einen Brunnen gräbt oder auf Krieg, bevor man Waffen schmiedet…“ Es ging also stets darum, heraus zu finden, wie man seine gesundheitliche Balance erhalten kann, bzw. sehr früh erkennen kann, dass sie ins Wanken gerät.
Chinesische Medizin – Leben im Einklang mit den vier Jahreszeiten
In uralter Zeit wurden die chinesischen Ärzte danach bezahlt, dass der Mensch gesund blieb; die sogenannte präventive Medizin war also eine normale Herangehensweise. Das setzte voraus, dass die Klienten den Ratschlägen der Ärzte Folge leisteten. Als erstes ging es darum, sich der jeweiligen Jahreszeit entsprechend zu verhalten. Nicht nur die angemessene Kleidung spielte dabei eine Rolle, sondern auch die Ernährung. So würde ein Mensch, der schnell friert im Winter, keine kalte Rohkost essen und eher zu deftigen, wärmenden Speisen greifen – schlank sein hin oder her. Dafür verlangt einem Menschen, dem stets gut warm ist, im Sommer eher nicht nach fettem Fleisch oder heißem Erbseneintopf. Jedes Lebensmittel ist in der chinesischen Medizin einem Element zugeordent und wird danach beurteilt, ob es wärmt oder abkühlt und wie es auf die Organe wirkt.
Verhaltens- und Denkgewohnheiten variabel gestalten
Das Leben besteht jedoch aus mehr als Essen und Kleidung. Die chinesische Medizin empfahl, sich dem Wetter und Klima auch im Verhalten und Denken anzupassen. Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wird an dieser Stelle noch einmal der „Gelbe Kaiser“ zitiert: „…Produzieren, aber niemals zerstören; geben, aber niemals wegnehmen; belohnen, aber niemals bestrafen: das bedeutet, der Energie des Frühlings entsprechen und im Einklang mit dem Tao sein…“ So wäre der Frühling (bzw. der Morgen, wenn man die Jahreszeiten auf einen Tag aufteilt) zum ruhigen Arbeitsantritt geeignet, zum Planen und Vorbereiten, der Sommer (also Vormittag bis früher Nachmittag) fordert zur Aktivität heraus, der Herbst (Nachmittag, Abend) lädt zum Ernten ein und der Winter (die Nacht) ist zum Ausruhen und Regenerieren gedacht. Offensichtlich ganz so, wie es die Natur uns Menschen vorlebt. Und da der Mensch durchaus Teil der Natur ist, wird er krank, wenn er sich gegen diese Vorgänge stellt. Die chinesische Medizin kann helfen, sich dem wieder anzunähern, da ihre Grundlagen von prinzipieller Art sind und sich nicht nur auf das Reich der Mitte beschränken.